Radverkehr:"Lastenfahrräder sind in aller Regel für den Transport der Kinder nicht ausreichend geeignet"

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Spaßig ist es schon, wenn den Kindern im Lastenrad der Fahrtwind um die Nase pfeift. Aber ist die Fahrt auch sicher? (Foto: Roman Ärzinger/imago images/Westend61)

Lastenrad, Anhänger, Kindersitz: Womit fahren Kinder am sichersten? Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass alle Transportmittel Nachteile haben. Wie sich der Nachwuchs dennoch schützen lässt.

Von Jasper Bennink

Lastenfahrräder, Fahrradanhänger, Kindersitze - wer sein Kind auf dem Fahrrad mitnehmen will, hat mehrere Möglichkeiten zur Auswahl. Doch wie sicher sind die einzelnen Transportmittel? Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) liefert nun erste Ergebnisse. Dazu hat sie unter anderem Unfalldaten analysiert, Nutzer befragt und Crashversuche ausgeführt.

Wie häufig sind Unfälle mit mitfahrenden Kindern generell?

Die Studie zeigt, dass Unfälle, bei denen Eltern ihre Kinder auf dem Rad transportieren, eher selten sind. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren allerdings stark angestiegen. Die 222 verzeichneten Unfälle im Jahr 2022 stellten eine Steigerung um 45 Prozent zum Vor-Corona-Jahr 2019 dar. Zwölf Kinder wurden dabei schwer verletzt. Die Studie geht zudem davon aus, dass viele Radunfälle mit Kindern nicht gemeldet werden und daher nicht in die Statistik eingehen.

Wie sicher sind Lastenfahrräder im Straßenverkehr?

Lastenfahrräder erfreuen sich bei Eltern für den Transport ihrer Kinder immer größerer Beliebtheit. Fast ein Drittel der Befragten gab an, ein Lastenrad täglich zur Beförderung zu nutzen. Dabei stellt die Studie der UDV dem Lastenfahrrad kein gutes Zeugnis bei der Sicherheit aus: "Lastenfahrräder sind in aller Regel für den Transport der Kinder nicht ausreichend geeignet", bilanzieren die Forscher. Das habe unter anderem mit der Struktur des Rads zu tun. Eltern nutzten überwiegend Modelle mit drei Rädern, die schwer zu fahren und kippanfällig seien. Eingebaute Sitzbänke oder Rückenlehnen reichten nicht aus, um sicheres Mitfahren der Kinder zu gewährleisten. "Den Kindern bieten sie bei einem Unfall keinerlei Schutz für Kopf und Oberkörper", sagt UDV-Leiterin Kirstin Zeidler.

Bitte gut anschnallen! In einem Fahrradanhänger können Kinder schon im Alter von wenigen Monaten mitgenommen werden. (Foto: Christian Mang/dpa)

Ist die Sicherheit bei einem Fahrradanhänger eher gewährleistet?

Bei einem Sturz schützt der Fahrradanhänger die Kinder zumindest durch die eingebaute Sicherheitszelle. Diese bewirkt, dass angeschnallte Kinder selbst bei einem Überschlag nicht den Boden berühren. Sicherheitsbedenken gibt es aber auch bei den Anhängern: Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sie von anderen Verkehrsteilnehmern leicht zu übersehen sind. Zudem verfügen sie über keine eigene Bremse, wodurch sie sich bei einem plötzlichen Abstoppen schnell querstellen.

Ist also der Kindersitz die sicherste Form, den Nachwuchs auf dem Rad mitzunehmen?

Nicht unbedingt. Zwar wird der Kindersitz derzeit weiterhin von den meisten Eltern genutzt, doch gerade die Höhe des Sitzes führt im alltäglichen Gebrauch zu Problemen. "Der hohe Schwerpunkt macht das Fahrrad instabil - beim Stehen, Anfahren, Ausweichen und Bremsen", sagt Zeidler. Im Fall eines Sturzes sei die Verletzungsgefahr für die Kinder zudem groß. Immerhin: Laut der Studie schätzen Eltern die Gefahren eines Kindersitzes besser ein als beim Lastenfahrrad oder dem Anhänger.

Was ist sonst noch relevant für die Sicherheit von Kindern auf dem Elternfahrrad?

Viele Eltern gefährden ihre Kinder dadurch, dass sie zu wenig auf das Anlegen von Helmen oder Sicherungsgurten achten. Über alle Beförderungsmittel hinweg trügen 43 Prozent der Kinder keinen Helm, bei Fahrradanhänger und Lastenfahrrad sei es circa jedes zweite Kind. Mehr als ein Fünftel der Kinder seien nicht sicherheitsgemäß angegurtet.

Gibt es ein Transportmittel, das die Studie Eltern empfiehlt?

Nein. Im momentanen Zustand verfügten sowohl Lastenfahrräder als auch Anhänger und Kindersitze über zahlreiche Schwächen. Eine Art Testsieger lasse sich daher nicht finden. Studienleiterin Zeidler legt Eltern nahe, sich vor dem Kauf ausgiebig mit den verschiedenen Produkten auseinanderzusetzen und diese mehrfach zu testen. "Dabei sollte die Sicherheit ganz klar der entscheidende Bewertungsfaktor sein", sagt sie. Eltern, die bereits eines der Transportmittel besitzen, könnten die Sicherheit zum Beispiel dadurch erhöhen, dass sie einen Schutz des Kopf- und Nackenbereichs oder feste Gurte einbauen lassen.

Was sollte bei der Wahl des Transportmittels zusätzlich eine Rolle spielen?

Für Kirstin Zeidler sind die Transportwege und die Untergründe, auf denen sich Eltern und Kinder mit dem Rad bewegen, ein entscheidender Faktor. Aber auch pragmatische Aspekte wie zum Beispiel die räumliche Situation im eigenen Zuhause dürften nicht vernachlässigt werden. "Viele Leute haben nicht den Platz, ein Lastenfahrrad oder einen Anhänger unterzubringen", sagt Zeidler. Daher sei vor allem entscheidend, wie die einzelnen Transportmittel zusätzlich gesichert werden können.

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