Justiz:Gericht macht Niederlande für 300 Srebrenica-Opfer haftbar

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Den Haag (dpa) - Fast zwei Jahrzehnte nach dem Massaker von Srebrenica hat ein Gericht den niederländischen Staat für den Tod von mehr als 300 bosnisch-muslimischen Opfern mitverantwortlich gemacht.

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Den Haag (dpa) - Fast zwei Jahrzehnte nach dem Massaker von Srebrenica hat ein Gericht den niederländischen Staat für den Tod von mehr als 300 bosnisch-muslimischen Opfern mitverantwortlich gemacht.

Ein Zivilgericht in Den Haag erklärte damit erstmals den Heimatstaat einer UN-Truppe haftbar für Kriegsverbrechen Dritter. Nach dem Urteil muss der Staat den Angehörigen Schadenersatz zahlen.

Im Bosnien-Krieg hatten serbische Einheiten im Juli 1995 die UN-Schutzzone Srebrenica überrannt und rund 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet. Die niederländischen UN-Blauhelme hatten die Enklave den Serben unter Anführung des Generals Ratko Mladic kampflos übergeben. Es handelte sich um den schlimmsten Völkermord auf europäischem Boden seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Für den Fall der Enklave und den Tod aller Opfer machte das Gericht die Niederlande nicht verantwortlich. Doch die UN-Blauhelme hätten unrechtmäßig an der Deportation von mehr als 300 Männern von ihrem Militärgelände mitgewirkt, sagte die Richterin Larissa Alwin.

Die Niederländer hätten bereits Signale von Massenerschießungen erhalten. „Man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass diese Männer am Leben geblieben wären, wenn Dutchbat ihnen gestattet hätte, auf dem Militärgelände zu bleiben.“

Das Verteidigungsministerium will das Urteil nun prüfen. Über eine mögliche Berufung ist noch nicht entschieden. Die Angehörigen der Opfer, die „Mütter von Srebrenica“, erwägen, Berufung einzulegen. Denn ihrer Klage wurde nur zum Teil entsprochen. Sie wollen, dass die Niederlande für die Deportation aller Flüchtlinge haften sollen.

Für die „Mütter von Srebrenica“ war es ein emotionaler Tag. Mehrere vorwiegend alte Frauen brachen in Tränen aus. „Dies ist ein politisches Urteil“, sagte Munira Subasic. Der Anwalt der Mütter, Marco Gerritsen, nannte das Urteil „einen großen Schritt in die richtige Richtung“.

Das Urteil des Zivilgerichtes könnte nun Folgen für künftige UN-Friedenseinsätze haben. Experten fürchten, dass es Staaten von der Teilnahme abschrecken könnte. Die Niederlande hatte sich darauf berufen, dass Dutchbat nichts gegen die serbische Übermacht ausrichten konnte. Außerdem hatten die Vereinten Nationen Befehlsgewalt über die Truppe.

Klagen der Angehörigen gegen die UN waren niedergeschlagen worden, da sie Immunität genießen. Allerdings waren die Niederlande bereits 2013 von ihrem höchsten Gericht für den Tod von drei Srebrenica-Opfern haftbar gemacht worden. Dabei ging es jedoch nicht um Flüchtlinge, sondern um damalige Mitarbeiter von Dutchbat. Durch ihren besonderen Status hätten diese den Serben nicht übergeben werden dürfen. Im Gespräch ist in diesem Fall eine Entschädigungssumme von 20 000 Euro je Opfer.

Für das Massaker müssen sich derzeit der damalige General Mladic und der damalige Serbenführer Radovoan Karadzic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten.

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