Wintersport:So teuer ist die künstliche Beschneiung am Brauneck

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Um mit Skigebieten in Österreich konkurrieren zu können, wird am Brauneck kräftig investiert - was allein 90 000 Euro Stromkosten pro Saison verursacht. Und der Ausbau geht weiter.

Von Benjamin Engel, Lenggries

Feiner Nebel legt sich oft tagelang über die Hänge am vorderen Brauneck, wenn die Temperaturen im Dezember unter vier bis fünf Grad minus fallen. Im Tal ist ein gleichmäßiges Surren zu hören. Aus der Ferne wirkt das wie ein natürliches Wetterphänomen und ist doch allein menschengemacht. Denn dann läuft die sogenannte Grundbeschneiung am Lenggrieser Hausberg an. Aus 150 Lanzen und Propellergeräten rieselt dann feiner Maschinenschnee auf die Pisten am vorderen Brauneck. Für Natur- und Umweltschützer ist diese Art der Schneeerzeugung ein Reizwort. Doch nur damit kann die Brauneck- und Wallbergbahn GmbH die Schneesicherheit im Skigebiet garantieren.

Die technische Aufrüstung im Skigebiet hat Stefan Schnitzler, heute Assistent der Geschäftsführung, miterlebt. Vor 17 Jahren fing er an, für die Bergbahn zu arbeiten. Damals gab es nur wenige Maschinen, um einzelne, schnell ausapernde Stellen zu beschneien. Heutzutage existiert ein hoch komplexes, computerisiertes System am Berg. Gegen die Kritik von Umweltschützern wehrt sich Schnitzler. "Alle bei der Seilbahn sind Naturliebhaber", sagt er. Aus seiner Sicht ist es besser, wenn sich Wintersportler an einem eng umgrenzten Ort wie dem Brauneck konzentrierten. Gebe es kein Skigebiet, würden viele stattdessen viel weiter weg verreisen - womöglich mit dem Flugzeug. Das sei auch nicht umweltfreundlicher, sagt Schnitzler.

Für die Beschneiung auf etwa 20 von 34 Pistenkilometern braucht die Bergbahn GmbH viel Energie und Wasser. Mit den Ressourcen effizient umzugehen, ist aus ökonomischer Sicht wichtig. "Schnee kostet Geld", fasst Schnitzler zusammen. Alle Lanzen und Propellermaschinen an der vorderen Abfahrt, der Waxenstein- und der Familienabfahrt sind deshalb elektronisch untereinander verbunden. Auf vier im Skigebiet verteilten Kontrollmonitoren können die Bergbahn-Mitarbeiter alle Daten genau abrufen.

Wenn Schnitzler auf den Monitor in der Talstation klickt, achtet er besonders auf die Feuchtkugeltemperatur. Wovon Laien noch nie gehört haben dürften, ist für ihn entscheidend. Denn damit fassen Fachleute die Luftfeuchtigkeit und -temperatur in einem Wert zusammen. "Je trockener die Luft ist, desto eher könnten wir beschneien", erklärt Schnitzler. Die klimatischen Bedingungen benachteiligten das Brauneck gegenüber Skigebieten mit trockenerer Luft wie im italienischen Südtirol. "Bei 35 Prozent Luftfeuchte, kann man sogar bei ein Grad Plus beschneien", sagt Schnitzler. Als Faustregel braucht es mindestens vier bis fünf Grad minus, um Maschinenschnee erzeugen zu können.

Damit kein Eis entsteht, hat jedes Lanzen- oder Propellergerät einen Kompressor, um Druckluft zu erzeugen. Denn nur wenn Wasser- und Luftmoleküle direkt miteinander reagieren, entstehen auch die gewünschten Schneekristalle.

Laut Gesetz darf am Brauneck vor dem 15. November nicht beschneit werden. Fünf bis sechs Tage müssen die Geräte für die Grundbeschneiung durchgehend laufen. Sie legt die Basis für die Wintersaison, wie Schnitzler berichtet. Insgesamt werden in dieser Zeit etwa 150 000 Kubikmeter Wasser verbraucht. Mit den sechs Pistenraupen präpariert die Bergbahn-GmbH eine weiße Decke von etwa 20 Zentimetern auf die beschneiten Pisten. Nur ein einziger der modernen 13 Tonnen schweren Kolosse mit Seilwinde kostet einen mittleren sechsstelligen Eurobetrag.

