Athen:Tod in Handschellen

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Trauernde haben am Juwelierladen, wo Zak Kostopoulos starb, Kerzen angezündet. (Foto: Louisa Gouliamaki/AFP)
  • Ein Handyvideo zeigt, wie der homosexuelle Künstler Zak Kostopoulos kurz vor seinem Tod in Athen von zwei Männern heftig getreten wird.
  • Die Polizei steht in der Kritik, weil sie den Verletzten roh behandelte und ihm auch Handschellen anlegte.
  • In sozialen Medien ist teils von "Lynchmord" die Rede, weil einer der Verdächtigen aus der rechten Szene stammen soll.

Von Christiane Schlötzer, Athen

Als Zak Kostopoulos im Athener Krankenhaus Evangelismos ankam, war er schon tot, und er trug immer noch Handschellen. Die hatten ihm Polizisten angelegt. Was davor passierte, davon gibt es verschiedene Versionen - und das ist bereits Teil der Geschichte. Sicher ist jedenfalls: Der 33-jährige Grieche hatte am 21. September in der Nähe des zentralen Omonia-Platzes einen kleinen Juwelierladen betreten. Schon warum er dort auftauchte, ist unklar. Kostopoulos war bekannt als homosexueller Künstler, Dragqueen, Bühnenname Zackie Oh, und als Aktivist, der mit seiner HIV-Infektion offen umging. Freunde von ihm sagen, er habe sich nach einem Streit auf offener Straße in den Laden gerettet. Der Ladenbesitzer sagt, der Mann habe ihn ausrauben wollen.

Der Juwelier hatte seinen Laden kurz verlassen, das Geschäft war also leer, weshalb Kostopoulos von der Alarmanlage sofort eingeschlossen wurde. Nun gibt es Handyaufnahmen, da sieht man, wie der offenbar in Panik geratene Mann sich zu befreien versucht. Erst schlägt er mit einem Feuerlöscher auf die Glastür ein, dann versucht er, unter dem Schaufenster durch eine zerborstene Scheibe ins Freie zu kriechen. Da tritt der Ladenbesitzer mit Füßen nach seinem Kopf, und auch ein Passant, der dazukommt, tritt heftig zu. In einem zweiten Video sieht man, wie mehrere Polizisten den schon am Boden auf der Straße liegenden Verletzten teilweise sehr roh behandeln.

Erst nachdem diese Handyaufnahmen auftauchten, wurde auch gegen die Polizisten eine Untersuchung eingeleitet. Der Ladeninhaber und der zweite Mann, der Kostopoulos traktierte, wurden festgenommen, aber wieder freigelassen. Von diesem zweiten Mann heißt es, er sei Mitglied einer sehr rechten Organisation, was diesen Fall von Selbstjustiz noch brisanter macht.

Die Familie des Toten wirft der Polizei nun vor, in dem Untersuchungsbericht sei nichts von den Schlägen zu lesen. Die Beamten hätten schlampig ermittelt, keine Zeugen befragt, kritisiert die Anwältin der Familie. Die Obduktion brachte zur Todesursache kein eindeutiges Ergebnis. Weitere Gutachten seien nötig, hieß es.

Künstler fordern gründliche Aufklärung des Falles

Bevor die Videos bekannt waren, behandelten Polizei und viele Medien den Fall als gewöhnlichen Raubüberfall eines Drogensüchtigen. Die Polizei behauptete, Kostopoulos habe ein Messer bei sich gehabt. Inzwischen aber weiß man, dass es keine Fingerabdrücke von ihm auf jenem Messer gibt, das die Polizei präsentierte, und im Laden hat er auch kein Schmuckstück berührt. In einem Video hört man, wie ein Polizist sagt: "Komm, leg ihm Handschellen an." Ein anderer beschimpft den Mann, der sich nicht mehr bewegt. Eine der vielen Fragen lautet nun: War Kostopoulos schon tot, als die Polizisten ihn in Handschellen in den Krankenwagen legten? Hätte nicht einer von mehreren Zuschauern dem Verletzten helfen müssen?

In den sozialen Medien gibt es darüber hitzige Debatten. Von "Lynchmord" ist die Rede, und es wird an den Rapper Pavlos Fyssas erinnert, der 2013 von einem griechischen Neonazi erstochen wurde. In Briefen an Ministerpräsident Alexis Tsipras und an Bürgermeister Giorgos Kaminis fordern - nach Amnesty International - jetzt auch 142 Künstler und Organisatoren der Documenta 14, die 2017 in Athen und Kassel stattfand, eine gründliche Aufklärung des Falles. Sie erinnern auch an die Attacke von Rechtsextremen auf den Bürgermeister der Stadt Thessaloniki, Giannis Boutaris, bei einer Feier im Mai. Sie schreiben, einer der Angreifer von Zak Kostopoulos habe auf Twitter damals seine Solidarität mit dem rechten Mob in Thessaloniki geäußert.

© SZ vom 10.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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