Penzberger Fraktion halbiert sich:CSU in Scherben

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Jack Eberl, Michael Kühberger und André Anderl (von links) bilden die neue Freie Fraktion im Penzberger Stadtrat. (Foto: Manfred Neubauer)

Nicht einmal Minister und Kreischef Alexander Dobrindt konnte helfen: Drei führende Stadträte verlassen die Partei im Streit mit Ortschef Nick Lisson. Sie wollen wieder Spaß an der Politik - und neue Themen setzen.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Gemeinsam Politik für Penzberg zu machen, das wird es mit ihnen nicht mehr geben. Zu groß ist die Kluft zwischen dem CSU-Ortsverband unter der Leitung von Nick Lisson und den Stadträten André Anderl, Jack Eberl und Michael Kühberger. Sie haben die Konsequenz gezogen und die CSU verlassen. Als Freie Fraktion sitzen die drei künftig im Penzberger Stadtrat. Dort wollen Kühberger, Eberl und Anderl Akzente setzen und Themen voranbringen. Das sei bislang mit der in sich gespaltenen CSU-Fraktion nicht möglich gewesen, sagt Anderl.

Für die Bürger da sein, zu ihrem Wohl Politik machen - das möchten die drei Stadträte. In der CSU-Fraktion habe es selten Einigkeit bei Themen gegeben, die zur Abstimmung standen. Anderl, 47 Jahre, nennt etwa die Gebühren, die Laden- und Gaststättenbesitzer für die Nutzung des öffentlichen Raums in der Innenstadt zahlen sollen. "Ich möchte die Geschäftsleute in der Innenstadt nicht belasten. Vielmehr sollten Existenzgründer unterstützt werden, wie das in Ingolstadt etwa geschieht", betont der frühere CSU-Fraktionssprecher. Eine klare Absage erteilt die Freie Fraktion der Einführung der Straßenausbaubeitragssatzung. "Die wird es mit uns nicht geben", sagt der 54-jährige Kühberger. Ein weiterer wichtiger Punkt: Wir setzen uns dafür ein, dass Kindertagesstätten kostenlos genutzt werden können", sagt Anderl. Die Arbeit des Stadtrats hätte in jüngster Vergangenheit fast nur daraus bestanden, Gebühren zu erhöhen. Damit sei es nun genug, es geben Wichtigeres auf den Weg zu bringen, so den Abriss des Wellenbads und den Bau eines neuen Schwimmbads: Anderl, Eberl und Kühberger plädieren dafür, den abgelehnten Bürgerentscheid doch zuzulassen. "Gebetsmühlenartig habe ich dafür geworden, die Penzberger dazu zu befragen", so Anderl.

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Kühberger, selbst Handwerker, treibt vor allem die Förderung kleiner und mittlerer Betriebe in der Stadt um. Sie bräuchten dringend Gewerbeflächen. Geholfen werde ihnen nicht, vielmehr brüskiere man sie, sagt er. Anderl ergänzt: "Das sind alles typische CSU-Themen. Nur eben nicht in Penzberg, nicht mit dieser Fraktion und diesem Ortsverband." Das sieht Eberl, 47 Jahre, ebenso: "Wir hinken den Themen immer hinterher, anstatt sie zu setzen." Damit soll Schluss sein.

Leicht sei ihnen die Entscheidung nicht gefallen. Vier Monate lang habe man sich Gedanken gemacht. "Wir haben nichts unversucht gelassen. Aber es gab keinerlei Zugeständnisse", sagt Eberl. Auch das Schlichtungstreffen mit Bundesverkehrsminister und CSU-Kreisvorsitzender Alexander Dobrindt im Juli konnte daran nichts ändern. Ein weiterer Termin Anfang September fand nicht statt. "Wir waren abwechselnd in Urlaub", so Anderl. "Es war unser Plan, dass bis zur September-Sitzung des Stadtrats eine Entscheidung fällt."

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In der Jahreshauptversammlung im Mai kam es zum Zerwürfnis mit Lisson, das in der erfolglosen Gegenkandidatur Kühbergers zum Ortsvorsitzenden mündete. Kühberger nahm seine Niederlage hin und gratulierte dem Sieger. Lisson indes kündigte an, diesen "Putsch" nicht so schnell zu vergessen. Seitdem herrscht Funkstille. Inzwischen sollen mehr als 30 Mitglieder aus Unzufriedenheit aus dem Ortsverband ausgetreten sein.

Nick Lisson hat den Austritt des Trios auf der Homepage des Ortsverbands kommentiert. Er betont, man habe Kühberger die Funktion des Ortsgeschäftsführers angeboten, die er nicht annahm. "Dies wäre eine hervorragende Position gewesen, die angekündigten Impulse zur politischen Arbeit in Penzberg einzubringen und voranzutreiben." Auch Jack Eberl habe man integrieren wollen. Anders bei Anderl: "Zu tief war das Zerwürfnis mit der Basis . . . Hier konnte man sich keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr für die Zukunft vorstellen."

Kühberger, Anderl und Eberl blicken jetzt nach vorne. Sie wollen politische Arbeit machen ohne Geplänkel und Streitereien. Kommunalpolitik, sind sie sich einig, sei nicht in erster Linie Parteipolitik. Mehrheiten werden sich in Zukunft finden. "Die kommenden zweieinhalb Jahre sollen wieder Spaß machen", sagt Anderl. Wie es nach der nächsten Kommunalwahl weitergehen werde, müsse man abwarten. Sollte die CSU rufen, werde man gerne folgen. "Aber nicht mit diesem Ortsverband und seiner Führung", betont Kühberger.

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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