Deonyme:Weck damit?

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Egal, von welchem Hersteller das Glas kommt, der Inhalt wird eingeweckt. (Foto: imago stock&people)

Aus dem Namen eines Glaswerks ist im deutschsprachigen Raum ein Synonym fürs Einkochen geworden. Kann gut sein, dass dieses Wort sogar das Unternehmen überdauert.

Von Martin Zips

Kennt noch jemand Josef Wiener, den Schöpfer des original "Wiener Ideal-Vervielfältigers?" Seine "sensationelle Erfindung" (Anzeigentext) bewarb der Mann im Jahr 1911. Er habe den "besten Apparat zur Herstellung von Plänen, Zeichnungen, Noten und Schriftstücken" geschaffen, behauptete Wiener. Anders gesagt: Hätten sich Drucker und Kopierer nicht durchgesetzt, würde man heute vielleicht vom Wienern sprechen, wenn man Vervielfältigen meint. Also in etwa so, wie man - in ganz anderen Zusammenhängen - vom Riestern oder Hartzen spricht, was ja auch mit konkreten Personen zu tun hat. Oder vom Einwecken. Einwecken beschreibt das Einkochen von Lebensmitteln in Glasbehältern und geht auf die im Jahr 1900 von Johann Carl Weck gegründete Firma J. Weck u. Co. zurück. Sie hat gerade Insolvenz angemeldet.

Ein Deonym zu schaffen, also einen allgemein verständlichen Begriff, welcher auf dem Namen einer Person, einer Firma oder eines Produktes basiert, ist auch heute noch der Traum jeder Marketingabteilung. Weltweit zerbrechen sich Experten den Kopf und ihre künstliche Intelligenz darüber, wie man es wohl hinbekommen könnte, einen knackigen Gattungsbegriff zu schaffen. Bei Konrad Duden, Graf Zeppelin und Carl-Wilhelm Edding hat es doch auch funktioniert!

Und manchmal gelingt es: Das Papiertaschentuch, welches ab dem 20. Jahrhundert das Stoff-Fazinettel ablöste, hieß irgendwann Kleenex oder Tempo. Und der Klebefilm wurde (je nach Land) mal zum Tesa, zum Sellotape oder zum Tixo. Besonders schnell gingen googeln, photoshoppen oder netflixen in den deutschen Sprachgebrauch ein, weil man für derlei Dinge noch keine Wörter hatte.

Als besonders Erfindernamen-affin erwies sich bei Deonymen über die Jahrhunderte hinweg neben dem Mordhandwerk (Colt, Kalaschnikow, Molotow, Guillotine) und der Religion (fringsen für klauen, nach dem Kölner Erzbischof, der das in der Nachkriegszeit ganz okay fand; oder kneippen - nach Pfarrer Kneipp) die Wissenschaft. Hier wird auch heute noch geröntgt, pasteurisiert und galvanisiert, was das Zeug hält. Alles mal ursprünglich Familiennamen! Oder der Kaiserschnitt. Er soll mit Julius Caesar zu tun haben, der angeblich durch einen solchen auf die Welt kam.

Was die Haltbarkeit von Deonymen ("göttliche Namen") angeht, sind Prognosen freilich schwierig: Stand "Diesel(n)" gerade noch für Fortschritt, steht es jetzt für Feinstaub. Auch Casanova oder Don Juan leuchten als Gattungsbegriffe nicht mehr ganz so hell. "Einwecken" (seit 1932 steht's im Duden) dürfte vorerst bleiben. Ebenso wie - hoffentlich - die Firma Weck, die sich auf dem Gebiet des Einmachglases großes internationales Ansehen erworben hat, zuletzt aber unter den Energiepreisen litt.

Übrigens: Wer meint, dass es der anfangs erwähnte Josef Wiener mit der Unsterblichkeit dann doch noch geschafft hat, wenn auch nicht mit einem Vervielfältiger, sondern mit Bohnerwachs - der irrt. Etwas zu wienern, das hat allein mit dem Scheuermittel "Wiener Kalk" zu tun, welches die k. u. k Soldaten für Ledersachen benutzten.

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