Italien:Mafia vereinnahmt Madonna

Italien: Eine Karfreitagsprozession mit einer Madonnenstatue in Palermo (Symbolbild)

Eine Karfreitagsprozession mit einer Madonnenstatue in Palermo (Symbolbild)

(Foto: AFP)

Es geschah in Palermo: Während der alljährlichen Prozession zu Ehren der Madonna del Carmine verweilten die Männer mit der goldschimmernden Marienstatue minutenlang vor dem Bestattungsinstitut eines Mafioso. Die katholische Kirche ist entsetzt.

Von Stefan Ulrich

Madonna und Mafia sollten eigentlich in getrennten Welten leben. Doch nun sind sie zusammengebracht worden. Trotz aller Bekenntnisse der katholischen Kirche gegen das organisierte Verbrechen; und trotz der jüngsten Erklärung von Papst Franziskus, Mafiosi seien exkommuniziert.

Es geschah am Sonntagabend im volkstümlichen Ballarò-Viertel von Palermo. Die alljährliche Prozession zu Ehren der Madonna del Carmine schob sich durch die feiernde Menge. Mitglieder einer katholischen Bruderschaft trugen die goldschimmernde Marienstatue vor sich her. Plötzlich rief einer der Männer: "Haltet an!" Die Prozession verweilte minutenlang vor dem Betrieb des örtlichen Mafiabosses Alessandro D'Ambrogio. Es ist, sinnigerweise, ein Bestattungsinstitut. Darin hatte sich der Pate, einer der neuen Anführer der palermitanischen Cosa Nostra, oft mit Vertrauten getroffen. Nun sitzt er in Norditalien in Einzelhaft. An der Prozession konnte er diesmal nicht teilnehmen. Doch seine Anhänger sorgten dafür, dass ihm die Madonna die Ehre erwies.

Fromme Mafiamitglieder

Die Kirche reagierte aufgeschreckt. Der zuständige Priester, Pater Vincenzo, sprach von einem "anormalen Halt". Dabei habe er die Bruderschaft gebeten, solche Gesten zu unterlassen. Der Kardinal von Palermo hatte sogar einen Aufseher entsandt, um zu verhindern, dass die Madonna von der Mafia vereinnahmt wird.

In früheren Zeiten war die katholische Kirche in Süditalien da weitaus nachlässiger. Jahrzehntelang pflegten dort Mafiosi und etliche Kirchenmänner mehr als nur eine friedliche Koexistenz in gemeinsamer Feindschaft gegen die Kommunisten. Die Mitglieder der sizilianischen Cosa Nostra oder der kalabrischen 'Ndrangheta gaben sich als fromme Katholiken, gingen regelmäßig in die Messe und spendeten eifrig. Manche Pfarrer erteilten ihnen ihren Segen, ließen sie vorn bei Prozessionen mitlaufen und spendeten ihnen so in den Augen der Menschen Legitimität. Einige Kirchenvertreter leugneten oder verniedlichten die Mafia. Doch es gab auch andere, die ihren Einsatz gegen die Verbrecher mit dem Leben bezahlten.

Unter Papst Johannes Paul II. und seinen Nachfolgern wandte sich die Kirche dann insgesamt energischer gegen die Clans. Unvergessen in Italien ist der Besuch Johannes Pauls im Frühjahr 1993 in Agrigent. Mit erhobener Faust und bebender Stimme rief er den Mafiosi zu: "Kehrt um! Eines Tages wird euch das Jüngste Gericht Gottes einholen!" Diesen Juni hatte dann sein Nachfolger Franziskus einen starken Auftritt gegen die 'Ndrangheta. Doch dies beeinflusst längst nicht alle Katholiken im Süden Italiens. Anfang Juli geriet eine Marien-Prozession im kalabrischen Oppido Mamertina auf Abwege. Die Träger hielten vor der Wohnung eines Mafioso, der dort im Hausarrest saß, und ließen die Madonna sich verbeugen.

Der Aufschrei in Italien war groß, etliche Politiker forderten Konsequenzen. Die Justiz leitete Ermittlungen ein, während die Bischofskonferenz klarstellte, nicht die Madonna, nur die Statue habe sich vor dem Mafioso verneigt. Etliche Prozessionen im Süden wurden von der Kirche verboten. Doch nun ist es in Palermo wieder passiert. "All das wird sich ändern", verspricht Papst Franziskus. Sein Wort in Gottes Ohr.

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