Flüchtlinge in Betrieben:Das Misstrauen überwinden

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Die ersten Erfahrungen der Unternehmen sind gut, wie der erste Infoabend des Tölzer Pilotprojekts zeigt. Allerdings fallen die Reaktionen von Kollegen und Kundschaft zwiespältig aus.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Leonhard Haas musste vermitteln. Als er vor zwei Jahren den Ghanaer Kofi Prince Eshun in seine Tölzer Heizungsfirma holte, war die Stammbelegschaft skeptisch. Die besteht aus gestandenen Handwerkern, die an ihrem Arbeitsplatz noch nie mit einem dunkelhäutigen Kollegen zu tun hatten. Der Firmenchef bekam Bemerkungen zu hören wie "Der ko ja koa Deutsch" oder auch "Wie soll ich denn mit dem umgehen?" Zwiespältig waren auch die Reaktionen seiner Kundschaft. Die einen riefen erbost an, "den Schwarzen braucht's uns nimmer schicken", andere reagierten begeistert: "Es ist gut, was ihr macht." Haas selbst hat die Anstellung von Kofi Prince Eshun nicht bereut. Allerdings erfordere ein solcher Schritt viel Zeit und Geduld von allen, betont er. Zu einem Unternehmer gehöre es jedoch dazu, "dass er seine Mitarbeiter am Krawattl packt und ihnen sagt, überwindet euer Misstrauen."

Mit dem Pilotprojekt "Arbeit für Flüchtlinge" will Bad Tölz den nächsten Schritt in der Aufnahme der Asylbewerber gehen. Ihre Unterbringung und Versorgung habe in Tölz gut funktioniert, nun gehe es darum, sie zu integrieren, sagte der kommunale Sozialplaner Armin Ebersberger beim Info-Abend am Dienstag im "WeltRaum". Ein wichtiger Baustein sei dabei ein Job. Bad Tölz will dazu ein Netzwerk knüpfen. Das sieht vor, die Firmen, die es mit einem Flüchtling probieren wollen, nicht alleine zu lassen, sondern sie in einen Kreis von Helfern einzubetten. Mit im Boot sind die Tölzer Coaches, die sich seit zehn Jahren im Jugendliche kümmern, die nur schwer den Einstieg in einen Beruf finden. Mit ihrer Erfahrung wüssten sie, was ein Unternehmer brauche und könnten "eine Verbindungsklammer schaffen", so Eberberger. Ebenfalls dabei sind Jobcenter und Agentur für Arbeit, die passende Arbeits- und Vertragsmodelle finden können. Und schließlich gehört das Mehrgenerationenhaus des Roten Kreuzes dazu, an dem die ehrenamtlichen Asyl-Helfer angedockt sind. Kaum jemand kennt wie sie die einzelnen Flüchtlinge in Bad Tölz, ihre Ausbildung, ihre Fähigkeiten, ihren Charakter.

Dem Mehrgenerationenhaus fällt deshalb die Aufgabe zu, eine Vorauswahl unter den Schutzsuchenden zu treffen, die über Jobcenter oder Arbeitsagentur an Firmen vermittelt werden sollen. Geplant ist vorerst, fünf Unternehmen und fünf Asylbewerber für sechs Monate auf Probe zusammenzubringen. Die Stadt selbst sei bei dem Projekt "kein Hauptakteur, eher in der Rolle eines Impulsgebers",sagte Initiator und Citymanager Falko Wiesenhütter.

25 Unruheständler, die aus der Wirtschaft kommen, zählen zu den Tölzer Coaches, etwa 15 davon sind aktiv. "Wir sind gerne bereit, als Intermediator zu arbeiten", sagte Gerd-Christian Angele. Das sei ein Job, der Spaß mache - weil man jungen Ausländern, die sehr willig sind, dabei helfe, im deutschen Kulturkreis Fuß zu fassen. Rita Knollmann verwies auf das Knowhow der ehrenamtlichen Kräfte. "Dieses Wissen über den einzelnen Flüchtling hat sonst niemand", betonte die Leiterin des Mehrgenerationenhauses. Außerdem könne man den Coaches die administrative Arbeit abnehmen wie das Ausfüllen von Anträgen oder das Schreiben eines Lebenslaufs. Aus Fördermitteln hat Knollmann eine Sechs-Stunden-Stelle geschaffen und mit einer Juristin besetzt, die sich das neue Integrationsgesetz eingearbeitet hat.

An der Berufsschule gibt es derzeit sieben reine Asylbewerberklassen, zwei sollen demnächst noch hinzukommen. Rektor Josef Bichler sieht Hilfebedarf im dualen Ausbildungssystem. Ein nicht unerheblicher Teil der Flüchtlinge an seiner Schule seien Analphabeten, auch in ihrer eigenen Sprache, nur etwa 20 Prozent seien firm in den Grundrechenarten. Selbst wenn ein Schüler leidlich Deutsch spreche, habe er Probleme, wenn er ein Fachbuch über Elektrotechnik lesen müsse. Berufsgebundene Sprachkurse gibt es momentan allerdings kaum. "Die sind dünn gesät", sagte Andreas Baumann, Leiter des Jobcenters.

Bürgermeister Josef Janker (CSU) rief die Unternehmer in Bad Tölz eindringlich dazu auf, sich an dem Pilotprojekt zu beteiligen. Angesichts der Hilfe in dem Netzwerk sei das für sie "eine große Chance", sagte er. Alle müssten an einem Strang ziehen, "damit wir über Arbeit die Integration unserer neuen Tölzer Bürgerinnen und Bürger lösen". Obwohl Wiesenhütter mehr als 100 Unternehmen aus Tölz und der Region schriftlich eingeladen hatte, waren kaum mehr als eine Handvoll Firmenchefs zu dem Info-Abend gekommen. Das sei natürlich ein wenig enttäuschend, sagte der Citymanager.

Vorwiegend gute Erfahrungen hat Leiterin Bettina Emmrich mit Flüchtlingen aus Tansania, Syrien und Pakistan gemacht, die im Alten- und Pflegeheim Josefstift den Bundesfreiwilligendienst absolvierten. "Alle waren sehr pünktlich, sehr akkurat, auch in ihrem Erscheinungsbild", sagte sie. Vor fünf Jahren schon hatte Leo Büttner in der Bäckerei Hegmann-Büttner einen Äthiopier beschäftigt, derzeit arbeiten zwei Syrer und ein Eritreer bei ihm. Er lobte den Kontakt zur Arbeitsagentur, "das sind gute Leute, mit denen man reden kann". Die Beschäftigung von Flüchtlingen sei anfangs mit Aufwand verbunden, vor allem der Sprache wegen, erzählte Büttner. "Man sagt ihnen, geh' mal vor und hol die Butter aus dem Kühlschrank - aber was bedeutet vor, was bedeutet Butter, was bedeutet Kühlschrank?" Alle hätten bei ihm schnell Deutsch lernen müssen. Und das auch sehr schnell geschafft.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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