Influencerinnen:Flohmarkt für Selfies

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In Düsseldorf können Fans kaufen, was die Influencerinnen abgelegt haben - vielleicht ist auch eine Handyhülle dabei. (Foto: Florian Peljak)

In Düsseldorf verkaufen Influencerinnen abgelegte Fummel. Warum es dort nicht nur ums Feilschen geht.

Von Nadja Lissok, München

Morgens um sechs soll es die besten Plätze geben. Zumindest in der deutschen Interpretation eines klassischen Flohmarkts zahlen die Händler eine kleine Standgebühr, und wer zuerst kommt und deshalb in der Nähe der Essensstände oder direkt am Eingang seinen Tapeziertisch aufbaut, hat beste Chancen auf einen erfolgreichen Tag. Weil das für all jene, die am Wochenende nicht früh aufstehen wollen, ein eher schwieriges Konzept ist, hat sich für die Langschläfer ein eigener Trödelmarkt-Typ ausgebildet: der Nachtflohmarkt. Er beginnt nicht zum Aufgehen der Sonne, sondern eher zu deren Verschwinden, zum Stöbern wird Flaschenbier statt Thermoskannenkaffee gereicht.

Generell erfreut sich das Konzept Flohmarkt einer großen Vielfalt und nun auch einer gewissen Renaissance. Gebrauchte Kleidung kaufen ist fairer, nachhaltiger und kann cooler sein. Und der oft gesuchte Eventcharakter ist beim Flohmarkt auch schon angelegt. Erfunden wurde er, soweit es sich heute nachvollziehen lässt, im Paris des späten Mittelalters: Dort sollen Händler die abgetragenen Kleider wohlhabender Bürger aufgekauft und auf dem "Marché aux Puces" - was übersetzt so viel heißt wie Markt der Flöhe - weiterverkauft haben. Die Flöhe, man ahnt es, waren oft in der Kleidung.

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Nun soll die Vielfalt erweitert werden. Die Variante des Jahres 2023 ist der "Influencer Flohmarkt", der bald in Düsseldorf stattfindet. Anders als der Antikflohmarkt, der Babyflohmarkt oder der Nachtflohmarkt bezeichnet sein Name die Verkaufenden. Es sind junge Frauen mit langen Haaren und schlanken Taillen, die auf Instagram ihr Leben zeigen. Zwischen 100 000 und fast 400 000 Follower schauen zu, wenn sie ferne Länder bereisen oder Kartons mit Produkten öffnen. Veranstalter ist eine Agentur für Influencer-Marketing.

Auch über die Namensgebung hinaus scheint das Konzept komplett auf die Influencerinnen zugeschnitten zu sein. Die bislang elf veröffentlichten Verkäuferinnen müssen nicht früh da sein. Sie zahlen auch kein Geld für ein paar Quadratmeter und einen Verkaufstisch. Hier zahlen die Käuferinnen Eintritt: knapp 40 Euro pro Karte. Mit etwa 600 Besucherinnen rechnet der Veranstalter, die Tickets erlauben den Einlass in einem vorgegebenen Zeitslot.

Die vermutlich durchweg jungen Fans kaufen sich in erster Linie exklusive Selfie-Zeit mit ihren modischen Social-Media-Vorbildern - die Möglichkeit, deren aussortierte Kleidung zu kaufen, ist zweitrangig. Im Preis inklusive ist ein Fingerfood-Buffet, bei dem sich jede Besucherin maximal dreimal bedienen darf.

Was bleibt vom Flohmarkt-Original übrig, wenn man das Budget eines herkömmlichen Flohmarktbesuchs schon in den Eintritt investiert? Das Feilschen um den richtigen Preis! Es sei zwar jeder Influencerin selbst überlassen, erklärt der Veranstalter auf Anfrage, ob sie mit den Käuferinnen über den Preis ihrer aussortierten Kleidung verhandelt. Das wäre aber zu begrüßen, es solle schließlich auf dem Influencer-Flohmarkt "etwas für jeden Geldbeutel geben". Vielleicht empfiehlt sich dann doch das richtige Timing: Die besten Kaufpreise erzielt man in der Regel, kurz bevor der Flohmarkt schließt.

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