Antisemitismus:Gilt Gil Ofarim jetzt eigentlich als unschuldig?

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Juristisch komplett unschuldig? Gil Ofarim (Mitte) mit seinen Verteidigern vor Gericht in Leipzig. (Foto: Christian Grube/Imago)

Der Sänger hat zugegeben, dass seine Antisemitismus-Vorwürfe gegen einen Hotelmitarbeiter erfunden waren - der Prozess gegen ihn wurde danach eingestellt. Seine Anwälte sagen: Von Schuld könne daher weiter keine Rede sein.

Von Ronen Steinke

Es ist vorbei. Oder? Das Strafverfahren gegen den Musiker Gil Ofarim, 41, ist am Dienstag eingestellt worden. Es lief zwei Jahre lang, zuletzt trafen sich Staatsanwaltschaft und Angeklagter auch mehrere Tage lang im Gerichtssaal. Und nun betonen die Anwälte von Gil Ofarim gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern der Medien lautstark: Juristisch sei an Ofarim nichts, aber auch gar nichts hängengeblieben. Im Gegenteil komme er nun sauber heraus aus der Geschichte. Von Schuld könne weiter keine Rede sein. Und auch wenn Ofarim eine Geldauflage von 10 000 Euro zahlen musste, solle man bitte wissen: Damit werde "lediglich zum Ausdruck gebracht, dass zu einem anderen Zeitpunkt durch die Ermittlungsbehörden ein Tatverdacht angenommen wurde".

Das stimmt, nun ja, nur so halb. Es stimmt insofern, als Gil Ofarim nicht verurteilt worden ist. Sein Strafverfahren wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung - Ofarim hatte Anfang 2021 einem Hotelmitarbeiter in Leipzig antisemitische Diskriminierung vorgeworfen - endete ohne einen Schuldspruch. Denn das Landgericht Leipzig hat darauf verzichtet, den Prozess fortzuführen. Das heißt auch, es gibt keinen Eintrag ins Strafregister für Gil Ofarim. Er gilt juristisch weiterhin als unschuldig. Aber: Es heißt nicht, dass der Verdacht gegen ihn vom Gericht fallen gelassen worden wäre. Im Gegenteil.

Das Gericht hat eine Sanktion gegen Gil Ofarim festgelegt: ebenjene Geldauflage von 10 000 Euro. Das ist der Preis, den er bezahlen muss, damit sein Verfahren eingestellt wird. Und ein solcher Preis ist nach dem Paragrafen 153a der Strafprozessordnung nur dann erlaubt, wenn weiterhin ein Tatverdacht gegen Gil Ofarim besteht. Nicht bloß irgendwann in ferner Vergangenheit, sondern auch aktuell noch. Im wichtigsten juristischen Handbuch zum Strafverfahren, dem Gesetzeskommentar von Lutz Meyer-Goßner und Bertram Schmitt, steht sogar: "Die Anwendung des Paragrafen 153a Strafprozessordnung" - sprich: das Kassieren einer Geldauflage - "gegenüber einem möglicherweise Unschuldigen ist untersagt."

Von einem möglicherweise Unschuldigen dürfte das Gericht gar keine Geldauflage kassieren

Das ist vielleicht etwas missverständlich formuliert, denn jeder Tatverdächtige ist ja möglicherweise unschuldig. Aber gemeint ist: Das Kassieren einer Geldauflage ist nach diesem Verständnis nur dann erlaubt, wenn eine Person weiter tatverdächtig ist. Und für den Fall von Gil Ofarim bedeutet das: Die Leipziger Richter, die diesen Fall vor Monaten zur Anklage zugelassen haben, weil sie einen Verdacht strafbarer Verleumdung und falscher Verdächtigung gegen Gil Ofarim sahen, haben diese Meinung jetzt keineswegs plötzlich geändert.

Mehr noch: Die 10 000 Euro Geldauflage sind Ausdruck einer bestimmten Gewichtung durch das Gericht. Diese Zahl fällt nicht vom Himmel. Das Gericht hat sie eigenständig festgelegt, nachdem es sich überlegt hat, wie schwer der Verdacht gegen Ofarim aktuell wiegt. 10 000 Euro, das ist aus Sicht des Gerichts nun "geeignet, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen", wie es im Gesetzestext heißt, in dem Paragrafen 153a. Und wenn er binnen sechs Monaten nicht zahlen sollte - dann behält sich das Gericht weiterhin die Möglichkeit vor, den Prozess doch noch weiterzuführen. Bis hin zu einem Urteil.

Die 10 000 Euro sind also zwar keine Strafe, sondern "nur" eine Auflage. Dennoch: Mit einer geringeren Summe wollte man sich am Landgericht Leipzig ausdrücklich nicht zufriedengeben - und das drückt eine strafrechtliche Wertung gegenüber Gil Ofarim aus.

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