Vom Musiksommer bis zum Kulturherbst:"Einfach nur super!"

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So schön diese Regenschirm-Installation beim Fluss-Festival aussah – das Wetter hat den Veranstaltern immer wieder große Sorgen bereitet. (Foto: Harry Wolfsbauer)

So viele Festivals wie in dieser Saison hat es zwischen Irschenhausen und Walchensee noch nicht gegeben. Trotz aller Widrigkeiten mit Corona und dem Wetter ziehen die meisten Veranstalter eine ideell positive Bilanz. Materiell war es für viele schwierig

Protokolle von Felicitas Amler und Stephanie Schwaderer

Zwischen Irschenhausen und dem Walchensee war kulturell selten so viel geboten wie in diesem Sommer und Herbst - Festivals mit Konzerten, Kabarett und Theater unter freiem Himmel. Ein Rückblick.

Im Garten

Wolfgang Ramadan, Brotzeit & Spiele im Tölzer Rosengar ten: "Es gibt ein Sprichwort von Konfuzius: Zu einem guten Ende gehört ein guter Beginn. Das Sprichwort ist falsch. Wir hatten einen scheußlichen Anfang und einen sensationellen Schluss. Die erste Vorstellung mit Helmut Schleich musste wegen plötzlich auftretender Orkanböen abgebrochen werden. Innerhalb weniger Minuten haben wir das Zelt evakuiert und hatten noch Glück - andernorts hat es Verletzte gegeben. So katastrophal ging es dann zum Glück nicht weiter. Wir hatten eine Auslastung von 75 Prozent. Damit lagen wir weit über dem Schnitt. Der hat sich bayernweit bei etwa 50 Prozent eingependelt. Es gibt Kollegen, die haben Einbrüche von 80 Prozent.

Aus Sicherheitsgründen wurden uns im Rosengarten von den geplanten 500 Plätzen nur 200 genehmigt. Wir hatten inklusive Freikarten mehr als 3000 Besucher. Von 25 Veranstaltungen mussten wir drei absagen: Schleich wegen des Wetters und zwei andere wegen Krankheit. Am Ende haben wir eine schwarz-rote Null geschrieben. Das haben wir nur geschafft, weil wir neben einem Bundeszuschuss aus dem Topf Neustart Kultur auch von der Stadt Bad Tölz eine fünfstellige Ausfallbürgschaft bekommen haben. Sonst wäre das nie gegangen! Wir waren ja immer stolz drauf, dass wir nie Subventionen brauchten. Aber seit Corona könnten wir ohne diese Fördermittel nicht existieren. Ich selbst durfte an dem Fest nichts verdienen. Ich bekomme vom Freistaat einen fiktiven Unternehmerlohn in Höhe von 1180 Euro bezahlt, wofür ich sehr dankbar bin. Gewinne hätte ich abführen müssen. Zugleich müssen wir jedoch viel mehr arbeiten als früher.

Unsere wichtigste Stütze ist unser Stammpublikum. Das kann darauf vertrauen, dass es bei uns einen schönen Abend verlebt. Diese Leute sind auch gekommen, als es ein Wochenende lang geschüttet hat und wir gerade einmal 8 Grad hatten. Ich hab jeden Abend jeden Gast am Ausgang persönlich verabschiedet. Da haben wir so viel Lob bekommen! Das ist es, was einen motiviert weiterzumachen.

Das größte Geschenk war das Abschlusskonzert mit Weddaleichdn. Da war es rappelvoll. Am Ende bin ich raus, um mich bei allen zu bedanken, beim Team, bei den Kollegen, beim Publikum. Und ich hab die Gitarre genommen und spontan eine halbe Stunde Session gemacht. Die Leute haben ihre Handys gezückt und die Taschenlampen angemacht, dass es wie Feuerzeuge aussah. Eine Wahnsinnsstimmung. Während ich das erzähle, habe ich Tränen in den Augen. Das ist die letzte Erinnerung an das Fest, die ich habe. Und deshalb war es einfach nur super!"

Im Zelt

Günter Wagner, Veranstalter des Geretsrieder Kulturherbsts: Also, der Kulturherbst was diesmal wirklich nicht leicht zu organisieren. Das fing damit an, dass wir das ganze, bereits voll geplante Festival von 2020 auf 2021 verschieben mussten. Erst drei Wochen vor Beginn musste die Abstandsregel nicht mehr eingehalten werden, wenn die 3-G-Regel kontrolliert würde und während der Veranstaltung die Masken getragen würden. Wir machten also den Vorverkauf wieder auf. Aber sehr viele hatten bereits die Meldung "Alles ausverkauft" verinnerlicht.

