Maxvorstadt:Hier soll Münchens größte Zwischennutzung entstehen

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Das nächste große Ding: Die Kommunalreferentin kann sich im Gesundheitshaus an der Dachauer Straße alle möglichen Nutzungsarten vorstellen. (Foto: Robert Haas)
  • 8954 Quadratmeter, zentrale Lage, fünf Jahre verfügbar: Die Stadt will das Gesundheitshaus in der Dachauer Straße zur Zwischennutzung freigeben.
  • In der Münchner Kulturszene dürfte es einige Interessenten geben - dabei muss sehr viel gemacht werden, damit das Gebäude nutzbar ist.
  • Am Elisabethmarkt ist außerdem ein Standl zur Zwischennutzung zu haben.

Von Christiane Lutz

Die Eckdaten sind beeindruckend: 8954 Quadratmeter Nutzfläche, zentrale Lage in der Maxvorstadt, fünf Jahre verfügbar. Die Beschreibung gehört zum ehemaligen Gesundheitshaus in der Dachauer Straße 90, wer schon mal in München beim Blutspenden war, kennt den rotbraunen Klotz vermutlich. Das städtische Gebäue soll in den kommenden Jahren zur Zwischennutzung freigegeben werden, bevor dann an der Stelle ein neues städtisches Verwaltungsgebäude entsteht.

Beeindruckend lang ist allerdings auch die Liste der Dinge, die getan werden müssten, bevor irgendwer in dem Gebäude irgendwas nutzt: Es muss entrümpelt werden, die Lüftungsanlagen müssen entsorgt und die Räume mit einer neuen Abluftanlage ausgestattet werden. Die Toiletten seien in "hygienisch äußerst bedenklichem Zustand" und trinken dürfe man das Wasser im Gebäude auch nicht mehr.

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Dennoch dürfte das leer stehende Gebäude viele Begehrlichkeiten wecken. Zehra Spindler, freie Kulturmanagerin und so etwas wie Münchens Zwischennutzungs-Königin, sagt: "Eigentlich ist das Gebäude genau mein Beuteschema." Spindler hat in München schon diverse große Projekte realisiert, das "Puerto Giesing", ein kreativ bespieltes ehemaliges Kaufhaus, und das "Biebie" in einer alten Druckerei in Freimann.

Sie sagt, es sei in den vergangenen Jahren immer schwerer geworden, Räume für ihre freien Konzepte zu finden. Also eine Mischung aus Ateliers, Büros, Kulturveranstaltungen und Partys. Seit man um die Zwischennutzung der Dachauer Straße 90 wisse, "knistere" es in der städtischen Kulturszene, sagt Spindler. Sie habe bereits einige Anrufe von Künstlern erhalten, die pro forma schon mal Interesse an einem Atelierplatz bekunden wollten, sollte sich Spindler um das Gebäude bewerben.

Auch bei Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) trudeln täglich Anfragen von Vereinen, Bands, Initiativen und Künstlern ein, die verzweifelt nach einem bezahlbaren Raum suchen. Weil alles andere zu teuer sei oder sie schlicht nichts fänden. "Wir haben zwar städtische Flächen, aber da ist kaum Fluktuation", sagt sie. Wer mal Zugriff auf einen städtischen Raum habe, bleibe in der Regel sehr lange drin. Und die Möglichkeiten, Flächen zuzukaufen, seien eben auch gering. Daher ist Frank begeistert über die Räume in der Dachauer Straße. Sie kann sich alles Mögliche in dem Gebäude vorstellen: Coworking Spaces, Proberäume, Theaterräume vielleicht einen Club in der Tiefgarage, kleine Geschäfte. Oder warum eigentlich kein Hostel? Hauptsache, das Gebäude lebt wieder und öffnet sich für das Viertel, die Maxvorstadt. Preistreiberei und Konzepte, die vor allem wohlhabende Menschen ansprechen, sieht sie nicht in der Dachauer Straße.

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Für Frank ist die Ermöglichung von Zwischennutzung auch eine Aufgabe der Stadtpolitik: "Für mich wäre es nicht tragbar gewesen, das Gebäude fünf Jahre leer stehen zu lassen." Gerade hat sie in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft die Zwischennutzung in der Alten Akademie, das "SP CE" eingetütet. Das Gebäude gehört dem österreichischen Immobilienunternehmen Signa. "Wir sind darauf angewiesen, dass auch private Unternehmen bei solchen Ideen mitmachen", sagt Kommunalreferentin Frank, "wir als Stadt können allein niemals den Bedarf nach Räumen decken."

Wie Zwischennutzung auf die unterschiedlichsten Weisen funktioniert, konnte man in den vergangenen Jahren in München immer wieder sehen. Vor der Sanierung des Ruffinihauses beispielsweise durften Kreative ein paar Monate in den Räumen arbeiten. Dann gab es Projekte wie Zehra Spindlers "Biebie" und das "Puerto Giesing", die immer auch von einer gewissen Freiheit und Wildheit lebten und weniger von artig Miete zahlenden Kleinunternehmern. Zu Beginn des Jahres erst schloss das "Lovelace", das große Hotel-Veranstaltungs-Gastro-Projekt im ehemaligen Gebäude der Bayerischen Staatsbank, das zwei Jahre lang die Innenstadt belebte. Schick sah das aus, und einigermaßen kosmopolitisch auch. Der Münchner Gastronom Michael Kern hatte allerdings auch eine ordentliche Summe Geld dafür ausgegeben, das Gebäude vom Muff einer Bankfiliale zu befreien und die Zimmer attraktiv einzurichten.

Aktuell ist neben der Dachauer Straße noch ein anderes städtisches Objekt zur Zwischennutzung zu haben, Stand 22 auf dem Elisabethmarkt. Auf 25 Quadratmetern Ladenfläche könnte sich ein Künstler einrichten, jemand könnte einen Pop-up-Store betreiben, bis Ende des Jahres jedenfalls ist der Stand frei. Bis zu diesem Mittwoch, 30. Januar, können Konzepte bei der Stadt eingereicht werden. Für eine monatliche Miete von 333,50 Euro plus Mehrwertsteuer, Abfallgebühr und eventuelle Umsatzbeteiligung zwar nicht gerade ein Schnäppchen, aber ein Angebot.

Wie viel für die Dachauer Straße monatlich zu zahlen ist, hängt vom Nutzungskonzept ab. Das Gebäude wird im Erbbaurecht vergeben, somit ist ein Bauzins fällig, was man mit Miete übersetzen könnte. Wie viel hergerichtet werden muss, ist ebenfalls eine Frage der Nutzung. Ein Coworking-Space beispielsweise hat andere Kriterien zu erfüllen als Proberäume oder ein Ausstellungsraum. Bis 1. März können Interessierte ihre Konzepte einreichen, dann wird es eine Besichtigung geben, damit die Bewerber wissen, worauf sie sich einlassen.

"Ich würde mir das Objekt gern anschauen", sagt Zehra Spindler. Lange Mängellisten hätten sie noch nie abgeschreckt. "Das ist das erste interessante Gebäude seit Jahren. Den Luxus, so ein Angebot ungesehen verstreichen zu lassen, den haben wir in München nicht."

© SZ vom 30.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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