Wohnen im Alter:WG statt Seniorenheim

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Die Bewohnerin einer WG für Menschen mit demenzieller Erkrankung hilft in der Küche mit. (Foto: Leonhard Simon)

Viele Menschen machen sich erst Gedanken, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Welche altersgerechten Wohnmodelle es gibt - und warum ein selbstbestimmtes Leben nicht nur in den eigenen vier Wänden möglich ist.

Von Celine Chorus, Wolfratshausen

Über die Frage, wie sie im Alter leben wollen, machen sich zu viele Menschen erst Gedanken, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Darin sind sich die 15 Teilnehmenden, die zur Veranstaltung "Wohnen 60+" des Grünen-Ortsverbands ins Wolfratshauser Landhaus gekommen waren, nach dem Vortrag von Innenarchitektin Susanne Moog einig. Die Beraterin der Bayerischen Architektenkammer hat dort rund eineinhalb Stunden über Alternativen zum Seniorenheim informiert.

Indem die geburtenstarken Jahrgänge in die Städte ziehen, wird der Bedarf an Wohnraum laut Moog auf dem Land abnehmen. Zudem sind heute schon über 25 Prozent in der Gesamtbevölkerung kinderlos, wodurch sich ältere Menschen Unterstützung von außen holen müssen. "Wir müssen uns also überlegen, wie wir in Zukunft anders leben können", erklärte Moog und zeigte verschiedene Beispiele in der Region, wie zukunftsorientiertes Wohnen funktionieren kann.

In vielen Einfamilienhäusern sei die Barrierefreiheit nicht gegeben und Umbauten meist sehr aufwendig oder gar unmöglich, sagte sie. Auf Barrierefreiheit sollte also nicht erst geachtet werden, wenn man 60+ ist, sondern schon beim Bau eines Einfamilienhauses. Damit Menschen bis an ihr Lebensende dort wohnen bleiben können, so Moog. "Und wenn man vorher schon daran denkt, wird Barrierefreiheit auch günstiger."

2022 hatten viele Senioren mehr Wohnraum (durchschnittlich 67,5 Quadratmeter) zur Verfügung als die restliche Bevölkerung. "Die Lösung wäre, dass man solche Häuser irgendwann teilen kann." Dafür müssten entsprechende Pläne aber bereits in den Bebauungsplan aufgenommen werden. Als Beispiel nannte Moog ein Einfamilienhaus - keine Stufen, keine Schwellen und mit einer vorgerüsteten Treppe für den Treppenlift -, in das eine separat erschlossene Einliegerwohnung für Pflegekräfte gebaut wird.

Wenn ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden nicht möglich ist, können Wohngemeinschaften, vor allem für alleinstehende Senioren, eine Lösung sein. So ist zum Beispiel in Schleching schon zu beobachten, was in einigen Jahren wohl in allen Gemeinden der Fall sein wird: Dort liegt der Anteil der Senioren ab 65 Jahren bei knapp 30 Prozent. Das hat die Gemeinde zum Anlass genommen, ein soziales Netzwerk zu gründen, um für eine lebendige Dorfgemeinschaft zu sorgen.

Beim Info-Abend des Grünen-Ortsverbands berichtete Innenarchitektin Susanne Moog über altersgerechte Wohnmodelle. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In diesem Rahmen sind fünf barrierefreie Wohnungen für Senioren entstanden. Jedes Zimmer hat ein eigenes Bad, die Küche und das Wohnzimmer werden gemeinschaftlich genutzt. Da die Wohngemeinschaft zudem über einem Dorfladen gelegen ist und auch Bank, (Zahn-)Arzt und Friseur in unmittelbarer Nähe liegen, bewahren die Senioren ihre Selbständigkeit - und haben gleichzeitig eine gute Versicherung gegen Einsamkeit im Alter.

Sich gegenseitig helfen und unterstützen, das ist auch das Credo von Hausgemeinschaften wie dem Pallaufhof in Münsing. Dort haben sich nach einer Änderung im Bebauungsplan 24 Parteien zum Mehrgenerationenwohnen zusammengetan. Entstanden sind zwei "Einfirsthöfe" mit acht Hauseinheiten und 16 Wohnungen unterschiedlichster Größe. Im Vergleich zu Einfamilienhäusern sei dafür aber nur ein Drittel des Nettobaulands benötigt worden, berichtete Moog. Zudem hätten sich die Käufer auf Gemeinsamkeiten wie gerade Treppen und einheitliche Materialien geeinigt: "Man hat also viel Fläche gespart, aber auch viel Fläche gewonnen."

Auch am Klosteranger in Weyarn leben Menschen unterschiedlicher Genera­tionen zusammen. Dort wurden bis 2020 insgesamt 45 Doppel- und Reihenhäuser gebaut, von denen fünf als Mehrgenerationenhäuser gedacht sind. Eine ebenerdige Tiefgarage ermöglicht, dass in der Halle auch Feste gefeiert werden können, wenn die Autos rausgefahren werden. Zwar handele es sich beim Klosteranger nicht um ein soziales Projekt, betonte Moog. Aber: "Daran sieht man, was möglich ist, wenn alles aus einem Guss kommt."

Als letztes Beispiel hatte die Innenarchitektin das genossenschaftliche Wohnen "Am Kreuzfeld" in Dietramszell mitgebracht. Dort wohnen die Senioren in acht Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen, zudem gibt es jeweils neun Zimmer in einer räumlich abgetrennten Pflege-WG und einer Demenz-WG. Der Unterschied zu einem Pflegeheim oder einer normalen Wohngemeinschaft für ältere Personen? Die Bewohner können selbst über alle Belange ihres Lebens entscheiden, aber Pflegekräfte sind rund um die Uhr vor Ort. Ein Gemeinschaftsraum und gemeinsame Gartenflächen sorgen dafür, dass zwischen den Bewohnern trotzdem ein enger Kontakt entsteht. "Man muss viel Arbeit hineinstecken", sagte Moog, "aber wird im Alter auch nicht vereinsamen."

Es ist dieser eine Satz, der sich durch ihren gesamten Vortrag zieht: "In der Gemeinschaft kann man sich helfen." Und dass es Zeit wird, sich nach alternativen Wohnmodellen im Alter umzusehen, zeigt auch noch eine andere Entwicklung. Wie Klaus Koch (Grüne) in der Eurasburger Bürgerversammlung erzählte, gab es im Jahr 2005 im Landkreis 2357 Menschen, die älter als 85 Jahre waren. Für 2040 ist mit 6302 Personen zu rechnen.

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