Um auch den Markt und den Roten Pavillon voll veranstalten zu können, mussten wir den gesamten Platz einzäunen und am Eingang bereits nach 3 G kontrollieren. Gleichzeitig organisierten wir ein Schnelltestzelt vom Roten Kreuz. Ein Hygieniker wurde eingestellt, der immer wieder Hygienekonzepte erstellte und diese beim Gesundheitsamt einreichte.

Begrüßung im Zelt: Ingrid Hammerschmied , Sonja Frank, Günter Wagner. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Künstler waren begeistert von der Stimmung hier bei den Zuschauern in Geretsried und auch im Backstage-Bereich. Christian Springer sagte: "Wenn man hier reinkommt, kommt einem eine Wärme entgegen, das ist sagenhaft. Und ich meine jetzt nicht die Temperatur." Wirklich alle Künstler sagten, sie würden gerne wiederkommen, wenn man sie einlädt. Das Team von Konstantin Wecker meinte: "Endlich wieder in Geretsried." Wenn ich über den Platz ging, hielten mich immer wieder Besucher an und bedankten sich für das Festival und dass dieses in diesen Zeiten überhaupt hat stattfinden könne. Aufgrund dieser Erfahrungen sind wir alle im Team sehr zufrieden und denken, wir haben da ein sehr großes Kulturfest sehr reibungslos auf die Beine gestellt. Wir selbst haben keine einzige negative Stimme gehört, das ist sehr bemerkenswert.

Es waren etwa 8000 Besucher da, und wir haben zirka 5000 Karten verkauft. Das Defizit steht noch nicht fest. Es könnten so um die 150 000 Euro sein. Es ist aber auch möglich, dass dies aufgrund von Zuschüssen noch erheblich weniger wird. Die höchsten Kosten waren wie immer das Zelt, die Technik und die Security, die aufgrund von Corona massiv erhöht werden musste.

Die besten (verkauften) Veranstaltungen waren die Spider Murphy Gang, Herbert Pixner und La-Brass-Banda. Weniger Zuschauer waren natürlich beim Münchner Metropoltheater. Dies war aber von vorneherein klar, denn Theater wird nicht so massiv besucht wie Stimmungskonzerte. Trotzdem ist es wichtig - und das ist auch im Sinne der Stadt und des Bürgermeisters -, dass wir auch solche Veranstaltungen anbieten. Wir sind ja kein kommerzieller Veranstalter. Auch die zahlreichen Veranstaltungen im Roten Pavillon und außerhalb des Geländes waren natürlich defizitär. Es wurde ja kein Eintritt verlangt. Es ist aber dennoch wichtig, dass die Stadt auch Veranstaltungen anbietet, die nichts kosten und die jeder Bürger besuchen kann. Es waren insgesamt 38 Veranstaltungen in diesen elf Tagen. 26 davon waren bei freiem Eintritt.

Am Fluss

Marlene Schretzenmaier, Kulturamtsleiterin, Fluss-Festival Wolfratshausen: "Das Fluss-Festival war trotz aller Herausforderungen ein voller Erfolg. Mehr als zwei Wochen lang herrschte an der Alten Floßlände eine kunterbunte Kulturatmosphäre. Publikum und Künstler waren begeistert, endlich wieder Live-Veranstaltungen genießen zu dürfen. 3489 Zuschauer besuchten 17 abwechslungsreiche Veranstaltungen. Lediglich ein Konzert musste aufgrund eines Krankheitsfalls abgesagt werden. Dass Kultur Geld kostet, ist kein Geheimnis. Über das Defizit gebe ich erst Anfang nächsten Jahres im Kulturausschuss Auskunft. Derzeit warte ich noch auf Fördergelder. Schon jetzt steht fest, dass wir nicht das komplette veranschlagte Budget (250 000 Euro, Anm. d. Red.) gebraucht haben. Wir hatten auch noch nie so viele Sponsoren wie in diesem Jahr. Das hilft, das Defizit zu schmälern. Wir bedanken uns bei allen Sponsoren für diese tolle Unterstützung und hoffen auf ein Fluss-Festival 2023.

Marlene Schretzenmaier kehrt der Stadt Wolfratshausen den Rücken. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die meisten Kosten entstanden in der Infrastruktur, also für Zelt, Tribüne und Wasserbühne, im Cateringbereich und bei der Technik. Im Großen und Ganzen können wir total stolz auf uns sein, dass wir als Vorreiter im Oberland es uns zugetraut haben, eine Veranstaltung in dieser Dimension zu stemmen. Seit dem ersten Fluss-Festival 2013 hatten wir noch nie mit ähnlichen Problemen zu kämpfen - nicht nur mit Corona, sondern auch mit Hochwasser, das uns zwang, Veranstaltungen kurzfristig zu verlegen. Aber es wurde keiner verletzt, die Leute waren dankbar für Unterhaltung, die Atmosphäre war total schön, wir haben ein tolles Ambiente geschaffen, die Künstler waren happy. Ich bin zufrieden, und das sollte Wolfratshausen auch sein."

