Wahl-Nachlese:Impulse aus dem Wahlkreis für Berlin

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Karl Bär will sein Wahlkreisbüro in Holzkirchen einrichten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Grünen-Abgeordneter Karl Bär macht sich für klare Öko-Agrarpolitik und eine Reform der Krankenhausfinanzierung stark

Von Felicitas Amler, Holzkirchen/Berlin

Zugfahren macht ihm Freude, Radfahren ist er gewohnt, Autofahren kann er - aber auf ein eigenes Auto konnte Karl Bär bisher immer verzichten. Das ändert sich für den 36-jährigen Grünen aus Holzkirchen, der über die bayerische Landesliste in den neuen Bundestag gewählt wurde, nun schlagartig. Und dass es so ist, hat mit einer äußerst unbefriedigenden Verkehrspolitik zu tun. Denn der Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen/Miesbach ist allein mit den Öffentlichen kaum zu bewältigen. Sein Heimatort Holzkirchen sei zwar gut an den ÖPNV angeschlossen, sagt Bär. Aber "die große Menge Menschen in Geretsried und Wolfratshausen" sei von dort aus mit Bus oder Bahn nicht zu erreichen. "Da bin ich mit dem Rad schneller." Deswegen sei er nun "am Überlegen, mir zum ersten Mal in meinem Leben ein Auto anzuschaffen" - natürlich ein kleines, elektrisch betriebenes.

Bär war am Montag, als er seine ersten Interviews als frisch gewählter Bundestagsabgeordneter gab, im Zug unterwegs nach Berlin. Kein fremdes Ziel für ihn. Denn Bär hat in der Hauptstadt studiert - Islamwissenschaft und Agrarwissenschaft mit den Nebenfächern Politikwissenschaft und Soziologie. Auch den Bundestag kennt er von innen; er war von 2009 bis 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter der grünen Abgeordneten Agnes Krumwiede.

"Vorbildliche Agrarstruktur"

Wie in seinem Beruf als Referent für Agrarpolitik des Umweltinstituts München, so kann Bär auch im neuen Mandat Herkunft und Fachwissen ideal verbinden. Thema Nummer eins sei für ihn die Agrarpolitik, sagt er, und attestiert seinem Wahlkreis "eine vorbildliche Agrarstruktur". Die sieht für ihn so aus: "Sehr viele Familienbetriebe, ein großer Anteil von Biobetrieben und viele Viecher auf der Weide." In der Bundespolitik aber seien dies bisher nicht die Ziele gewesen. Stattdessen sei die Landwirtschaft in drei verschiedene Richtungen gedrängt worden. Sie sollte einerseits "auf Weltmarkt getrimmt" werden, andererseits ökologisch und regional sein und unter dem Druck der Supermärkte ökologisch und billig. Bär wünscht sich die ökologische Landwirtschaft als klare politische Richtschnur und sagt, er wolle "dafür kämpfen, dass wir nicht aus Riesenbetrieben in Südamerika Fleisch importieren". Gleichzeitig wolle er sich für Abgaben auf Pestizide und einen Einführungsstopp dieser Stoffe einsetzen. "Wir müssen langfristig vom Chemieeinsatz runterkommen."

Auch andere Themen, die ihm wichtig seien, nimmt Bär aus seinem Wahlkreis mit. Er sei zwar kein Experte fürs Gesundheitswesen, sagt er, aber er wolle sich für eine Reform der Krankenhausfinanzierung stark machen. Kommunale Kliniken, die sich nicht stark spezialisieren könnten, müssten dennoch überlebensfähig sein, um die Grundversorgung wie Herzinfarktbehandlung, Unfallchirurgie und Geburtshilfe gewährleisten zu können. Nur mit einem neuen Finanzierungskonzept ließen sich die beiden vom jeweiligen Landkreis getragenen Krankenhäuser Wolfratshausen und Agatharied in öffentlicher Hand halten. Denn aktuell "brennt es" in beiden Häusern.

"Brutal veraltetes Jagdrecht"

Auch im "brutal veralteten" Jagdrecht wünscht sich der Grünen-Abgeordnete eine Reform, um den zum Klimaschutz notwendigen Waldumbau zu schaffen. Nach derzeit geltendem Recht hätten Förster und Waldbesitzer eine zu schwache Position gegenüber den Jägern. Gerade sein Wahlkreis habe "eine Chance, dass es bei uns in zehn, zwanzig Jahren noch Wald gibt", sagt Bär. Dafür reiche es aber nicht, nachzupflanzen und "jeden einzelnen Baum mit Plastik zu schützen". Vielmehr müsse der Wildbestand so reguliert werden, dass die Bäume von selbst nachwachsen können.

Bär wünscht sich für die jetzt in Berlin anstehende Regierungsbildung vor allem eines: "Dass die CDU raus ist." Dies verlange die "Demokratiehygiene", denn die Union sei "korrupt und seit 16 Jahren an der Regierung". Auch inhaltlich könne er sich eine Koalition mit der SPD "viel besser vorstellen". Ob er für die Grünen keine Probleme mit der FDP sieht? Auch das gehöre zur Demokratie. "Irgendeinen Tod muss man sterben."

© SZ vom 28.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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