NS-Vergangenheit im Oberland:