Situation nach Dauerregen:Weiter Hochwassergefahr in Deutschland - Ort in Thüringen evakuiert

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Autos stehen in Windehausen in Nordthüringen im Hochwasser. Der Ortsteil von Heringen musste am 25. Dezember evakuiert werden. (Foto: Stefan Rampfel/dpa)

Andauernde Niederschläge stellen Bewohner und Einsatzkräfte in vielen Regionen vor Herausforderungen. In Windehausen müssen die Bewohner ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Auch in NRW und Niedersachsen bleibt die Lage angespannt.

Die Hochwassergefahr bleibt in Teilen von Deutschland hoch. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt weiterhin vor Dauerregen in mehreren Regionen. In Windehausen (Kreis Nordhausen) in Nordthüringen spitzte sich die Hochwasserlage derart zu, dass am ersten Weihnachtsfeiertag der knapp 500 Einwohner zählende Ortsteils von Heringen geräumt werden musste. "Die Situation ist sehr bedrohlich, so ein Bild habe ich in der Goldenen Aue noch nicht gesehen", sagte der Bürgermeister der Stadt Heringen, Matthias Marquardt (Linke), der Deutschen Presse-Agentur. Bis zum späten Abend hatten nach seinen Schätzungen ungefähr 400 Menschen ihre Häuser verlassen. "Etwa 100 Menschen sind in ihren Häusern verblieben", berichtete der Bürgermeister. Nicht alle Gebäude seien in dem Ortsteil durch das Hochwasser bedroht.

Das Wasser stand teilweise bis zu einem Meter hoch in dem Ort. Es gebe keinen Strom, keine Zufahrt und auch keine Festnetztelefonie, beschrieb der Bürgermeister die kritische Lage. Außerdem funktionierten die Toiletten wegen der fehlenden Abflüsse nicht mehr.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schrieb am Montag auf der X (vormals Twitter): "Den Betroffenen wünsche ich viel Kraft und ein hoffentlich baldiges zurück in die eigenen vier Wände." Bürgermeister Marquardt rechnet damit, dass die Hochwasserlage in Windehausen noch mehrere Tage andauern wird. "Das ist wie eine Badewanne, die voll gelaufen ist." Die Bewohner wurden seit Montagmittag mit Radladern und Katastrophenschutzfahrzeugen in Sicherheit gebracht. Sie wurden zu Sammelpunkten und von dort mit Bussen in eine Turnhalle in Heringen gebracht. Viele Bewohner seien bei Familienangehörigen untergekommen.

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Lage in Nordrhein-Westfalen angespannt

Auch in weiteren Gegenden bleibt die Lage angespannt. In vielen Teilen von Nordrhein-Westfalen hat Umweltminister Oliver Krischer weiter große Vorsicht angemahnt. "Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine angespannte Hochwassersituation", sagte der Grünen-Politiker am ersten Weihnachtsfeiertag in Oberhausen, wo er sich über die Lage am Ruhrdeich informierte. Für eine Entwarnung gebe es noch gar keinen Anlass - "ganz im Gegenteil". Angesichts weiterer Regenfälle sei damit zu rechnen, dass die Lage zunächst auch angespannt bleibe.

Besonders stark betroffen bleiben nach Daten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) von Montagnachmittag (Stand 15 Uhr) die Weserzuflüsse im östlichen Landesteil: Gleich an sechs Messstationen, vier davon direkt in NRW, war die höchste Warnschwelle zu dem Zeitpunkt überschritten. Die Warnstufe zeigt an, dass bebaute Gebiete in einem größeren Umfang überflutet werden könnten. Über erforderliche Maßnahmen entscheiden die Behörden vor Ort. An 20 Pegeln von NRW-Gewässern war am Nachmittag des ersten Weihnachtsfeiertages laut Lanuv die zweithöchste Warnstufe überschritten, die auf die Gefahr der Überflutung einzelner bebauter Grundstücke oder Keller hinweist. Dabei ging es unter anderem um die Einzugsgebiete von Lippe, Ems und Ruhr. An 36 Messstationen war die erste Warnschwelle überschritten, die auf die Gefahr hinweist, dass land- und forstwirtschaftliche Flächen überflutet werden können. Die Pegel am Rhein und der Weser werden bei der Zählung nicht berücksichtigt.

Der Ruhrdeich in Oberhausen, der kritische Schwachstellen gezeigt hatte sei nach aktuellem Stand stabilisiert, sagte Krischer am Montag weiter. Der Umweltminister bat die Menschen eindringlich, wachsam zu bleiben, sich über die Lage zu informieren und von Wasser und Deichen fernzuhalten. "Das ist unberechenbar", so Krischer.

