Noch deutet in der Alten Akademie nicht viel darauf hin, dass dort ein Zentrum der Kreativen und Künstler entsteht. Der Flur ist mit hellgrauem PVC-Boden belegt, in den Räumen stehen noch die deckenhohen Aktenschränke des Landesamts für Statistik, das früher in diesem Gebäude mitten in der Münchner Innenstadt seinen Sitz hatte. Lediglich Schriftzüge an den Fenstern im Treppenhaus kündigen an, was den Besucher im vierten und fünften Stock erwartet: "151 Tage Freiraum für kollaboratives Arbeiten."
40 Kultur- und Kreativschaffende können bis Ende Mai hier arbeiten und müssen für ihre Büros nur die Nebenkosten bezahlen. Anschließend wird das Gebäude komplett umgestaltet. Das Immobilienunternehmen Signa hat die Zwischennutzung namens "SP CE" gemeinsam mit dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt ermöglicht. Die Musiker, Autoren, Architekten, Designer und Kreativen aus unterschiedlichen Bereichen sollen nicht nur ein günstiges Büro erhalten, sondern auch die Möglichkeit bekommen, sich kennenzulernen und gemeinsam neue Projekte anzugehen.
Zwischennutzung:"The Lovelace" feiert Abschied
In dem Pop-up-Hotel entstand ein großes Kulturprogramm, auch weil Hippies und Bürokraten zusammenarbeiteten. Im Januar muss es schließen - davor wird versteigert und gefeiert.
In den Raum 415 sind Vincent Wild und Alexander Kleinrensing eingezogen. Besser gesagt: Sie sind dabei. Auf einem Schreibtisch aus einer hellbraunen Spanplatte stehen Computerbildschirme, dem zweiten Tisch fehlt noch die Arbeitsplatte. Wild und Kleinrensing haben sich während ihrer Ausbildung zum Mediengestalter im Bereich Bild und Ton kennengelernt und sich danach gemeinsam selbständig gemacht. Sie hätten gemerkt, dass kaum Filmproduktionsfirmen in München eine Grafikabteilung haben und sich deswegen auf digitale Postproduktion spezialisiert, sagt Wild.
Nun erstellen sie Imagefilme, digitale Bühnenbilder und Special Effects. Für eine Fernseh-Mysteryserie animierten sie Geistererscheinungen, sagt Wild. Bisher arbeiteten die beiden jeweils von zu Hause aus. Die fünf Monate im "SP CE" in der Alten Akademie seien deswegen auch eine Art Testlauf für sie, "wie es ist, nebeneinander zu arbeiten", sagt Wild. Außerdem hofft Wild, dass Kleinrensing und er gemeinsam mit ihren Nachbarn ein Netzwerk aufbauen können.
Nicht so konkrete Pläne für die berufliche Zukunft, aber für die der Kunst im Allgemeinen haben Patricija Gilyte und Max Haarich, die einen großen Raum auf der anderen Seite des grauen Behördenflurs bezogen haben. Dort haben sie die Botschaft der Republik Užupis eröffnet. In den 1990er-Jahren riefen einige Bewohner dieses Stadtteils der litauischen Hauptstadt Vilnius als Kunstaktion ihre Unabhängigkeit aus und stellten eine Verfassung auf. "Die wundervollste und schönste Verfassung der Welt", sagt Haarich. Jeder hat das Recht zu lieben, steht da zum Beispiel, oder eben unglücklich zu sein.
Wenn man will, kann man gleich die Staatsbürgerschaft beantragen - bei Roboy, einem Roboter mit Spracherkennung. Aber nur wenn Roboy Zeit hat, denn er ist auch Teil eines Forschungsprojekts und wird von zwei Start-ups eingesetzt. Der Roboter und die Verfassung - sie stehen symbolisch für das, was Haarich und Gilyte mit diesem Raum erreichen wollen: Hier soll über die Verbindung von Kunst und Technik gesprochen und diskutiert werden, sie wollen einen Raum bieten, in dem weiter gedacht werden kann, in dem die großen Fragen zum Sinn und zur Zukunft der Kunst gestellt werden können. Was dabei rauskommt, kann jeder selbst entdecken: Einmal im Monat, als nächstes am 24. Januar, stehen sämtliche Büros der Allgemeinheit offen.