Künstlerische Zwischennutzung:Däumchen drehen im Domagk-Herz

Lesezeit: 2 min

Neue Nutzung vor dem Abriss: Aus der stillgelegten Medizingerätefabrik Wagner nahe dem Rotkreuzplatz soll für zwei Jahre ein Atelierhaus namens "Domagk-Herz Neuhausen" werden. (Foto: Bernhard Springer/oh)

Schon im November sollten 30 neue Ateliers in Neuhausen Kreativen zur Verfügung stehen. Doch der vorher nötige Umbau der stillgelegten Fabrik hat noch nicht einmal begonnen.

Von Sonja Niesmann

30 neue Ateliers mit erschwinglichen Mieten, wenn auch nur auf Zeit - in dieser teuren Stadt war das im vergangenen Sommer eine willkommene Nachricht in der Kreativszene. Wie willkommen, zeigt die Zahl der Interessentinnen und Interessenten für das Projekt in Neuhausen: 300 haben sich gemeldet. Am 20. September war Bewerbungsschluss, im November sollten die Räume in der ehemaligen Medizingerätefabrik Wagner an der Schulstraße 16a bereits bezugsfertig sein. Doch bislang hat nicht einmal der Umbau begonnen.

"Wir warten und wissen immer noch nicht, wann wir loslegen können", bedauert Bernhard Springer vom Vorstand des Vereins Domagk Kunstunterstützung. DoKu betreibt seit 1995 die städtischen Domagk-Ateliers in Freimann, die mit dem "Domagk-Herz Neuhausen" für zwei Jahre einen Ableger bekommen sollen - ein "kreatives Epizentrum mit einem Pool innovativer und bestens vernetzter Künstler*innen", wie es etwas pompös angekündigt wurde.

Grund für die Verzögerung sind noch laufende Vertragsverhandlungen der Firma Euroboden, die die Fabrik gekauft hat, über "ungeklärte Versicherungsfragen", wie eine Sprecherin des Münchner Immobilienunternehmens knapp mitteilt. Eine Aussage, wann diese Verhandlungen abgeschlossen sein werden, könne man derzeit nicht machen.

Mit finanzieller Unterstützung des Kulturreferates und auch mit 10 000 Euro Zuschuss des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg will DoKu unter Mithilfe des Architekten Benedict Esche von Kollektiv A die meist großflächigen Werkshallen der seit 2018 geschlossenen Fabrik - unter anderem eine Stanzerei und eine Galvanisierungsstraße - provisorisch instand setzen und in kleinere, passgenaue Einheiten unterteilen. Etwa 30 Ateliers und Werkstätten sollen in drei Gebäuden mit insgesamt 1200 Quadratmetern entstehen, zwischen zehn und 70 Quadratmeter groß, so dass auch Künstlergruppen Platz finden. Bei circa zwölf bis 13,50 Euro pro Quadratmeter wird die Warmmiete im Domagk-Herz Neuhausen nahe dem Rotkreuzplatz voraussichtlich liegen. Damit die Umbaukosten, die auf 70 000 bis 75 000 Euro veranschlagt sind, die Mieten nicht in die Höhe treiben, hofft DoKu noch auf Sponsoren.

Bevor Bildhauer zum Meißel, Maler zum Pinsel greifen können, müssen erst einmal verschiedene Handwerker anrücken. (Foto: Euroboden)

Der Verein hatte im Herbst alles bereits organisiert, das nötige Material besorgt und eingelagert, die Handwerker für den Trockenbau, die Elektrik und die Sanitäranlagen bestellt. Die müssten nun alle neu terminiert werden, in der richtigen Reihenfolge der Arbeiten, seufzt Bernhard Springer; wer weiß, wie lange sich das hinziehen wird: "Wir nennen den Interessenten jetzt keinen festen Zeitpunkt mehr." Möglicherweise müsse man alle Bewerber noch einmal abfragen, ob sie trotz der Verzögerung noch interessiert seien oder anderweitig etwas gefunden hätten. Letzteres ist eher unwahrscheinlich: "Die Masse der Bewerbungen zeigt ja wieder einmal, wie groß die Not ist", konstatiert Springer. Der Mangel an günstigen Ateliers, aber auch Band- und Theaterproberäumen sei in München eklatant.

Springers Erfahrungen zufolge kann man in solchen Bewerbungsrunden "normalerweise die Hälfte schon mal aussortieren". In diesem Fall aber hätten viele Künstler "von enormer Qualität", darunter auch diverse Preisträger, ihr Interesse an einem Atelier bekundet. Der Auswahlprozess, erklärt der vielseitig tätige Künstler, der ja nicht zum ersten Mal in einer Jury sitzt, werde "mit großen Schmerzen verbunden sein".

Jenen Kreativen, die zum Zuge kommen im "Domagk-Herz", werden allerdings nur zwei Jahre vergönnt sein - dann sollen die alten Fabrikgebäude abgerissen und Wohnungen auf dem Gelände gebaut werden. An der Laufzeit der Zwischennutzung werde sich trotz des verzögerten Starts nichts ändern, davon geht der Verein DoKu zuversichtlich aus. Die Euroboden-Sprecherin sagt dazu: "Sobald die Versicherungsfragen final geklärt sind, kann dann auch über eine eventuelle Verlängerung der Laufzeit entschieden werden."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: