Volksbegehren Artenvielfalt:"Es ist unsere Zukunft"

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Brombeerblüten sind sehr beliebt bei Bienen und Hummeln. Es müsste nur mehr davon geben. (Foto: Roland Weihrauch/DPA)

Im Landkreis bündeln Politiker und Naturfreunde ihre Kräfte, um das Volksbegehren "Rettet die Bienen" zu unterstützen. Erforderlich sind bayernweit eine Million Unterschriften.

Von Benjamin Emonts

Der Ickinger Künstler Wolfgang Ramadan ist der Protagonist eines einprägsamen Zeichentrickfilms auf seiner Facebook-Seite. Eine große Mähmaschine mit Düngerdusche fährt über fröhlich summende Bienen hinweg, die zerschnitten und entstellt aus dem Heck wieder herauskommen. Ein Schwarm überlebender Insekten will das nicht wahrhaben. Den verdutzt guckenden Ramadan fliegen sie ohne Umwege ins naheliegende Rathaus. Sie zwingen ihn, das Volksbegehren "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern - Rettet die Bienen!" zu unterschreiben.

Das kurze Filmchen mag bloß eine nette Spielerei sein, doch steht es sinnbildlich für das große Engagement, mit dem sich Hunderte Landkreisbürger dieser Tage für den Artenschutz in Bayern einsetzen. Ramadans Video wurde auf Facebook tausendfach geteilt, unter anderem vom Liedermacher Hans Söllner und von Tollwood München. Die Resonanz in der Bevölkerung ist auf das Thema offensichtlich ungemein groß. Die Naturfreunde aus der gesamten Region bündeln jetzt ihre Kräfte, damit am Ende tatsächlich eine Million Eintragungsberechtigte in Bayern ihre Unterschrift leisten. Es bleiben dafür knapp zwei Wochen Zeit. Das Volksbegehren beginnt am Donnerstag, 31. Januar, und endet am Mittwoch, 13. Februar.

Das Gefühl, dass mit der Umwelt etwas nicht stimmt, haben viele Menschen schon lange: Kleine, alltägliche Beobachtungen setzten sich über die Jahre zu einem bedrohlichen Gesamtbild zusammen. Wenn der Geretsrieder Imker Günther Schwartz heute mit dem Auto unterwegs ist, sehe er kaum noch tote Insekten auf seiner Windschutzscheibe. Oder wenn Bio-Bauer Manfred Schmid in Mooseurach zu seinem Acker fährt, säßen kaum noch Schwalben auf den Stromleitungen, obwohl sie Anfang der Achtzigerjahre doch noch so zahlreich waren.

Die Posterfrau des Volksbegehrens: Die heimische Honigbiene. Im Gegensatz zu den Wildbienen geht es ihr noch einigermaßen gut.

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(Foto: privat)

Bienenhotels und Blühstreifen sollen Insekten das Leben erleichtern.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Hans Schmidt führt den Aktionskreis "Volksbegehren" in Wolfratshausen an.

Inzwischen ist es wissenschaftlich belegbar: Die Insekten- und Vogelbestände hierzulande schrumpfen drastisch. Laut einer Studie des Entomologischen Vereins Krefeld sind in Deutschland binnen weniger Jahrzehnte drei Viertel der Fluginsekten völlig verschwunden. Von 506 in Bayern heimischen Wildbienenarten gelten 40 bereits als ausgestorben oder verschollen. Von den übrigen 466 Arten sind fast die Hälfte vom Aussterben bedroht oder gefährdet. Die Bestände an Schmetterlingen dürften sogar noch stärker zurückgegangen sein, in einigen Regionen Bayerns um 70 bis 90 Prozent. Nicht ganz so schlecht geht es der heimischen Honigbiene ( apis mellifera). Ihr Bestand ist über die Jahrzehnte zwar ebenfalls deutlich kleiner geworden, seit 2007 aber nimmt die Zahl der Völker wieder zu, weil es immer mehr Imker gibt. Insgesamt weniger Insekten bedeuten weniger Nahrung für Vögel. Ihre Zahl soll sich in den vergangenen 30 Jahren gar halbiert haben in Bayern. Bauer Schmids Beobachtung mit den Schwalben - sie kommt wohl nicht von ungefähr.

"Wir erleben gerade das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier", sagt der Bio-Landwirt und Landtagsabgeordnete Hans Urban. Mit Landkreisbürgern will der Grüne nun die Kehrtwende erzwingen. Würden alle 92 000 Eintragungsberechtigte aus dem Landkreis unterzeichnen, wäre immerhin fast schon ein Zehntel der erforderlichen Gesamtzahl geschafft. Urban sagt: "Ich bin sehr zuversichtlich. Das Thema bewegt die komplette Bevölkerung." Ein Informationsabend in der rappelvollen Flößerei bestätigt diesen Eindruck am Mittwochabend. Eingeladen hat der Aktionskreis "Volksbegehren", der sich im Landkreis zusammengeschlossen hat und rasant wächst. Er besteht unter anderen aus den Kreisgruppen von ÖDP, SPD, Grünen und Linken, dem Landesbund für Vogelschutz (LBV), dem Bund Naturschutz (BN), den Naturfreunden Wolfratshausen und dem Imkerverein Geretsried. Allein diese Organisationen zählen Tausende Mitglieder im Landkreis, auf deren Unterschriften man baut.

Einige sind am Mittwoch auf dem Infoabend. Der Verantwortliche für den Aktionskreis in Wolfratshausen, Hans Schmidt, hat 3000 Flyer mitgebracht, die in den vergangenen Tagen bereits verteilt worden sind. Am Schwankl-Eck und vor dem Sebastianisteg soll es am nächsten Freitag zudem Infostände geben. In allen größeren Ortschaften des Kreises haben sich engagierte Ableger des Aktionskreises gebildet, die Rathauslotsen stellen. Eine solche Einigkeit zwischen politischen Parteien und gemeinnützigen Organisationen gab es wohl lange nicht mehr.

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Das dürfte daran liegen, dass die Probleme für viele nicht mehr von der Hand zu weisen sind. Karl Bär vom Umweltministerium stellt sie in der Flößerei anschaulich dar. Kurz gesagt, haben Insekten immer weniger Lebensraum und Nahrungsangebot durch Flächenfraß und Monokulturen. Der Einsatz von Pestiziden lässt die Tiere verenden. Lichtverschmutzung, besonders nächtliches Licht, stört ihre Wanderungen oder tötet sie. Schaden vom großen Sterben nimmt auch der Mensch. Bienen brauchen den Nektar der Pflanzen bekanntlich zum Überleben - und Pflanzen wiederum einen Bestäuber, um ihre Pollen zu verbreiten und sich zu vermehren. Keine Insekten, keine Pflanzen, kein Obst, kein Gemüse. Der Mensch braucht die Biene zu seinem eigenen Überleben.

Wissenschaftler Karl Bär ist fest überzeugt, dass der Mensch "die Zivilisation nicht mehr aufrechterhalten kann, wenn er so weiter macht". Das Volksbegehren, das die ÖDP angestoßen hat, soll dagegen Regelungen im bayerischen Naturschutzgesetz verankern. Der Anteil der landwirtschaftlichen Bio-Betriebe soll von jetzt zehn Prozent auf 30 Prozent bis zum Jahr 2030 wachsen. Lebensräume für Tiere wie Biotope sollen vernetzt werden. Pestizide auf staatlichen Flächen werden verboten. Hecken, Bäume und kleine Gewässer in der Landwirtschaft bleiben erhalten, an Bächen, Äckern und Gräben sollen blühende Randstreifen entstehen. "Es ist höchste Zeit, Druck auf die Regierenden auszuüben und einen Plan auf den Weg zu bringen, um das Artensterben zu stoppen", fordert Urban.

Optimistisch stimmen die Naturfreunde kleine, aber bedeutende Schritte. Etwa einen Antrag Urbans auf mehr Umweltschutz hat der Gemeinderat in Eurasburg im vergangenen Frühling einstimmig gebilligt. Aber auch ein Blick über den Wegesrand hinaus gibt leise Hoffnung. Der Moosauracher Biobauer Manfred Schmid etwa hat auf einem Acker einen 1500 Quadratmeter großen Blühstreifen angelegt. Das Summen im Sommer war dort deutlich zu vernehmen. "Wenn die Pflanzen blühen, sammeln sich hier alle Insekten, die woanders nichts finden", sagt Schmid und fordert ein Umdenken in der Landwirtschaft: "Sie muss umgestellt werden auf weniger Dünger und weniger Vieh. Wenn Grünland sechs oder sieben Mal im Jahr gemäht wird, werden die Insekten alle sechs Wochen zermantscht."

Die Zuversicht, dass es am Ende für die Million reicht, wächst mit jedem Tag, an dem sich weitere Bürger melden und engagieren wollen. Schon bei der Zulassung des Volksbegehrens im Oktober hatte die ÖDP fast 95 000 Unterschriften eingereicht - knapp vier Mal so viele wie nötig. Ein junger Eglinger namens Christian Anton, der sich den Vortrag in der Flößerei anhört, hat seine Entscheidung längst gefällt. Er werde die Initiative als Ratshauslotse unterstützen, sagt er. "Es ist unsere Zukunft." Auf den Film, den Künstler Wolfgang Ramadan im Internet verbreitet hat, wurde indes schon "Fünfhunderttausendmal" zugegriffen, wie er sagt. Aktionen wie diese nähren die Hoffnung der Naturfreunde.

© SZ vom 26.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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