Corona und Schule:Shit happens

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Maskenpflicht im Klassenzimmer, Desinfektionsspender überall, Arbeitsblätter-Wahnsinn im Homeschooling: Das Coronavirus ist ein richtiges Shitvirus, man kann es nicht anders sagen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schleswig-Holstein gibt seinem neuen Online-Lernportal die hübsche URL sh.itslearning.com. Wäre eigentlich ein Anlass für das Bildungsministerium, mal über sich selbst zu lachen, oder?

Von Peter Burghardt

Corona ist Mist, kann ja keiner bestreiten. Man könnte sogar sagen, Corona ist shit, um es angemessen drastisch und weltläufig auszudrücken. Was zum Beispiel Schulen betrifft, so liegt der einzige Vorteil dieser Zwangslage darin, dass die Bildungsentscheider gerade den wundersamen Kosmos der Digitalisierung entdecken. Darin finden sich faszinierende Möglichkeiten, auch sprachlich!

Da gibt es nun also Lernplattformen, kurz LMS genannt, auf gut Englisch: Learn Management Systems. Eines davon ist das Online-Portal itslearning, das einige Bundesländer nutzen. Schleswig-Holstein ist auch eingestiegen, und dort treffen Interessenten nun auf diese Website: sh.itslearning.com. Dies sei eine Kombination aus dem Landeskürzel und der Domain des Anbieters, ist aus dem Kieler Bildungsministerium zu vernehmen, was man sich eventuell erschlossen hätte. Es klingt aber für geübte und im Englischen grundsätzlich fitte Leserinnen und Leser, und solche wünscht man sich bei den Erziehungsbeauftragten sicher, nach shitslearning.

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Das sorgt natürlich für enorme Erheiterung, für einen vergnügten Shitstorm. Dass man die Adresse auch als Shitslearning lesen könne, möge für manche ein Schenkelklopfer sein, so der Ministerialsprecher, sei aber für den Erfolg des Projekts "nicht von Belang".

Bewahre, den Erfindern ist sogar zu danken, die Zeiten sind ernst genug. Auf diese Weise tauchen Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrerinnen und Lehrer gleich erstklassig gelaunt ins elektronische Lernprogramm ein. In der Liste der weltbesten URL belegt diese Verbindung aus dem deutschen Norden einen Spitzenplatz. Die eingängige Schöpfung spricht selbstverständlich nicht im Geringsten gegen dieses Netzwerk, das als erfolgreich gilt und von Hunderten Schulen und Zehntausenden Unterrichtenden und Lehrkräften genützt wird.

Die Bildungsministerin beklagt "Pennälerhumor"

Es zeigt auch, dass die Chefplaner in der Region zwischen den Meeren erstens global gesinnt und zweitens lustige Leute sind. Aber Schleswig-Holsteins Regierung muss jetzt stark sein. "Der verunglückte Name für das neue Lernportal in Schleswig-Holstein ist irgendwie symptomatisch für die Performance der Bildungsministerin während der Pandemie", twittert die dortige SPD-Chefin Serpil Midyatli. Der Gegentweet der Bildungsministerin Karin Prien von der CDU: "In der Pandemie führen die einen ein leistungsfähiges LMS ein und bringen es in Rekordzeit in die Fläche im @Land_SH, die anderen arbeiten sich an Pennälerhumor und der URL der Webseite eines Dienstleisters ab." Dieselbe Prien sorgte im Frühjahr für Verblüffung, als sie statt der planmäßigen Abiturprüfungen ein sogenanntes Anerkennungsabitur verlangte, ihre Idee wurde rasch kassiert.

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Aber Pennälerhumor ist eindeutig erlaubt, solange dieses Shitvirus wütet. Bremen hat ebenfalls itslearning, da stellen sie ein unverfängliches und der flüssigen Lektüre hinderliches hb vorneweg, hb für Hansestadt Bremen, die Autokennung also. Obwohl bitslearning auch ginge, besser a bit lernen als gar nix. Allerdings wären möglicherweise billige Witze über das Bremer Abitur die Folge gewesen. Die Hansestadt Hamburg macht hamburg.itslearning.com. Dabei wäre hhitslearning völlig ok. Haha.

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