Italien:Auf den Gipfeln keine Ruh

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Gipfelkreuz am Padonpass in den Dolomiten. (Foto: Volker Rauch/Zoonar/IMAGO)

Warum in Italien hitzig darüber diskutiert wird, ob auf den Bergspitzen weiter Kreuze stehen dürfen.

Von Andrea Bachstein

Dass Gipfelkreuze oft wetterumtost sind, liegt in der Natur ihrer Standorte. In Italien ist aber ein Sturm um sie losgebrochen, der kein Fall für Meteorologen ist. Diesen Sturm der Entrüstung mit anzufachen, versäumte auch Matteo Salvini nicht, der Chef der rechtspopulistischen Lega sowie Verkehrs- und Infrastrukturminister Italiens. Kämpferisch ergriff Salvini das Wort: Nur über seine Leiche werde man Kreuze von Alpengipfeln entfernen. Dass das gar niemand vorhatte, störte weder ihn noch andere Beteiligte einer hitzigen Debatte um die Kreuze, 327 sollen es übrigens auf italienischen Alpenspitzen sein.

Zusammengebraut hat sich alles auf nur etwa 120 Metern über Meereshöhe, bei einer Buchvorstellung an der Katholischen Universität in Mailand vor einigen Tagen. Da sagte Marco Albino Ferrari, Medienchef des Club Alpino Italiano (CAI), Gipfelkreuze sollten gepflegt und hergerichtet, aber nicht neu aufgestellt werden. Gipfel sollten weltanschaulich neutral für jedermann sein. Das ist kein neuer Gedanke, schon länger vertritt ihn zum Beispiel ein Mann, dem Berge heilig sind - der Südtiroler Reinhold Messner. Der König der Achttausender befand, Berge gehörten allen, keiner habe das Recht, "ihnen seinen Hut aufzusetzen".

Was in Mailand gesagt wurde, geriet aber verdreht in die Öffentlichkeit: Der italienische Alpenverein wolle keine Gipfelkreuze mehr aufstellen, sie womöglich sogar entfernen. Der Kulturbeauftragte des Südtiroler Schützenbundes, Martin Robatscher, nahm Stellung: "Wir lassen uns nicht unsere Traditionen und unser religiöses und kulturelles Brauchtum nehmen", das schließe Gipfelkreuze ein.

Die Aufregung gipfelte in einem Rücktritt

"Fake News auf großer Höhe", titelte die Zeitung Il Fatto Quotidiano angesichts diverser Politiker, die sich zur Gipfelkreuz-Affäre äußerten. So sah Außenminister Antonio Tajani "unsere Werte und Wurzeln" bedroht. Tourismusministerin Daniela Santanchè teilte mit: Es mache sie "fassungslos", dass der Alpenverein keine Gipfelkreuze mehr wolle, "das widerspricht unseren Grundsätzen, unserer Kultur und unserer Identität". Santanchè allerdings würde gerade wohl sogar ein umgefallenes Wegkreuz dankbar aufgreifen, wenn es nur ablenkt von den Schlagzeilen über ihre fragwürdigen früheren Geschäftsaktivitäten, für die sich Investigativ-Reporter, Opposition und Staatsanwaltschaft interessieren.

Es nützte in der Aufregung nicht gleich, dass Alpenvereins-Vorsitzender Antonio Montani mitteilte, der CAI habe keinerlei Pläne, Gipfelkreuze abzuschaffen, man habe das nicht einmal diskutiert, er entschuldigte sich auch bei der Tourismusministerin. Und der CAI-Medienchef trat zurück, versichernd, er habe nur eine persönliche Ansicht geäußert und nie gesagt, Kreuze sollten entfernt werden. Hingeworfen hat auch sein Kollege, der in Lo Scarpone ("Der Bergstiefel"), dem Online-Magazin des CAI, das Aufstellen neuer Gipfelkreuze infrage gestellt hatte.

Der CAI sah sich genötigt, auf seiner Facebook-Seite um Mäßigung zu bitten bei der Wortwahl in Beiträgen. In denen fanden einige, Kreuze seien anachronistisch, oder schrieben, sie fänden das Symbol einer Religion auf Gipfeln fehl am Platz. Die allermeisten aber wollten diese alpenländische Tradition unbedingt beibehalten. Nicht nur, weil zum schönen Gipfelfoto eben ein Kreuz gehört.

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