Wolfratshauser Politik:Unvollendet

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Die Wolfratshauser Grünen ziehen nach sechs Monaten im Stadtrat erste Bilanz. Bei zahlreichen Themen fehlt es den Mitgliedern der größten Fraktion zufolge noch an der Umsetzung - was teils der Pandemie geschuldet ist.

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Es sei "eine spannende Zeit mit vielen wichtigen Entscheidungen" gewesen, die unter den schwierigen Corona-Bedingungen fielen und eine unerwartete Verlagerung der geplanten thematischen Schwerpunkte notwendig gemacht habe: Mit diesen Worten beschrieb Peter Lobenstein, Sprecher der Wolfratshauser Grünen, seine Erfahrungen in den ersten sechs Monaten seines kommunalpolitischen Engagements. Den widrigen Rahmenbedingungen der Pandemie entsprechend trugen die Vertreter der größten Fraktion im Wolfratshauser Stadtrat ihre Halbjahresbilanz in ziemlich schattiger Atmosphäre vor: Die sechs Mandatsträger hatten bei klammer Kälte zum Spielplatz an der Farcheter Mehrzweckhalle gebeten.

Der noch unvollendete Spielplatz zählt selbst zum grünen Themenkatalog. Der müsse nun endlich fertig werden, forderte Umweltreferent Hans Schmidt. Als Schwerpunkte nannte er Verkehrsangelegenheiten und insbesondere den vom Stadtrat beschlossenen Klimanotstand für Wolfratshausen. Der sei im Rathaus zwar mit großer Mehrheit ausgerufen worden, bei der Umsetzung vermisst Schmidt aber die notwendige Konsequenz, etwa beim Ersatz alter Heizungen. Aus Sicht Schmidts sollten Nahwärmenetze und Neubauten nur noch in Holzbauweise und als Passivbauwerke ermöglicht werden. Diese Strategie werde leider nur von den Grünen unterstützt, die Stadt habe es bisher nicht geschafft, die nötigen Werbemaßnahmen zu ergreifen.

Defizite sieht Schmidt auch in den Bereichen Photovoltaik, beim Mobilitätskonzept und beim Lärmschutz. Der Referent plädiert auch für eine energischere Überwachung des Tempo-30-Limits, insbesondere in der Schießstätt- und der Marktstraße. Dort werde viel zu schnell gefahren.

Annette Heinloth, Dritte Bürgermeisterin und Mitglied im Hauptausschuss, artikulierte als "Herzensanliegen" die Umgestaltung der Innenstadt sowie des westlichen Loisachufers, Projekte, die schon seit 2013 auf der Tagesordnung stünden. Freilich sieht sie über dem Haushalt der Stadt dank Corona und der drohenden Ausgaben für den Schulumbau "große, dunkle Wolken". Mit Blick auf die riesige Aufgabe der Schulsanierung bei pandemiebedingten Mindereinnahmen empfiehlt Heinloth, "keine großen neuen Projekte anzufangen", trotzdem aber Gelder einzuplanen, um entsprechende Beschlüsse "im Umgriff des Loisachufers und des Hatzplatzes" zu ermöglichen. Große Hoffnungen auf die Umsetzung neuer, teurer Objekte macht sich die Grünen-Fraktion insgesamt nicht, gleichwohl: Aus ihrer, Heinloths, Sicht wäre es "ein großes Versäumnis", bei der Gestaltung der Innenstadt auf jegliche Aktivitäten zu verzichten, zumal mit der Happ'schen Apotheke, dem Rathaus-Café und dem Untermarkt 10 "drei prominente städtische Immobilien nicht nutzbar wären". Um Urbanität trotz der Widrigkeiten aufrecht zu erhalten, rät Heinloth zu "coronakonformen Kulturangeboten" - eine Empfehlung, die Stadträtin Assunta Tammelleo ausdrücklich unterstützt.

Jugendreferentin Jennifer Layton nannte fünf Schwerpunkte ihrer Arbeit. So müsse die coronabedingt abgesagte Jugendverkehrsschule nachgeholt werden, schließlich sollten Kinder ab dem zehnten Lebensjahr ja am Straßenverkehr teilnehmen. Unabdingbar sind aus Sicht der Referentin Verstärkerbusse für Schüler, andernfalls seien "alle Pandemie-Abstandsregelungen ein Schildbürgerstreich". Gegen diese Forderung habe sich die Kreisbehörde hartnäckig gestemmt, bis das Geretsrieder Gymnasium schließlich durch Anpassung der Unterrichts- an die Busfahrzeiten die Lage entschärft habe. Seither stünden zwei Busse mehr zur Verfügung. Weitere Akzente: Der Jugendbeirat solle bald wieder in Aktion treten, auch ein Schüler-Café und eine Skaterbahn stehen auf Laytons Agenda. Stadtrat Rudi Seibt schließlich beklagte starke Defizite bei der Nutzung der Solarenergie, da sehe er in Wolfratshausen "einen Riesenrückstand". Obwohl die Stadt laut Energieatlas "im Sonnengürtel Oberbayerns" liege, werde in Wolfratshausen nur ein Wert von 173 Watt je Einwohner realisiert. Da stehe der Landkreis mit 312 Watt pro Einwohner deutlich besser da. Dieses Defizit müsse man aufholen, "um nicht zum Schlusslicht zu werden".

In einer kurzen Fragerunde rechtfertigte sich Schmidt dafür, dass er bei der äußerst knappen Abstimmung über das mit 60 Millionen Euro veranschlagte Schulprojekt dafür votiert hatte, den eigenständig angefertigten Entwurf des CSU-Stadtrats Alfred Fraas prüfen zu lassen. Fraas ist der Meinung, dass das Projekt mit der Hälfte der jetzt im Raum stehenden Investition zu realisieren wäre. Ob die von Fraas genannten Baukosten realistisch sind, ist nach der Abstimmung von 13 zu 12 pro Fraas insgesamt strittig, auch bei den Grünen. Schmidt zufolge muss bei der anstehenden riesigen Investition eine Prüfung der Fraas-Variante möglich sein. Seibt hingegen zeigte sich überzeugt, dass "die Zahlen der Fraas-Planung hinten und vorn nicht stimmen". Ein aussagekräftiger Vergleich des von der Stadt beauftragten Planungsbüros mit der Fraas-Variante sei "nicht leistbar", verzögere die Planung unnötig um Monate und koste zu viel Geld.

© SZ vom 01.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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