SZ-Kolumne "Bester Dinge":Urin-Fliegen an Bord

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(Foto: Cornelis Verbeeck/gemeinfrei / Wikimedia)

Die Seefahrt-Forschung ist um ein paar Erkenntnisse reicher - dank zweier Forscherinnen, die in Schiffswracks aus dem 17. Jahrhundert interessante Insektenarten entdeckt haben.

Von Martin Zips

Man hat zuletzt ja viel Widerliches gelesen, doch das hier haut einem völlig den Anker raus: Zwei Forscherinnen haben herausgefunden, dass Menschen früher auf Segelschiffen gegen Holzwände uriniert haben. Klar, es wird ja immer viel behauptet, von dieser sogenannten Wissenschaft, da muss man vorsichtig sein. Ist es nicht deutlich wahrscheinlicher, dass sich die (meist männliche) Besatzung hinaus auf die See erleichtert hat, statt hinein in den Schiffsbauch? Aber gut, für ihre Studie, die gerade im Fachblatt Biological Invasions erschienen ist, haben die portugiesische Archäologin Ana Catarina Garcia und die schottische Insektenkundlerin Eva Panagiotakopulu zwei vor den Azoren entdeckte Schiffwracks aus dem 17. Jahrhundert untersucht. Im Holz, so sagen sie, hätten sie Larven von Teichomyza fusca, der "Urin-Fliege" entdeckt. Die gediehen in uringetränkten Planken besonders gut. Auch die als schlimme Salmonellenschleuder bekannte Amerikanische Großschabe wurde von ihnen aufgespürt, ebenso die in toten Grillen entstehende Buckelfliege Dohrniphora cornuta, ein Geier unter den Insekten. Da scheinen ja wirklich schlimme hygienische Zustände geherrscht zu haben, in der damaligen Seefahrt.

Wie gut, dass es heute auf der Sardinien-Fähre für uns Urlauber an jeder Ecke Desinfektionssprays und Erfrischungstüchlein gibt. Wobei: Auf Sardinien stellt man auch diesen Schafskäse her, Casu Marzu. An seinem Reifungsprozess, das haben wir im Reiseführer gelesen, ist die Käsefliege Piophila casei beteiligt. Auch deren Larven wurde von den Wissenschaftlerinnen im Schiffsholz entdeckt. Käsefliegen fühlen sich im verwesenden Menschenfleisch übrigens besonders wohl. Noch nicht mal Magensäure kann ihnen etwas anhaben. Hier erkennt der Umweltfreund: Um das Weiterleben scheußlicher Kreaturen muss er sich keine Sorgen machen. Um sein eigenes hingegen schon.

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