Mount Everest:Schlange stehen in der Todeszone

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"Trotz heftigen Verkehrs" hat Nirmal Purja den Gipfel des höchsten Berges der Welt erreicht. Etwa 320 Menschen reihten sich mit ihm am Gipfel ein. (Foto: AFP)

Während eines Schönwetterfensters herrscht Massenauflauf am Mount Everest. Etwa 320 Bergsteiger warten bis zu zwei Stunden auf den Aufstieg zum Gipfel. Ein Warten, das lebensgefährlich sein kann.

Von Titus Arnu

Der nepalesische Bergsteiger Nirmal "Nims" Purja ist normalerweise sehr schnell unterwegs im Hochgebirge. 2017 bestieg er die drei Achttausender Mount Everest, Lhotse und Makalu in nur fünf Tagen. Dieses Jahr hat er das "Project Possible" in Angriff genommen - er will alle 14 Achttausender innerhalb von sieben Monaten abhaken, was noch keinem Menschen gelang. Bei seinem Rekordversuch wurde der durchtrainierte Gurkha-Soldat zwischenzeitlich etwas gebremst: Er geriet am Everest in einen Stau.

Ein Foto, das Purja auf Facebook postete, zeigt eine schier endlose Schlange von Bergsteigern am Gipfelgrat. "Trotz heftigen Verkehrs" habe er um 5.30 Uhr morgens den Gipfel des höchsten Berges der Welt erreicht, schreibt Purja. Grob geschätzt seien an jenem Morgen 320 Leute unterwegs zum 8848 Meter hohen Gipfel gewesen, berichtet er. Dem Massenauflauf zum Trotz gelang es dem Speed-Bergsteiger, noch am gleichen Tag auch den Gipfel des benachbarten Lhotse (8516 Meter) zu erreichen. Einen Tag später war er bereits im Basislager des Makalu (8485 Meter).

Nach der Rekordsaison
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Mehr Bergsteiger als je zuvor erreichen den Gipfel, auch dank billigerer Anbieter und neuer Techniken. Doch der Ansturm auf den höchsten Berg der Welt bleibt nicht ohne Folgen. Und nicht alle kehren zurück.

Von Nadine Regel

So schnell sind Normalbergsteiger, die mit kommerziellen Expeditionen am Everest unterwegs sind, auf keinen Fall - schon gar nicht zu Stoßzeiten. Laut Gyanendra Shrestra, dem Verbindungsoffizier der nepalesischen Regierung im Basislager, mussten die Bergsteiger am 8749 Meter hohen Südgipfel mehr als zwei Stunden warten, bis sie weitergehen konnten, weil so viel Betrieb war. Solche Situationen können lebensgefährlich sein: Je länger man sich in der Todeszone aufhält, desto höher ist das Risiko, zu sterben. Am Mittwoch und Donnerstag kamen ein 55-jähriger US-Amerikaner, zwei indische Frauen im Alter von 53 Jahren und ein 27-jähriger Inder beim Abstieg ums Leben, alle vier starben Berichten von Sherpas zufolge an Erschöpfung. In der Vorwoche waren bereits zwei weitere Everest-Gipfelaspiranten ums Leben gekommen.

Alle brechen bei schönem Wetter gleichzeitig auf

Wie kann es dazu kommen, dass sich 300 Bergsteiger auf dem höchsten Gipfel der Welt auf den Füßen herumstehen? Das liegt vor allem daran, dass alle die gleiche Strategie haben. Die meisten Expeditionsteams verbringen mehrere Wochen im Basislager und arbeiten sich langsam der Lagerkette entlang hoch. Neben der Akklimatisierung ist das Wetter entscheidend für den Gipfelerfolg. Wenn die Meteorologen ein Schönwetterfenster ankündigen, brechen alle gleichzeitig von den Hochlagern zum Gipfelsturm auf. Die nepalesische Regierung verkauft zwar teure Permits für die Besteigung (11 000 US-Dollar pro Expeditionsteilnehmer), mischt sich aber nicht in die Zeitplanung der Teams ein. Auf der Nordseite dagegen läuft es seit dieser Saison anders. Die chinesischen Behörden haben den Tourismus limitiert und nur 142 Gipfel-Genehmigungen für ausländische Bergsteiger ausgegeben. Das bedeutet: weniger Müll und mehr Sicherheit am Berg.

Manche Bergsteiger entscheiden sich angesichts des absurden Rummels zum Verzicht. Der Münchner Profi-Alpinist David Göttler wollte am Donnerstag versuchen, den Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Er brach später auf als die meisten anderen und war mehr oder weniger alleine unterwegs - bis ihm unterhalb des Südgipfels die Hundertschaften entgegenkamen. "Ich sah die ganzen Leute runterkommen und entschied mich, auf 8650 Meter umzudrehen", berichtet er, "Warten und Energie verschwenden, ist keine Option ohne zusätzlichen Sauerstoff."

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