Hinter den Kulissen eines Freizeitparks:Die Gute-Laune-Oase

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Das Fahrgeschäft namens Blütenwirbel im Wolfratshauser Märchenpark. (Foto: Gregor Miklik/oh)

Im Wolfratshauser Märchenwald wird das ganze Jahr über hart daran gearbeitet, dass große und kleine Gäste fabelhaften Spaß haben. Ein Blick hinter die Kulissen eines Freizeitparks.

Von Gregor Miklik, Wolfratshausen

Da, wo Rapunzel ihr Haar herunter lässt, jauchzen Kinder, zwitschern Vögel, und Eltern und Großeltern freuen sich ob der guten Laune der Kleinen: Mit dem Frühling öffnet auch wieder der Themenpark Märchenwald in Wolfratshausen seine Pforten. Zu den aktuell warmen Temperaturen kommt die Normalisierung nach zwei Jahren Corona: Was für Besucher ein Freizeit-Vergnügen ist, bedeutet indes harte Arbeit hinter den Kulissen - trotzdem strahlen selbst die Mitarbeiter märchenhafte Freude aus.

"Wenn Halil, der Kioskpächter, uns bei der Arbeit zusieht oder lachen hört", erzählt Markus Hohenreiter, "kommt er regelmäßig und fragt, ob er bei uns anfangen kann." Hohenreiter, 33, ist Maschinenbau-Ingenieur, technischer Leiter des Parks und inzwischen vier Jahre dabei: "Ich wollte 2015 nur zwei Jahre aushelfen, bin dann als Doktorand zum Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum - und war 2020 wieder hier". Ohne Doktortitel, aber zufrieden: Die Stimmung im Team sei gut, alle würden sich im Märchenwald wohler fühlen, als in ihrer Arbeit davor.

Und Timo Wecker, immerhin 13 Jahre Vertriebsleiter, wird noch deutlicher: "Ich arbeite 4,5 Tage pro Woche, habe super Kollegen, mit denen ich bei Bedarf jederzeit einen Dienst tauschen kann." Er habe jede Menge Abwechslung, einen angenehmen Arbeitgeber und sei "ständig an der frischen Luft." Als Wunsch für die Zukunft nennt Wecker, 40 Jahre alt und ein Jahr dabei: "Hier in Rente gehen." Ist der Märchenwald also eine Gute-Laune-Oase? Das Betreiber-Ehepaar Franziska und Daniel Diessl stellt klar: Ohne harte Arbeit geht's nicht.

Franziska und Daniel Diessl betreiben den Märchenwald. (Foto: Gregor Miklik/oh)

"Wir machen das wirklich mit Freude und Überzeugung", sagt Daniel Diessl (47), "aber es ist schon gut, dass ich ein Leben ohne Märchenwald nie hatte." Seine Frau Franziska (37) ergänzt: "In der Saison arbeiten wir sieben Tage die Woche durch." Auch ihr Sohn kenne es nicht anders, aber er bekomme natürlich mit, dass seine Freunde in den Schulferien in den Urlaub fahren.

Der Wolfratshauser Märchenwald öffnet traditionell mit Beginn der Osterferien und schließt nach dem dritten Sonntag im Oktober. "15 fest Angestellte sind das ganze Jahr hier - und an den Wochenenden oder in den Ferien kommen noch einmal bis zu 15 Schüler und Studenten als Aushilfen dazu", erklärt Daniel Diessl. Er zählt auf, was zum Betrieb des Parks nötig ist: Sie überprüften jeden Tag einschließlich Stillraum, Wickelzimmer und Toiletten insgesamt 59 Stationen; die Wege würden gefegt, Mülleimer geleert, der Müll entsorgt. Hinzu komme der Betrieb von zwölf Fahrgeschäften.

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Dazu müsse die Kasse besetzt und die Administration erledigt werden: Telefondienst, Personalplanung, Bestellungen, Marketing und Buchhaltung. Und bei der Attraktion namens Diebische Elster würden pro Jahr eintausend Kilogramm Achat und Pyrit im Sand vergraben - Schätze, die die Kinder anschließend wieder ausbuddeln -, das ist das Pflichtprogramm.

Der technische Leiter Markus Hohenreiter erinnert daran, was darüber hinaus dazukommen kann: "Wenn irgendwo ein Schaden auftritt, muss er schnellstmöglich behoben werden". Oft könne das vom eigenen Personal erledigt werden, im Ernstfall brauche es jedoch externe Handwerker, die teurer seien und nicht zwingend kurzfristig Zeit hätten. Außerdem nennt er das Wässern bei großer Hitze ("Das geht nur abends, tagsüber verdunstet ja die Hälfte") und den Hagel im Juni 2021: "Mei, da lag der halbe Wald am Boden, mitten in der Saison, da kann keiner Dienst nach Vorschrift machen". Somit ist klar, dass die Betreiber neben einem Lager- und Werkstattbereich auch einiges schweres Gerät vorhalten müssen: Es gibt zwei Selbstfahrer-Kehrmaschinen, einen Radlader, einen Teleskoplader, eine Hebebühne bis 16 Meter Höhe, zum Beispiel für den Baumbeschnitt, einen Tankanhänger, einen Traktor und einen LKW.