Unterm Apfelbaum

Barbara Reimold, Gastgeberin der Gesellschaft unterm Apfelbaum in Irschenhausen: "Dieser Theatersommer war sehr schwierig, so etwas kann ich nicht noch einmal erleben. Das Wetter hat uns einen großen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Leute sind zwar auch bei Regen gekommen und haben gelacht und sich amüsiert. Und auch die Künstler waren gut drauf und mit Freude bei der Sache. Aber alle waren dick eingepackt wie im Winter. Und da hatte natürlich keiner Lust, sich in den Garten zu setzen und etwas zu essen und zu trinken. Die Gastronomie ist in diesem Jahr komplett weggebrochen. Mit ihr finanziere ich sonst einen Teil des Theaters. Das hat ein großes Loch in die Bilanz gerissen. Zwar haben uns heuer Sponsoren mit insgesamt 3000 Euro unterstützt - so viel wie noch nie. Aber am Ende hatten wir einen Verlust in Höhe von 3000 Euro, den ich aus eigener Tasche bezahlt habe.

Barbara Reimold begrüßt die Gäste der "Gesellschaft unterm Apfelbaum" im Sommer 2021. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Gästezahlen waren vermutlich auch coronabedingt rückläufig. 2019 hatten wir noch 1000 Zuschauer. 2020, im ersten Corona-Sommer, waren es 780 - da gab es schon die Maskenpflicht, aber weder Tests noch Impfstoff. In diesem Sommer hatten wir nur 580 Besucher bei neun Vorstellungen. Dennoch brauchte ich, wegen des Wetters und um die vorgeschriebenen Abstände einzuhalten, drei Zelte, zwei mehr als in den Vorjahren. Schließlich sind auch noch die Leihkosten für das technische Equipment um 200 Prozent gestiegen. Das Problem habe ich nicht alleine.

Nächstes Jahr werde ich zwei Dinge anders machen. Zum einen möchte ich den Vorstellungsbeginn auf 20 Uhr vorverlegen. Zum anderen werde ich den Wetterbericht ernst nehmen. Wenn sich im Juli wieder abzeichnet, dass es die nächsten Wochen durchregnen wird, werde ich das Festival vermutlich absagen. Einfach, um den Verlust kleiner zu halten."

Überm See

Theodoros Reumschüssel, Pressesprecher der Uniper, die zusammen mit der Kleinkunstbühne KKK Lenggries den Musiksommer am Walchenseekraftwerk ausgetragen hat: "Uns war es ganz wichtig, einen Beitrag zum kulturellen Leben zu leisten. Das Walchenseekraftwerk ist mit seinem Info-Zentrum eigentlich eine Stätte der Begegnung, aber da war quasi Ödland im ersten Corona-Sommer. Mit dem Erfolg sind wir so zufrieden, dass wir auf jeden Fall nächstes Jahr weitermachen. Wir hatten sechs Veranstaltungen und sind in der privilegierten Situation, keine betriebswirtschaftlichen Ziele damit zu verfolgen. Wir hatten es auf jeweils 200 Plätze beschränkt. Die passten auch unter Corona-Auflagen so einigermaßen auf den überdachten Vorplatz des Info-Zentrums. Zweimal waren wir ausverkauft; viermal hatten wir so etwa achtzig Prozent Auslastung.

Wir waren zurückhaltend mit der maximalen Besucherzahl, denn es war ja eine bis dahin nicht erprobte Festival-Location, dazu die Corona-Auflagen ... Wir wollten erst einmal ausprobieren, wie es logistisch von Parkplatz über Catering bis hin zum Platzanweisen funktioniert. Nächstes Jahr wollen wir deutlich höhere Zahlen, wahrscheinlich orientieren wir uns an der 300er-Marke. Das Wetter war allerdings für uns der Härtefall, wir hatten fast jedes Mal schlechtes Wetter. Ich war so traurig und dachte angesichts des jeweiligen Wetterberichts nur: Schon wieder! Da war man schon dankbar, wenn's keinen Gewittersturm gab.

Unsere Kooperationspartner vom KKK, Sabine und Stefan Pfister, sind ein großartiges Team. Die Zusammenarbeit mit den beiden gehört zu den Glücksfällen meiner beruflichen Laufbahn. Sie sind aus der Region, kennen sich in der Szene aus und sind nicht überdreht - absolut super! Auch das Feedback des Publikums war sehr gut, die Location wurde als interessant und spannend wahrgenommen. Die Künstler waren angetan, nicht zuletzt auch davon, dass sie trotz Corona-Abstands aufgrund der niedrigen Bühne nicht ganz entrückt waren vom Publikum."

© SZ vom 13.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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