Tradition und Brauchtum:Chronik einer Annäherung

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2019 wird in Antdorf der neue Rekord im Schuhplatteln aufgestellt. Mittendrin der Fotograf Ralf Gerard. Seine Bilder hat er nun zu einem Buch zusammengestellt, das Zeugnis von Kultur und Brauchtum ablegt.

Von Alexandra Vecchiato, Antdorf

Was ist Kultur? Welche Bedeutung hat sie in heutiger Zeit? Es sind Fragen wie diese, die den Fotografen Ralf Gerard umtreiben. Antworten suchte er dort, wo sie nicht unbedingt für jeden offenkundig zu erwarten wären: 2019 bei der "Heimatwoche" des Antdorfer Trachtenvereins D'Waxenstoana. Damals am Vatertag stellten 1312 Trachtler aus der Region einen neuen Rekord im Schuhplatteln auf, was ihnen einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde brachte. Gerard hat dem Event ein eigenes Buch gewidmet. Entstanden ist ein Fotoband, das er selbst "Erkundungen zur kulturellen Identität" nennt.

Wer nun denkt, in dem Buch "Heimatwoche" feiern klischeehaft Gamsbart, Lederhose und Dirndlrüschen fröhliche Urständ, irrt. Heimattümelei verhindert schon allein der Umstand, dass es sich um Schwarz-Weiß-Aufnahmen handelt. Das schafft in gewisser Weise Distanz, überhöht das Abgebildete und entrückt es jenseits von Postkartenmotiven. Rund 300 Fotografien hat der Wahl-Andorfer, der auch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen tätig ist, zusammengestellt. Sie alle spiegeln die Dorfgemeinschaft und deren Zusammenhalt wieder.

Die Waxenstoana feierten im Frühjahr 2019 eine Woche lang ihr 100-jähriges Gründungsfest. Aus allen bayerischen Gauverbänden waren Trachtler nach Antdorf gekommen. Schon bei den Vorbereitungen war der gebürtige Trierer Gerard mit seiner Kamera dabei. "Ich habe aus Gaudi fotografiert", erzählt der 62-Jährige. Ein Buch zu veröffentlichen, hatte er damals noch nicht im Kopf. Erst, als er seine Fotos nach der Festwoche sichtet, reift der Entschluss. Die Aufgabe der Fotografie sei es, so beschreibt es Gerard, die Werte von Kultur darzustellen und somit ein kulturelles Gedächtnis zu schaffen. Brauchtum gehöre dazu. Doch beschreiben seine Bilder nicht allein die Bedeutung der Tradition in einer sich wandelnden Welt, sie legen Zeugnis davon ab, wie sie das soziale Miteinander stärkt. Das Buch feiert auf 260 Seiten die Gemeinschaft im kleinen Antdorf - und gewährt obendrein einen Blick hinter die Kulissen.

"Das Buch sollte kein Almanach werden, wo sich jeder erkennt und seine Eitelkeiten pflegen kann", sagt der 62-Jährige. Auf Text verzichtet er fast komplett. Die Bilder sprechen für sich. Gerard verfolgt mit seiner Kamera, wie beim Zeltaufbau die Arbeiten Hand in Hand gehen, er zeigt lachende Gesichter, das lebendige Treiben im Dorf, probende Plattler und tanzende Trachtler. Kuchenbäckerin und Toilettenfrau sind ihm ebenso eine Aufnahme wert wie Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger bei seinem Besuch der Festwoche. Junge Menschen, die feiern, tanzen und sich umarmen, sind ebenfalls zu sehen. Diese Fotos könnten auch in einer Disco in Berlin, Hamburg oder München entstanden sein. "Es geht um Liebe, den Wunsch nach Nähe und Zärtlichkeit, egal wo", sagt Gerard.

30 Exemplare hat der Fotograf vorerst drucken lassen. Bei Bedarf können Exemplare nachbestellt werden. Seine Bilder, die von der Agentur Mauritius Images vertrieben werden, hat er auch zu einem zehnminütigen Video zusammengestellt, das auf Youtube (Stichwörter: Antdorf, Heimatwoche und Ralf Gerard) zu sehen ist. "Ich bin unbedarft hingegangen. Zurück gekommen bin ich nach zehn Tagen mit einer Essenz gelebten Brauchtums, das so wichtig ist in unserer Zeit", sagt Gerard.

Erhältlich ist das Buch "Heimatwoche" (22 Euro) beim Getränkemarkt Steinhauser in Antdorf sowie bei Ralf Gerard unter Telefon 0175/560 50 31 oder E-Mail: info@gerardfotos.de

© SZ vom 16.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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