Zwei Pumpensysteme leiten das Wasser zu den Schneeerzeugern am Berg. Als Reservoir für den unteren Bereich dient der 25 000 Kubikmeter Wasser fassende Speicherteich im Tal. Für die höher gelegenen Pisten entstand vor sechs Jahren am Garland einer der größten Speicherteiche Bayerns mit 104 000 Kubikmetern Fassungsvermögen. Quellwasser speist die Becken.

Das Projekt am Garland war umstritten. Die Umweltorganisation " Mountain Wilderness" hatte der Bergbahn den Negativpreis "Bock des Jahres" verliehen. Ebenso kritisch war der Tölzer Kreisverband des Bund Naturschutz. Die Mitglieder hatten die Nachhaltigkeit der Beschneiung infrage gestellt. Durch die Klimaerwärmung werde sich die Zahl der jährlichen Eistage im Freistaat bis 2050 halbieren. Damit werde es auch an immer weniger Tagen möglich sein, Kunstschnee zu erzeugen. Weil dieser im Frühjahr länger liegen bleibe, verzögere sich das Pflanzenwachstum. Der Speicherteich am Garland ist für Schnitzler für Sommergäste eine zusätzliche Attraktion. Auch wenn der Bau ein großer Eingriff gewesen sei, erhole sich die Natur relativ schnell. Die längere Haltbarkeit des Kunstschnees schütze den Boden eher als es ihm schade. Schnitzler ist wichtig zu betonen, dass am Brauneck nur mit Wasser ohne Zusätze beschneit werde.

Allein für die Beschneiung hat die Bergbahn GmbH bislang um die zehn Millionen Euro investiert. Für den Betrieb von Lanzen- und Propellermaschinen fallen an die 90 000 Euro Stromkosten an. Acht Millionen Euro kostete der neue Milchhäusl-Express mit beheizten Sitzpolstern von Wegscheid auf den Berg. Und der Ausbau geht weiter. Vor der Saison 2017/18 hatte die Bergbahn GmbH die etwa 40 Jahre alten Liftanlagen der Eigentümerfamilie Singhammer im Finstermünzkessel übernommen. Nach diesem Winter soll die neun Millionen Euro teure Schrödelsteinbahn den früheren Doppelsessellift ersetzen. Die Beschneiung soll entlang der dortigen Abfahrten ausgebaut werden.

Trotz der großen Summen sind die Investitionen aus Sicht von Schnitzler für das Skigebiet überlebenswichtig. Um mit höheren Skigebieten in Österreich konkurrenzfähig zu sein, müsse modernisiert und in die Beschneiung investiert werden. Nur so könnten Wintersportler am Lenggrieser Hausberg auch in 20 bis 30 Jahren noch Skifahren. Das Brauneck sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Ein Arbeitsplatz bei der Bergbahn sichere etwa fünf Arbeitsplätze in der Region. Das besage eine Studie des Verbands Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte. In guten Wintern erwirtschafte die Bergbahn etwa Dreiviertel ihres Jahresgewinns. Laut Schnitzler gibt es 15 festangestellte Mitarbeiter - ohne Kassenpersonal. Hinzu kämen 40 bis 50 Saisonkräfte während der Skisaison.

Die ständige Aufrüstungsspirale am Berg mit riesigen Skigebietszusammenschlüssen und schnelleren Liftanlagen sieht selbst Schnitzler kritisch. "Beheizte Liftpolster brauche auch ich nicht", sagt er. Aber jeder müsse auch die gestiegenen Ansprüche der Gäste sehen. Der Mensch sei nun einmal "heiß" auf ständige Superlativen.

An der Zukunftsfähigkeit des Skibetriebs zweifeln Umweltschützer wie der Kreisvorsitzende im Bund Naturschutz, Friedl Krönauer. So belegt eine Studie der Universität Innsbruck und des Deutschen Alpenvereins, dass die Temperaturen bis 2030 um 1,5 Grad steigen könnten. Dann wäre selbst mit Kunstschnee nur noch die Hälfte der Pisten am Brauneck schneesicher. Dass es den Klimawandel gibt, will auch Schnitzler nicht bestreiten. Inwiefern sich das jetzt schon auswirke, hält er aber für schwierig zu beurteilen. Auch vor 20, 30 Jahren sei Schnee zu Weihnachten nicht selbstverständlich gewesen.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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