Was Ken Aljam und seine Frau jetzt noch haben, passt in zwei Wäschekörbe. Darin hat er in Eile die notwendigen Dinge verpackt, bevor die beiden aus ihrem brennenden Heimatort geflohen sind. "Asche regnete herunter", berichtete Aljam kanadischen Medien. "Wenn es die Hölle gibt, sieht sie so aus." Tagelang sorgte die kanadische Ortschaft Lytton mit immer neuen Hitzerekorden für Schlagzeilen. Nun ist sie einem Flammeninferno zum Opfer gefallen. In kürzester Zeit wurde der kleine Ort von einer Feuerwalze überrollt.
90 Prozent von Lytton seien abgebrannt, auch der ganze Ortskern, teilte der kanadische Parlamentsabgeordnete Brad Vis am Donnerstag mit. Mehr als 1000 Menschen mussten in aller Eile flüchten. "Es ging so schnell, dass wir keine Zeit hatten, um darüber nachzudenken und uns vorzubereiten", sagte die Anwohnerin Karen McArthur der Zeitung Toronto Star.
Bürgermeister Jan Polderman sagte kanadischen Medien, er habe weißen Rauch am Südrand des Ortes gesehen, und schon 15 bis 20 Minuten später hätten die Flammen das gesamte Gebiet ergriffen.
Rekordtemperatur von 49,6 Grad
Medienberichten zufolge ist ein Ehepaar beim Versuch, den Flammen zu entkommen, ums Leben gekommen. Offizielle Zahlen zu Opfern gab es bisher nicht. Hilfsorganisationen bitten die geflüchteten Menschen darum, sich in den umliegenden Gemeinden zu melden, um einen Überblick über mögliche Opferzahlen zu bekommen.
In den Tagen vor der Katastrophe herrschte trockenes und heißes Wetter in Lytton. Mit 49,6 Grad Celsius war am Dienstag in der Gemeinde die bisher höchste Temperatur in Kanada gemessen worden. Eine genaue Brandursache ist nicht bekannt. Scott Hildebrand, Chief Administrative Officer des Regionalbezirks Thompson-Nicola, sagte dem Fernsehsender CBC News, in Verdacht sei ein durchfahrender Zug, dessen Funken das Feuer ausgelöst haben könnten. Die Evakuierung der rund 1000 Menschen sei laut Hildebrand schwierig gewesen, da Strom- und Mobilfunknetz ausgefallen seien.
Der Brand mit einer Fläche von 65 Quadratkilometern sei "außer Kontrolle", teilten die Behörden am Donnerstag mit. Auch in anderen Teilen der kanadischen Provinz British Columbia waren in kürzester Zeit Dutzende Waldbrände ausgebrochen, viele durch Blitzschläge, die das trockene Gras entzündeten.
Der regionale Waldbranddienst zählte zeitweise 99 aktive Brände. "Alle diese Waldbrände werden bewertet und werden in einer Prioritätsreihenfolge behandelt", schrieb BC Wildfire auf Twitter. "Bodenmannschaften, Hubschrauber, Lufttanker, Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren und schweres Gerät haben reagiert und werden dies in den kommenden Tagen weiter tun." Die Hitze und Trockenheit in der Region dauert unterdessen an, der Wind verbreitet die Flammen in hoher Geschwindigkeit.
John Horgan, Premier von British Columbia, sieht in den zunehmenden Waldbränden eine Folge des Klimawandels. "Unsere Umwelt verändert sich, und der Klimawandel wirkt sich auf unser Leben bedeutend aus." Laut Horgan sicherte Kanadas Premierminister Justin Trudeau staatliche Hilfen und militärische Unterstützung zur Bekämpfung der Flammen zu.