Ein Teil des Maschinenparks. (Foto: Gregor Miklik/oh)

Wer denkt, nach dem Ende der Saison könne sich die Belegschaft zurücklehnen, irrt: Der Druck im Winterhalbjahr ist nämlich wesentlich höher. Im Sommer gebe es zwar eine Belastung, aber normalerweise keinen Zeitdruck, erklärt Daniel Diessl; Mit dem Saisonende Mitte Oktober beginnt ein straffer Zeitplan bis zur Eröffnung der nächsten Saison. "Und die Planungen dafür müssen wir davor machen, im Sommer, während der Saison."

Nach dem Saisonfinale werden zwei bis drei Wochen lang alle Fahrgeschäfte winterfest gemacht: Manche werden nur in Planen verpackt, viele bewegliche Teile aber müssen demontiert, trocken und frostfest eingelagert werden. Da jedes Jahr eine Station erneuert wird, muss die alte abgerissen, entsorgt und vor dem Frost das neue Fundament gelegt werden. Ebenfalls frostabhängig sind sämtliche Maler- und Lackierarbeiten. Manche Maßnahmen wie Baum- und Strauchschnitt, Fällungen und Neuanpflanzung, teilweise die Materialbeschaffung und die Personalplanung, können im Notfall ins Frühjahr verschoben werden - nicht aber das Laub, das aus den Regenrinnen entsorgt, auf dem Boden zusammengefegt und anschließend kubikmeterweise abgefahren werden muss. Im Dezember und Januar ist dann Betriebsruhe, damit Mitarbeitende Urlaub und Überstunden nehmen können.

Natürlich gibt es im Märchenwald auch Rutschen. (Foto: Gregor Miklik/oh)

Vom 1. Februar an wird wieder intensiv gearbeitet: Das eingelagerte Material wird aufgebaut, gewartet und bei Bedarf repariert, damit die obligatorischen TÜV-Untersuchungen stattfinden können - idealerweise vor Saisonbeginn. Und auch beim Neubau gibt es einen Fixtermin: Nach den Osterferien kommen seit vielen Jahren bewährte Graffiti-Sprühkünstler aus Holland nach Wolfratshausen: "Die sind einfach gut und sind den Aufwand wert - aber wenn sie untätig herumstehen würden, weil wir noch nicht fertig sind, das könnten wir uns nicht leisten", erläutert Franziska Diessl.

Obwohl alleine der technische Betrieb die Diessls offensichtlich intensiv fordert, denken sie außerdem über inhaltliche und grundsätzliche Dinge nach: "Die Menge der Reize im Alltag geht für die Kinder doch eh' stark in Richtung Überforderung", meint er. "Bei uns sollen die Kinder kindlich sein dürfen". Und die Erwachsenen sollten sich beteiligen, so lange sie wollten. "Aber manchmal ist es ja auch ganz schön, sich einfach mal hinzusetzen, die Kinder mit nur einem Ohr zu hören und zu wissen: Hier kann ihnen nix passieren."

Franziska Diessl ergänzt: "Überforderung wollen wir nicht - aber Herausforderung schon; es kann ja nicht alles Gaudi sein." Beim "Suppenkasper" beispielsweise können die Erwachsenen beim Klettern auf einen Stuhl im Maßstab 2:1 nachempfinden, wie anstrengend der Alltag eines Kleinkindes ist; der "Schnullerbaum" lädt dagegen die Kleinkinder ein, sich verbindlich von ihrem Schnuller zu verabschieden. Sicher ein Erfolgserlebnis - wenn es klappt. Und auch die Hauptattraktion, die "Oachkatzl"-Achterbahn, ist so konzipiert, dass es die Kinder spannend finden, während die vielleicht schon etwas gemütlicheren Großeltern nicht überfordert werden.

Familie Spierling aus Altötting zu Besuch mit (v.l.n.r.) Isabella (9), Carolina (7), Marita und Manuel Spierling. (Foto: Gregor Miklik/oh)

Weitere Prinzipien der Märchenwald-Betreiber betreffen den wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das Bemühen um Nachhaltigkeit und die regionale Anbindung; dazu Markus Hohenreiter: "Ich habe in der Planung immer kurze Wege - wenn ich mit 90 Prozent meiner Partner gut bekannt bin, dann macht das die Arbeit schon leichter - vor allem dann, wenn's plötzlich mal irgendwo brennt."

Vieles im Wolfratshauser Märchenwald wirkt für Besucher eher beschaulich als dynamisch, eher traditionell als modern. Auch wenn es für jene, die den Park am Laufen halten, genau anders herum ist. Was die Menschen vor und hinter den Kulissen jedoch eint: Alle machen einen glücklichen Eindruck.

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