Sorge vor neuen Regenfällen:Weil: Hochwasser in diesem Ausmaß hat es zuvor nie gegeben

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Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil im Hochwassergebiet an der Aller. (Foto: Ulrich Stamm/Imago/Future Image)

Die Hochwasser-Situation bleibt in vielen Orten angespannt. Rettungskräfte beklagen, dass Sandsäcke geklaut werden. Am Donnerstag könnte trockenes Wetter für etwas Entspannung sorgen. Danach droht neuer Regen.

Eine solch angespannte Hochwasserlage wie jetzt ist laut Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) für Niedersachsen ein Novum. "Ein Hochwasser dieses Ausmaßes hat es hier bei uns zuvor nie gegeben. Experten warnen seit Langem davor, dass die immer häufigeren Wetterextreme mit dem Klimawandel zusammenhängen", sagte Weil in einer Mitteilung.

Im Osten und Norden Deutschlands hält die Hochwasserlage viele Menschen in Atem. Zur Entschärfung der Situation im Raum Magdeburg öffnete der Landesbetrieb für Hochwasserschutz am Donnerstag das etwa 135 Meter lange Pretziener Wehr - damit wird jetzt etwa ein Drittel des Elbe-Wassers an den beiden Städten vorbei durch einen Kanal geleitet, ehe es wieder in die Elbe fließt. Auf den umliegenden Deichen verfolgten am Vormittag mehrere Hundert Menschen das Geschehen. Das Wehr war zuletzt im Juni 2013 geöffnet worden.

Die Wasserstände in den sächsischen Flüssen fallen inzwischen wieder - mit einer Ausnahme. Für die Elbe rechnen die Hydrologen nach der jüngsten Prognose erst am Freitag mit einem Rückgang, wie ein Sprecher des Landesamtes für Umwelt sagte. "Am Pegel Ústí nad Labem bildet sich ein langgestreckter Hochwasserscheitel aus und der Wasserstand wird bis heute Nachmittag nur noch wenige Zentimeter ... ansteigen", hieß es. Er bewege sich dann flussabwärts. Am Pegel Dresden wurden zuletzt 5,92 Meter registriert, dort werde voraussichtlich am Abend die Sechs-Meter-Marke knapp erreicht. Normal sind zwei Meter. Aus der Talsperre Kelbra in Sachsen-Anhalt war bereits zuvor Wasser abgelassen worden. Dadurch stieg der Wasserstand des Flusses Helme und gefährdet nun nach Behördenangaben den Ortsteil Nikolrausrieth in Thüringen. Einsatzkräfte bauen laut Innenministerium dort Sandsäcke am Flussufer auf, um ein Überlaufen des Wassers in den kleinen Ort mit etwa 30 Häusern zu verhindern. Die Behörden beider Bundesländer beraten, ob ein Deich geöffnet wird, um Wasser auf umliegende Felder zu leiten.

Starke Regenfälle und Tauwetter haben den Pegelstand der Elbe in Dresden an den Weihnachtsfeiertagen kräftig steigen lassen. Am Donnerstag könnte er die Sechs-Meter-Marke reißen. (Foto: Andreas Franke/Imago)

Bei den laufenden Hochwasser-Einsätzen beklagen Feuerwehren den Diebstahl von Sandsäcken. "Sandsäcke, die an Deichen verbaut sind, werden von Anwohnern weggeholt, weil sie selber keine Sandsäcke haben, um ihre Häuser zu schützen", sagte der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands, Karl-Heinz Banse. Er sprach von vielen Problemen bei den Einsätzen. "Es gibt Beleidigungen, es gibt Diskussionen mit Betroffenen, warum wird erst in der Straße A begonnen und nicht in der Straße B das Wasser abzupumpen. Warum hat mein Nachbar vorher die Feuerwehr im Keller als ich", sagte Banse. "Da gibt es viel, viel Streitereien." Zudem habe die Feuerwehr mit sehr vielen Schaulustigen zu kämpfen. Nach Banses Angaben sind seit Heiligabend Tausende Feuerwehrleute in verschiedenen Teilen Deutschlands im Einsatz. "Wir haben eine Hochwasserlage, wie wir sie seit vielen Jahren nicht erlebt haben."

