Beim Menschen unterscheidet man verschiedene Sorten: weibliche und männliche zum Beispiel, gläubige und ungläubige, nette und widerliche sowie welche, die gerne Sprudel (Frizzante) trinken, und diejenigen, die stilles Wasser (Naturale) bevorzugen. Die Frizzante-Fraktion freilich hat im Sommer den immensen Vorteil, sich bereits beim Erklingen des während des Öffnungsvorgangs einer Dose oder Flasche üblichen Zisch-Geräuschs auf die unmittelbar bevorstehende Erfrischung zu freuen.
Verhaltenspsychologen sprechen hier vom Pawlowschen Reflex, den bereits ein simpler Sound erzeugen kann. Es ist daher auch kein Wunder, dass sich diverse Getränkefirmen genau dieses Geräusch gerne für ihre Sprudel schützen lassen würden. Und sicher haben ihnen das auch die Anwälte empfohlen, welche sich mit dem akustischen Markenschutz eine neue pekuniäre Quelle erschließen und am liebsten gleich alle vermarktungsfähigen Sounds dieser Welt in Paragraphen fassen würden.
Lippenbekenntnisse:Küsse und ihre Folgen
Am 6. Juli ist Tag des Kusses. Eigentlich ein Grund zum Feiern, wäre nicht gerade der britische Gesundheitsminister über einen solchen gestolpert. Über die Ambivalenz einer Berührung.
Nun ist vom Gericht der Europäischen Union ein Urteil in der Rechtssache T-668/19 ergangen. Es ist angeblich das erste, in welchem man sich auf höchster europäischer Ebene "zur Eintragung einer im Audioformat dargestellten Hörmarke" äußert. Eine Holding, die Metall-Verpackungen für diverse Sprudelgetränke herstellt (109 Produktionsstandorte, 23 500 Mitarbeiter in 22 Ländern, 7,6 Milliarden Euro Jahresumsatz) wollte sich das gewöhnliche Zischgeräusch des Dosenöffnens vom "Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum" gleich für mehrere Sprudel schützen lassen. Doch beim Amt lehnte man ab - die Holding und ihre Juristen legten daher Klage ein. Erfolglos, möchte man sagen (wozu ein langer, hässlicher Ton passen würde, wie man ihn aus Quizshows kennt).
Geschütztes Meeresrauschen?
Jetzt ist natürlich die Frage, warum sich zwar offensichtlich ein Eis-Hersteller sein "Knack-knack-knack" schützen lassen kann, ein Dosenhersteller aber nicht das "Ratsch-zisch-prickel". Und nicht nur für Produzenten und Konsumenten, gerade auch für die internationale Jurisprudenz wäre es am Ende doch ausgesprochen gut zu wissen, ob sich nicht auch etwa ein Hersteller von Federkernmatratzen um ein für seine Unterlagen passendes Hörbild kümmern sollen dürfen könnte. Ja, auch den Tourismusämtern an der italienischen Mittelmeerküste oder auf den kanarischen Inseln müsste an einem ausreichenden Schutz ihres Meeresrauschens als Audioformat doch durchaus gelegen sein.
Aber, um das vorwegzunehmen: Einfach nur das Mikro auf eine Getränkedose oder an einen Strand zu halten, um damit Kohle zu machen, das geht (bisher noch) nicht. Da könnte ja jeder kommen. Ist ein Geräusch lediglich einer Sache "inhärent", so das EU-Gericht, so kann der Klang nicht als Hinweis auf eine "betriebliche Herkunft" gesehen werden. Da braucht es schon etwas Prägnanteres. Ein lautes "Öha!" zum Beispiel, eine besondere Musik oder einen zusätzlichen Soundeffekt. Für kohlensäurehaltige Getränke käme da dieser ganz eigene, sehr kehlkopflastige Laut infrage, welcher von Individuum zu Individuum ungemein verschieden ist. Aber da müsste man jetzt erst mal die Juristen fragen.