Prozess am Landgericht München II:Krebstherapie ging ins Auge

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Penzberger Instrumentenbauer verklagt seinen Arzt, weil er nach einer Hautbehandlung monatelang kaum sehen konnte.

Von Benjamin Engel, Penzberg/München

Am Vortag hatte ein Penzberger Instrumentenbauer seine Keratosen - Frühformen des weißen Hautkrebs - an Stirn, Schläfe und Nase behandeln lassen. In der anschließenden Juninacht vor fünf Jahren wachte er mit extremen Schweißausbrüchen auf. Die Haut juckte so stark, dass er sich am liebsten "den Skalp hätte abziehen wollen". Am nächsten Tag habe er nichts mehr gesehen, berichtete der 70-Jährige in einem Zivilverfahren am Landgericht München II. Dort hatte er den behandelnden Arzt auf Schadenersatz verklagt. Der Mediziner hatte die Krebsfrühformen mit Stickstoff vereist und die pflanzliche Wirkstofflösung Podophyllin angewendet. Die Mischung aus Harzen wirkt giftig, soll die geschädigten Hautzellen abtöten.

Nach der Behandlung muss der Pflanzenwirkstoff ins Auge gekommen sein und dort die Hornhaut angegriffen haben. Wie der Instrumentenbauer nach der Verhandlung berichtete, habe er von der Podophyllin-Anwendung nichts gewusst. Drei bis vier Monate nach der Therapie habe er nicht arbeiten können. Aufträge seien weggebrochen. Alle zwei Wochen sei er beim Arzt gewesen, weil sich die Sehstärke ständig änderte. Erst 2014 habe sich alles wieder halbwegs normalisiert. Mittlerweile könne er wieder arbeiten. "Ich brauche aber für jede Entfernung eine andere Brille", schilderte der Penzberger.

Der Mann hatte sich schon jahrelang von demselben Arzt behandeln lassen. In den Leitlinien zur Therapie von Keratosen taucht Podophyllin nicht auf. Wie eine Sachverständige erklärte, liege das nicht daran, dass das Mittel nicht wirke. Es sei auch nicht verboten, es anzuwenden. Vielmehr gebe es für diese pflanzliche Substanz keine evidenzbasierten Studien. Allerdings sei der Patient in diesem Fall jahrelang erfolgreich damit behandelt worden. "Als Sachverständige und auch als Therapeutin würde ich den Grundsatz anwenden, never change a winning team", sagte die Dermatologin. Ein bereits bewährtes Behandlungskonzept ändere niemand ohne Not. Für die Schleimhäute oder auch die Hornhaut der Augen sei das angewandte Mittel schädlich. Während der Behandlung müssten gefährdete Hautstellen mit der Hand abgedeckt werden. Komme die Substanz mit Flüssigkeiten wie Wasser oder Schweiß in Kontakt, könne sich diese weiter verteilen. Aus Sicht der Sachverständigen zählte die Behandlung mit dem pflanzlichen Wirkstoff 2013 nicht mehr zum Standard.

Das Urteil steht noch aus. Der Penzberger lehnte einen Vergleich ab. Er fordert laut seinem Verteidiger 15 000 Euro Schmerzensgeld, rund 12 000 Euro Schadenersatz für die Brillengläser sowie 56 000 Euro Verdienstausfall, weil er drei bis vier Monate lang überhaupt nicht mehr habe arbeiten können.

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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