Unwetterwarnung für den Harz, Bahnverkehr beeinträchtigt

In vielen Regionen Niedersachsens sind Behörden und Einsatzkräfte ebenfalls gefordert. Hunderte Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr sind unter anderem im Landkreis Northeim sowie im Harz im Einsatz, um mit Sandsäcken Deiche zu errichten und Wohngebiete vor Überschwemmungen zu schützen. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN) rechnet wegen der anhaltenden Niederschläge damit, dass in der Nacht zu Dienstag die Pegel an der Aller, Leine, Oker und ihren Zuflussgewässern sowie der Hase wieder steigen. Auch an der Weser werde sich die Hochwasserlage weiter verschärfen, heißt es im Hochwasserbericht des NLWKN von Montagmittag. Die Scheitelwerte seien noch nicht erreicht. An einigen Pegeln könne es sogar zu Höchstständen kommen.

"Die Böden sind aufgrund der Niederschläge der vorangegangenen Wochen stark gesättigt, sodass der Niederschlag unmittelbar zu einer Verschärfung der Hochwassersituation führt", sagte Marlena Heunecke, Leiterin der Hochwasservorhersagezentrale des NLWKN. Für den Harz gab der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine Unwetterwarnung heraus. Bis Dienstagmittag werden demnach Niederschlagsmengen zwischen 50 und 80 Liter pro Quadratmeter erwartet, in sogenannten Staulagen - also am Rand des Gebirges - sogar von 90 Litern pro Quadratmeter.

Voraussichtlich noch bis Mittwoch (27. Dezember) ist der Bahnverkehr auf der Strecke zwischen Hannover und Magdeburg beeinträchtigt. IC-Züge würden in beiden Fahrtrichtungen umgeleitet und verspäteten sich dadurch um etwa 30 Minuten, teilte die Deutsche Bahn auf ihrer Internetseite mit. Die Züge könnten zudem nicht in Peine, Braunschweig Hauptbahnhof und Helmstedt halten. Hintergrund sind demnach Gleisunterspülungen auf der Strecke von Magdeburg nach Helmstedt. Auch ICE-Züge zwischen Berlin und Hannover, die planmäßig in Magdeburg und Braunschweig halten sollen, verspäten sich wegen des wetterbedingten Problems um 30 Minuten. Statt in Braunschweig halten diese am Hauptbahnhof von Wolfsburg.

Sturmflutwarnung für deutsche Nordseeküste aufgehoben

Die Hochwasserlage in Hamburg und Teilen Schleswig-Holsteins ist am ersten Weihnachtstag dagegen weitgehend entspannt geblieben. Für Hamburg wurde in St. Pauli an der Elbe am Nachmittag der Wert von 1,63 Meter über dem mittleren Hochwasser (MHW) überschritten, wie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am Abend mitteilte. Als Sturmflut werden Messstände ab 1,50 Meter gewertet. Auch für Geesthacht wurde der Sturmflutgrenzwert überschritten.

Die Sturmflutwarnung für die deutsche Nordseeküste wurde am Montagnachmittag um 15.11 Uhr aufgehoben. Teile des Hamburger Fischmarkts wurden dennoch leicht überschwemmt, diesmal aber deutlich weniger als zuletzt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sagte für Hamburg und Schleswig-Holstein für die Nacht zu Dienstag von der Elbe her kommend sich verdichtende Bewölkung und aufziehenden Regen vorher, der später in Schauer übergehe.

Lage in Rheinland-Pfalz und Bayern entspannt sich

Angespannt war die Hochwasserlage weiterhin auch in Sachsen-Anhalt. Dagegen entspannte sich die Lage an den Flüssen und Bächen in Rheinland-Pfalz nach Einschätzung der Hochwasserzentrale zusehends. Am Oberrhein sinken die Wasserstände bis einschließlich Worms nach Angaben der Hochwasservorhersagezentrale bereits wieder. An der Mosel in Trier hat der Pegel den Angaben zufolge in der Nacht zu Montag mit 6,14 Meter den Höchststand erreicht. Seither seien dort sinkende Werte gemessen worden.

Auch die Hochwasserlage in Bayern hat sich etwas beruhigt. "Wir werden das weiter beobachten, aber da es keinen maßgeblichen Niederschlagsinput gibt, ist relativ absehbar, wie die Hochwasserwellen ablaufen werden", sagte ein Sprecher des Hochwassernachrichtendienstes (HND). Franken und Ostbayern waren besonders betroffen vom Hochwasser. Vereinzelte Einsätze gab es an Heiligabend und in der Nacht auf den ersten Weihnachtsfeiertag. In Nabburg (Landkreis Schwandorf) kenterte ein Kanute auf der Naab. Er konnte sich selbst aus dem Fluss retten.

Der Deutsche Wetterdienst warnt weiterhin vor Dauerregen in mehreren Regionen. Insbesondere in den westlichen Mittelgebirgen - vom Bergischen Land bis ins Weserbergland - und im Oberharz seien nach wie vor hohe Mengen zu erwarten, hieß es in einer DWD-Unwetterwarnung vom Montagvormittag. Im Erzgebirge dauere außerdem starkes Tauwetter an. Die Unwetterwarnung galt für Teile von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Sachsen. An Bächen und Flüssen sei Hochwasser zu erwarten. Neben Überschwemmungen könne es auch zu Erdrutschen kommen. Der Großteil des Landes bleibe im Einflussbereich milder und sehr feuchter Luftmassen. Die Dauerregenlage halte teilweise bis Dienstag an.

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