Das Pretziener Wehr wurde am Donnerstagvormittag gezogen, damit ein Teil des Elbwassers durch einen Kanal fließt. (Foto: Simon Kremer/dpa)

Nach einem Deichriss in Lilienthal bei Bremen wurden angrenzende Straßen erfolgreich evakuiert. In der Gemeinde waren in den vergangenen Tagen an mehreren Stellen Deiche stärker beschädigt worden. Nach einer ersten Evakuierung am Mittwochabend wurden in der Nacht weitere Straßen "aus dringenden Sicherheitsgründen" geräumt, wie die Feuerwehr mitteilte. Die Menschen kamen bei Freunden und Verwandten oder in einer hergerichteten Turnhalle unter. In dem evakuierten Bereich sei daraufhin der Strom abgeschaltet worden.

Wegen des Aller-Hochwassers mussten in der niedersächsischen Gemeinde Winsen rund 300 Menschen ihre Wohnungen verlassen. Das Wasser stand laut Landkreis Celle in einigen Straßen rund 40 bis 50 Zentimeter hoch. Aus Sicherheitsgründen sei daher der Strom abgestellt worden.

In Niedersachsen waren auch am Donnerstag zahlreiche Pegel über der höchsten Meldestufe - insbesondere im südlichen Teil des Bundeslands, wie der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN) mitteilte. Betroffen von hohen Pegelständen seien etwa die Flüsse Weser, Aller, Leine und Oker. In dem sogenannten Unterlauf der Aller ab der Stadt Celle würden die Wasserstände zudem weiterhin steigen. Im Serengeti-Park im niedersächsischen Hodenhagen wurden einige Tiere in Sicherheit gebracht, nachdem Wasser in Stallungen eindrang.

Der Serengeti-Park ist teilweise überflutet; die ersten Tiere wurden deshalb in Sicherheit gebracht. (Foto: Philipp Schulze/dpa)

Ein orientierungsloser Mann wurde bei Rotenburg in Niedersachsen aus den Fluten der Wümme gerettet. Er hatte sich am Mittwoch mit seinem Auto in dem über die Ufer getretenen Fluss festgefahren, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. Polizisten retteten den 84 Jahre alten Mann aus Schleswig-Holstein zusammen mit einem Zeugen, der den Notruf abgesetzt hatte. Der Mann war den Angaben nach stark unterkühlt und wurde in ein Krankenhaus gebracht. Sein Gesundheitszustand habe sich dann stabilisiert.

Am Oberlauf der Weser von Hann. Münden bis Höxter in Nordrhein-Westfalen sanken die Wasserstände am Mittwoch laut Landesbetrieb, für die Mittelweser wurden aber steigende Pegelstände vorhergesagt. Am Pegel Drakenburg im Landkreis Nienburg könne sogar der bisherige Rekordstand aus dem Jahr 1981, nämlich 8,34 Meter, überschritten werden, hieß es. In Nordrhein-Westfalen bleiben auch die zahlreichen Talsperren unter Beobachtung.

Deutscher Wetterdienst kündigt neue Regenfälle an

Eine komplette Entspannung deutet sich bei der Hochwasserlage weiter nicht an. Zwar werde in den nächsten Tagen insgesamt nicht mehr so viel Regen wie um Weihnachten erwartet, sagte der Meteorologe Marcel Schmid vom Deutschen Wetterdienst (DWD) am Donnerstagmorgen in Offenbach. "Allerdings ist jeder Tropfen eigentlich einer zu viel."

Am Donnerstag erwartete Schmid eher noch keine neuen Niederschläge in den Hochwassergebieten vor allem in Ost- und Norddeutschland. Am Freitag aber könne es immer wieder einmal regnen - insbesondere im Umfeld von Harz, Bergischem Land, Sauerland und Siegerland. Eher nur vereinzelte Schauer sind laut dem Meteorologen für Samstag in Deutschland vorhergesagt. Am Sonntag könnte es jedoch wieder häufiger zeitweise regnen.

Und der Start ins neue Jahr beim Deutschlandwetter? "Ab Montag wird es tendenziell etwas kühler. Aber es gibt keinen Wintereinbruch", sagte Meteorologe Schmid. Eher in den Höhenlagen könne etwas Schnee liegen bleiben.

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