Abzocke am Telefon:Betrüger in der Leitung

Lesezeit: 3 min

Die Polizei verzeichnet immer mehr Fälle, bei denen versucht wird, älteren Leuten mit dem sogenannten Enkeltrick Geld abzuknöpfen. Auch Gisela Schmidt aus Wolfratshausen wäre auf die Masche fast hereingefallen - obwohl ihr Vater selbst Polizist war.

Von Tim Pohl

Das Telefon klingelt. Ein Schluchzen am anderen Ende der Leitung. Es ist ihr Sohn. Er braucht dringend finanzielle Hilfe. Genau das ist Gisela Schmidt vor einiger Zeit passiert. Nur, dass es nicht ihr Sohn war, sondern ein Betrüger, der es auf das Geld der 83-jährigen Rentnerin abgesehen hatte. "Das Schluchzen war so glaubwürdig, dass ich keinen Zweifel daran hatte, dass es wirklich mein Sohn war. Ich war sofort gefangen im Helfersyndrom", erzählt Schmidt. Sie wurde am Telefon aufgefordert, 42 000 Euro als Kaution für ihren Sohn zu bezahlen. Diesem drohe eine Haftstrafe, da er einen Unfall mit Todesfolge zu verschulden habe. Sie solle sofort zur Bank gehen, das Geld abheben und niemanden darüber informieren.

Die Masche gehört zu Betrügereien, welche die Polizei unter dem Namen "Callcenter-Betrug" zusammenfasst. Man kennt diese Verbrechen auch unter dem Namen "Enkeltrickbetrug". Die Täter rufen vornehmlich ältere Menschen an und geben sich als Verwandte oder falsche Polizeibeamte aus. Das Ziel ist immer dasselbe: das Opfer unter Druck setzen und einen möglichst hohen Geldbetrag erbeuten. "Ältere Menschen sind besonders gefährdet, weil sie nicht senil wirken wollen, wenn sie am Telefon den Enkel nicht erkennen", sagt Andreas Guske vom Polizeipräsidium Oberbayern-Süd. "Dann spielen sie lieber mit und geben sogar noch Informationen freiwillig preis."

Auch Gisela Schmidt wäre fast ein Opfer geworden. Für ihren vermeintlichen Sohn hatte sie schon 15.000 Euro abgehoben. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auch Gisela Schmidt ist auf die Betrüger hereingefallen - und das, obwohl ihr Vater Polizist war. Sie ging auf die Bank und bat dort darum, 20 000 Euro abheben zu dürfen - mehr konnte sie in der kurzen Zeit nicht aufbringen. Die Bank habe ihr das Geld ausgehändigt, obwohl eine Reglung besagt, dass nicht mehr als 15 000 Euro ausgezahlt werden dürfen. Willi Streicher, Sprecher der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen, äußerte sich dazu: "Die genannte Grenze ist eine interne Regelung und nicht gesetzlich vorgeschrieben. Grundsätzlich kann jeder frei über sein Geld verfügen. Bei einer höheren Summe bitten wir aber darum, diese anzumelden."

Die Betrugsform tritt immer häufiger auf. Waren 2017 noch 431 Versuchsfälle in der Statistik vermerkt, konnte das Polizeipräsidium Oberbayern-Süd 2020 schon 1435 Betrugsversuche erfassen. Davon konnten aber nur 14 Fälle erfolgreich ausgeführt werden. "Für die Täter ist das trotzdem ein Erfolg, der sich lohnt", so Ermittler Guske. "Schon bei einem einzigen Fall, kann eine Summe von Hunderttausenden von Euro erbeutet werden." Trotzdem stimme ihn das Verhältnis positiv. Durch Präventionsmaßnahmen habe es die Polizei geschafft, den Erfolgsanteil bei Betrugsversuchen möglichst gering zu halten. In Bankfilialen wurden Plakate aufgehängt. Und im Verdachtsfall können Angestellte den Betroffenen einen Fragenflyer zur Verfügung stellen, um einen Überblick über die Situation zu erhalten. Zusätzlich habe man die Servicekräfte der Banken in Schulungen für die Problematik sensibilisiert, so Guske. Auch in der Wolfratshauser Sparkasse sei dies der Fall gewesen, dennoch konnte Gisela Schmidt das Geld problemlos abheben. "Die Kundin hinterließ einen klaren Eindruck und wirkte keineswegs beängstigt. Es wurden sogar noch zwei Kolleginnen hinzugezogen, aber es gab keinen Grund, den Betrag nicht auszuzahlen", erklärt Sparkassen-Sprecher Streicher.

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Bei Schmidt nahm die Geschichte dann doch noch ein gutes Ende. Als sie das Geld beisammen hatte, erklärte der vermeintliche Sohn am Telefon, dass nun ein Polizeibeamter vorbei kommen würde und sich der Sache annehme. Als dieser nach längerer Wartezeit nicht kam und sich am Telefon niemand mehr meldete, habe sie aufgelegt und bei der Polizei in Wolfratshausen angerufen. "Die müssten doch wissen, was jetzt als nächstes passieren wird, dachte ich mir", so Schmidt. Die Polizei kam persönlich bei der Rentnerin vorbei. Als die Sache aufgeklärt war, begleitete ein Beamter Schmidt zur Bank, um das Geld wieder einzuzahlen.

Obwohl der Betrug vereitelt wurde, sei es schwierig, die Täter zu fassen. "Die Leute am Telefon sitzen oft im Ausland und rufen mit einer gefälschten Nummer an", erläutert Guske. Die Einzigen, die man fassen könnte, seien die Abholer. Hier hoffe man auch auf Hilfe der Bevölkerung. Sollte man angerufen werden und einen Betrug bemerken, sei es hilfreich, die Polizei zu verständigen. So könnten die Einsatzkräfte ein örtliches Muster erkennen und möglicherweise das Auto des Abholers aufgreifen. Generell empfiehlt Guske: "Lassen Sie sich niemals unter Druck setzen. Sollten sie sich unsicher sein, rufen sie bei der Verwandtschaft an und fragen sie nach."

Gisela Schmidt hofft, dass sie mit ihrem Fall andere Menschen warnen kann. "Der Trick ist genial, da muss man einfach drauf reinfallen." Für die Zukunft aber ist sie motiviert: "Beim nächsten Mal überliste ich die Verbrecher!"

© SZ vom 31.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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