Erinnerungskultur:Ein Zeichen für Frieden und Versöhnung

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1945 wurden Opfer des Todesmarsches an der nördlichen Mauer des Friedhofs um die Degerndorfer Pfarrkirche bestattet. (Foto: Manfred Neubauer)

Auf dem Degerndorfer Friedhof wurden vor 77 Jahren KZ-Häftlinge begraben, von Ende April an erinnern eine Informationstafel und ein Gedenkstein daran.

Von Benjamin Engel, Münsing

Wie schnell das Grauen des Krieges nach Europa kommen würde, mochte sich wohl niemand vorstellen, als sich die Pläne für einen Gedenkstein zum früheren KZ-Massengrab in Degerndorf konkretisierten. Dieser soll am 29. April offiziell übergeben werden - genau 77 Jahre nach den schrecklichen Geschehnissen des sogenannten Todesmarsches. Damals trieb die SS in der Endphase der Nazi-Diktatur mehr als 10 000 Häftlinge vom Konzentrationslager Dachau Richtung Süden. Der Zug campierte im Wald bei Achmühle (heute Eurasburg; früher selbständige Gemeinde Degerndorf). 68 Menschen kamen ums Leben, 28 davon wurden am Degerndorfer Friedhof begraben. Das Massengrab wurde 1960 aufgelöst und die Leichname wurden zum KZ-Ehrenfriedhof in Dachau am Leitenberg überführt.

"Es ist uns wichtig, an dieses Schicksal zu erinnern und der Mahnung sowie dem würdevollen Gedenken einen dauerhaften Platz zu geben", sagt der Münsinger Bürgermeister Michael Grasl (FW). In Gemeinden an der Strecke des Todesmarsches stehen heute 22 von dem Pullacher Bildhauer Hubertus von Pilgrim gestaltete Mahnmale. Dafür begann die Initiative in den 1980er-Jahren. Damals beteiligte sich Münsing nicht. Laut Sitzungsprotokoll von Februar 1988 herrschte im Gemeinderat die Meinung vor, dass der Todesmarsch die Kommune kaum tangiert habe. Münsing zahlte allerdings 3000 Mark, um die Kosten für das Wolfratshauser Mahnmal mitzutragen.

Nun soll eine Informationstafel am Haupteingang zum Degerndorfer Friedhof an der Pfarrkirche das einstige Geschehen anschaulich machen. Die Gemeinde will den Gedenkstein direkt an der Stelle des früheren Massengrabs aufstellen. So soll die Geschichte des Todesmarsches in unmittelbarer Umgebung für heutige und nachfolgende Generationen nachvollziehbar werden, so Grasl. Gleichzeitig stelle die Kommune eine Verbindung zu den Todesmarsch-Mahnmalen in Wolfratshausen und Eurasburg her. Vor dem aktuellen Hintergrund des Ukraine-Krieges, Fluchterfahrungen und auseinandergerissenen Familien solle hiermit auch ein Zeichen für Frieden und Versöhnung gesetzt werden.

Für die Pläne zum Gedenkstein und der Informationstafel hat die Kommune mit dem Eurasburger Filmemacher Max Kronawitter zusammengearbeitet. Der Kontakt war durch dessen Dokumentation zum Todesmarsch " Als das Grauen vor die Haustür kam" zustande gekommen. Darin berichtet der inzwischen verstorbene Bolzwanger Moritz Sappl, wie noch jahrelang Teile von Kochgeschirr, Gasmasken oder Schuhen bei Waldarbeiten nahe Achmühle (das heute zu Eurasburg zählende Gebiet war früher Teil von Degerndorf, das später in der Großgemeinde Münsing aufging) zutage traten. Sappls gleichnamiger Vater musste 1945 zusammen mit anderen Degerndorfer Bauern die Leichname der getöteten KZ-Häftlinge mit dem Pferdefuhrwerk abtransportieren.

Die Kommune hat die Pläne zum Gedenken an das einstige Grauen mit der Kirchenverwaltung abgestimmt. Involviert war zudem der Ammerlander Gemeinderat und Bildhauer Ernst Grünwald (Wählergruppe Ammerland). Aus Pietät habe sich die Kommune bewusst dafür entschieden, direkt am Friedhof nur den Gedenkstein aufzustellen und die Informationstafel davon zu trennen, sagt er.

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