Sie erinnern sich an den einmaligen schönen Veilchenwald, an ihre großen Bauernhöfe, die Feste und das Gebäck zu Kirchweih: Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Waldram eine neue Heimat fanden. Viele von ihnen kamen nicht nur mit dem, was sie auf dem Leib trugen. Sie nahmen Gegenstände mit, die wichtig waren zum Weiterleben oder an denen sie hingen. Einige dieser oft sehr persönlichen Sachen sind im Erinnerungsort Badehaus in Waldram zu sehen. Titel der Sonderausstellung: "Mitgenommen - Heimat in Dingen." Badehaus-Vorsitzende Sybille Krafft und ihr Team eröffneten die berührende Schau am Sonntag mit vielen Gästen, Liedern von den Waldramer Sängerinnen, Gesprächen und Videoaufnahmen von Zeitzeugen.
Er sieht wirklich mitgenommen aus, der selbstgemachte Teddybär einer Zweijährigen aus Brünn. Anderes scheint wie neu. Das Paillettentäschchen zum Beispiel und die mit feinster Stickerei versehene Sonntagsschürze oder das Kissen mit der gestickten Empfehlung: "Aufstehen und lachen." Da erhellen sich die Mienen der Besucher schon ein wenig. Denn was so hübsch anzusehen oder aber nützlich wie Mehlsieb oder Mohnmühle in Kisten und Koffern liegt, hat eine Geschichte - oft schmerzhaft und traurig, wie Zeitzeugen via Video erzählen.
So berichtet Alois Brustmann, dass alle wussten: "Es kommt der Tag." Nämlich jener, an dem sie ihr Haus oder ihren Hof in Böhmen und Mähren, im Sudetenland oder in Siebenbürgen verlassen mussten mit nur 50 Kilogramm Gepäck. Wertvolles wurde vergraben. "Doch jeder, wirklich jeder hatte die Haustürschlüssel dabei", obwohl das verboten gewesen sei, erinnert sich Brustmann. Genauso wichtig sei es allen gewesen, persönliche Dokumente mitzunehmen, auch Fotos oder Zeugnisse. Diese seien besonders gehütet worden.
An dem besagten Tag seien die Leute in Viehwaggons, mit schlechter Luft und Eimer in der Ecke, scheinbar ins Nirgendwo gefahren worden, erzählt Ernie Schuppan. Doch nicht nach Sibirien ratterten die Züge, wie viele fürchteten, sondern nach Bayern. Hier sei man nicht ganz so freundlich aufgenommen worden. Fremd seien sie halt gewesen. Hinter vorgehaltener Hand seien sie mitunter als Flüchtlingsgesindel tituliert worden. Die Zeitzeugin berichtet dies ohne Verbitterung, eher mit Verständnis für die Situation nach dem verheerenden Weltkrieg mit vielen Millionen Toten, Flüchtlingen und Vertriebenen.
Krafft verkündet in ihrer Begrüßung, dass die mitgenommenen Dinge genauso ins Badehaus integriert würden wie die Videoaufnahmen mit Zeitzeugen. Sie dankt Andreas Otto Weber, dem Direktor des Hauses des Deutschen Ostens in München, dass seine Einrichtung die Schau bewilligt und finanziert habe. Weber blickt kurz zurück auf das Schicksal der Vertriebenen und spricht von einem wahren Exodus als Folge der Gräuel des Nazi-Regimes. Im 12. Jahrhundert seien Deutsche als Siedler östlicher Länder angeworben worden, bevor dieses Projekt durch die Nazis zur Zwangsmigration pervertierte. Zwölf Millionen Menschen seien vertrieben worden, die zuvor als Minderheit friedlich im Osten Europas mit den Einheimischen zusammen gelebt hätten. Diese Zahlen seien zwar bemerkenswert, so Weber, Einzelschicksale und eben die Heimat in Dingen, die darüber Zeugnis ablegten, weitaus eindrucksvoller.
Das Aquarell zum Beispiel, das ein gepflegtes Haus mit Nebengebäuden zeigt; das Gesangbuch mit einem Deckel, der aussieht wie aus Elfenbein geschnitzt; der gerettete Brautkranz; ein liebevoll bemaltes Nähkästchen; Fotos mit Großfamilien oder eine Geige. Von so manchen Gegenständen haben sich die ehemals Vertriebenen und ihre Nachkommen für diese Sonderschau getrennt. Nur nicht von ihren Hausschlüsseln.
"Mitgenommen - Heimat in Dingen", Badehaus, Kolpingplatz 3, Wolfratshausen, Freitag 9 bis 16 Uhr, Samstag und Sonntag 13 bis 17 Uhr; bis 22. September