Volksbegehren:Bauern sorgen sich um ihre Existenz

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Grünland spielt eine zentrale Bedeutung im Gesetzestext, etwa der Zeitpunkt der Mahd. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Volksbegehren Artenvielfalt hat nicht nur Befürworter im Landkreis. Besonders konventionell arbeitende Landwirte sehen sich durch den Gesetzesvorschlag zu Unrecht in der Kritik.

Von Benjamin Emonts

Künstler posten Videos auf Facebook, Bürger verteilen tausendfach Flyer und allabendlich finden mehrere Informationsveranstaltungen statt. Das Volksbegehren "Rettet die Bienen" bewegt die Gemüter wie schon lange keine politische Initiative mehr. Seit diesem Donnerstag liegen in den Rathäusern nun die Listen zum Unterschreiben bereit. Die Stimmen der Befürworter waren bislang sehr viel zahlreicher und lauter zu vernehmen. Doch es regt sich auch Widerstand. Gerade die konventionell arbeitenden Landwirte positionieren sich entschieden gegen das Volksbegehren. Der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes Peter Fichtner sagt: "Ich kenne Bauern, die sorgen sich um ihre Existenz."

Über Für und Wider des Volksbegehrens werden nun allerorts hitzige Debatten geführt, auch in politischen Gremien im Nachbarlandkreis Weilheim-Schongau. Die stellvertretende Kreisbäuerin Maria Lidl hielt am Dienstagabend als Gast im Penzberger Stadtrat einen flammenden Appell. Sollte das Volksbegehren Erfolg haben, sagte sie, würde das für viele Bauern aus der Region das Aus bedeuten. Im Kleingedruckten des Gesetzesvorschlags fänden sich etliche Beschränkungen für die konventionelle Landwirtschaft. Durch die Forderung nach Gewässerrandstreifen etwa würden sich die Flächen und dadurch die Wirtschaftlichkeit der Betriebe verringern. Die Bauern sorgten sich zudem, dass ihre Förderungen durch das Bayerische Kulturlandschafts- und das Landschaftspflegeprogramm etwa für das Anlegen von Blühstreifen wegfallen könnten. Die Initiative sei gut gemeint, "aber der falsche Weg". Man könne nicht einen einzigen Berufsstand komplett für das Artensterben verantwortlich machen.

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Der Tölzer Bauernobmann Peter Fichtner vertritt den selben Standpunkt. "Das Problem ist, dass die Landwirtschaft immer als der Alleinschuldige am Insektensterben dargestellt wird", beklagt er. "Aber sie allein ist es nicht." Fichtner ärgert sich, dass die Gesetzesvorlage den Normalbürger "nicht in die Verantwortung zieht". Die hohe Schadstoffbelastung durch Straßen- und Flugverkehr trage aber maßgeblich zum Artensterben bei. Jeder müsse sich selbst hinterfragen, sagt Fichtner. Alles andere sei "scheinheilig".

Viele der Forderungen aus dem Volksbegehren sind nach Meinung des Landwirts weder sinnvoll noch umsetzbar. Das Ziel, den Einsatz von Pestiziden einzudämmen, hält Fichtner zumindest im hiesigen Landkreis für eine "Lachnummer". Etwa 90 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen hier seien Grünland, auf dem Spritzmittel nur zur Einzelpflanzenbekämpfung angewandt würde. Auf den restlichen Flächen sei der Einsatz von "zugelassenen Pflanzenschutzmitteln" notwendig, weil die Züchtungen "auf Wirtschaftlichkeit und Düngen" ausgelegt seien.

Ein Verbot, auf Grünlandflächen die erste Mahd vor dem 15. Juni durchzuführen, hält Fichtner gar für geschäftsschädigend. Ließe er sein Gras so lange auf dem Feld stehen, verlöre es an Nährstoffen und könnte nur noch zu Heu verarbeitet werden. Dazu seien aber drei schöne Tage am Stück erforderlich, um das geschnittene Gras ausreichend trocknen zu können. "Aber die Wetterlage im Juni ist erfahrungsgemäß eher unbeständig."

Während sich Linke, Grüne, SPD sowie ÖPD, die das Volksbegehren angestoßen hat, einem großen Aktionskreis mit Tausenden Mitgliedern angeschlossen haben, spricht sich die CSU - bis auf wenige Einzelpersonen - gegen die Initiative aus. Für den Bad Heilbrunner Landtagsabgeordnete Martin Bachhuber ist der vorliegende Gesetzesentwurf "zu kurz gesprungen", wie er sagt. "Ich werde das nicht unterschreiben." Bachhuber stören demnach besonders die "vielen Verbindlichkeiten" in der Gesetzestext. Das darin erklärte Ziel, bis 2030 mindestens 30 Prozent aller bayerischen landwirtschaftlichen Betriebe auf "Bio" umzustellen, hält er für nicht praktikabel, ebenso die Vernetzung von Biotopen. "Das sind Dinge, die ins Eigentum der Landwirte eingreifen", sagt Bachhuber. "Als CSUler, dem das Eigentum sehr heilig ist, bin ich da dagegen."

Ohnehin kämpften viele kleine Betriebe im Landkreis bereits ums Überleben. Durch das Volksbegehren könnten ihnen nun auch noch wichtige Fördergelder genommen werden, befürchtet Bachhuber. Wirtschaftliches Arbeiten würde somit noch schwerer. Gerade die kleinbäuerliche Struktur aber sei verantwortlich, dass die Landschaft hier "noch intakt ist". Die Gesetzesvorlage bringe diese Struktur in Gefahr. "Wenn man das zu Ende denkt, kann ich mir schon vorstellen, dass der eine oder andere Kleinbetrieb aufgibt. Aber es ist um jeden Bauern schade, egal wie klein er ist."

Bachhuber nimmt auch die Bürger in die Pflicht. Er beklagt, dass Gartenbesitzer andauernd ihren "englischen Rasen" mähten und düngten. Fast nirgendwo sehe man noch Balkonblumen. "All diese Menschen könnten auch dazu beitragen, dass Insekten eine weitere Lebensgrundlage finden." Der Rückgang der Artenvielfalt werde schließlich auch durch die Siedlungsentwicklung in den Städten und Gemeinden verursacht, durch den Siedlungsdruck, durch Verkehr und durch Freizeit und Erholung. "Es ist ungerecht, die Landwirtschaft wieder einmal an den Pranger zu stellen", sagt er.

Das Artensterben stellt Bachhuber indes nicht infrage. "Auch ich bin der Meinung, das Bienen- und Artenschutz wichtig sind. Da kann man noch mehr tun und wir werden noch mehr tun." Dieses Volksbegehren aber sei nicht der richtige Weg. Stattdessen verweist Bachhuber auf den noch jungen Koalitionsvertrag mit den Freien Wählern. Man habe darin festgelegt, dass der Anteil aus Ökolandbau - derzeit liegt er bayernweit etwa bei zehn Prozent - "mittelfristig verdoppelt" werden soll. Im Doppelhaushalt, der noch verabschiedet werden muss, habe die Regierung für den Insektenschutz zudem 100 Millionen Euro für den Zeitraum von 2020 bis Ende 2023 eingeplant. "Wir setzen auf Kooperation statt Konfrontation mit den Landwirten, auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung", sagt Bachhuber.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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