Hurrikan "Ian":"Absolute Verwüstung"

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Zerfetzte Straßen, schwimmende Autos, kaputte Lokale: Allmählich wird in Florida das Ausmaß der Schäden durch Hurrikan "Ian" ersichtlich. US-Präsident Joe Biden spricht von einem "möglicherweise erheblichen Verlust an Menschenleben".

Von Peter Burghardt, Washington

Der Sturm hat noch nicht genug, in den Nacht zieht er weiter. Nachdem Ian Florida überrollt hat, wirbelt er am Freitag hinauf Richtung South Carolina, nimmt über dem Atlantik wieder Fahrt auf und wird erneut zum Hurrikan. Am Mittwoch hatte Ian mit Stärke 4 die Halbinsel im Südosten der USA heimgesucht, ehe er kurz satt zu sein schien und zum Tropensturm herabgestuft wurde. Zurück bleibt eine Schneise der Zerstörung, erst allmählich wird klar, was Ian im Revier der Strände, Villen und Vergnügungsparks angerichtet hat.

Niemand weiß, wie viele Menschen ihr Leben verloren haben. Die Angaben über die Zahl der Todesopfer in Zusammenhang mit Ian gehen stark auseinander, mal ist nur von zwei Toten die Rede, mal von mehr als 20. Es könnten Hunderte sein, sagt Carmine Marceno, der Sheriff von Lee County. US-Präsident Joe Biden spricht von einem "erheblichen Verlust an Menschenleben", dies könne der tödlichste Sturm in der Geschichte Floridas sein. Für South Carolina erklärte er den Notstand, noch bevor Ian die Küste des Bundesstaats erreicht hat. Das Nationale Hurrikan-Zentrum warnt vor lebensbedrohlichen Sturmfluten entlang der Küste sowie vor Regen und Überschwemmungen auch in North Carolina sowie im Süden des angrenzenden Staates Virginia.

Hunderte gestrandete Menschen wurden in Florida gerettet, mit Booten und Hubschraubern. Etwa zwei Millionen Bewohner der Halbinsel sind ohne Strom. Besonders schlimm hat es unter anderem Naples und Fort Myers an der Westküste erwischt, dort, wo Ian aus Kuba kommend das nordamerikanische Festland erreicht hatte. Einige Häuser seien ausgelöscht worden, nur noch Betonplatten seien übrig, sagt Gouverneur Ron DeSantis, man sieht das jetzt ständig im Fernsehen.

Fort Myers Beach war eine Gegend mit Hotels, Restaurants, Palmen und Sand, und jetzt? "Absolute Verwüstung", berichtet eine Frau der Tampa Bay Times, "es ist fast nichts übrig." Einem 60 Jahre alten Mann dort kommt es vor, als sei eine Atombombe abgeworfen worden. Zerfetzte Straßen, schwimmende Autos, kaputte Lokale, in der Marina haben sich Yachten ineinander gequetscht wie nach einem Tsunami.

Die Yachten im Hafen von Fort Myers sind verwüstet, gerade so, als sei ein Tsunami über sie hinweggerollt. (Foto: Ricardo Arduengo/AFP)

Der Himmel schickte enorme Mengen Regen, und aus dem Golf von Mexiko wurden die Fluten ans Ufer gedrückt. "Ich kann nicht glauben, dass Mutter Natur so etwas tut", wird eine Verkäuferin aus Fort Myers Beach zitiert. "Mein Gott."

Gebäude sind eingestürzt, die Brücke zu den Inseln Sanibel und Captiva wurde stellenweise demoliert und ist unpassierbar. "Biblisch" nennt DeSantis die Schäden auf Sanibel. In Fort Myers wirkt das Schild "Achtung, bei Nässe rutschig" an einer Treppe wie Hohn, als einer Passantin aus dem Schlamm geholfen wird. Im überfluteten Naples legt ein australischer Kameramann während der Live-Übertragung kurz die Kamera ab und eilte einer Familie zu Hilfe.

Im dortigen Bezirk Collier County erließ der Sheriff eine nächtliche Sperrstunde. Das Wasser steige, Trümmer lägen auf den Straßen, und viele Menschen hätten ihre Häuser und Geschäfte verlassen, erläutert er. "Wir wollen nicht, dass Kriminelle unsere Bewohner und Unternehmen in einer der verletzlichsten Zeiten ihres Lebens ausbeuten."

Die Menschen in Florida machen sich ans Aufräumen. Der Gouverneur mahnt, nicht allzu früh ins Katastrophengebiet zurückzukehren. (Foto: Giorgio Viera/AFP)

Gouverneur DeSantis empfiehlt Menschen, die in Sicherheit gebracht wurden, sich mit der möglichen Heimkehr Zeit zu lassen, auf entwurzelte Bäume und abgestürzte Stromleitungen aufzupassen sowie nicht in stehendem Wasser Auto zu fahren. Viele Häuser sind ohnehin unbewohnbar, der Wiederaufbau wird lange dauern und Milliarden Dollar kosten. Disney World in Orlando meldet, dass am Freitag die Themenparks wieder geöffnet würden. Das Wetter werde besser, heißt es. In South Carolina wird das Wetter schlechter, Ian kommt.

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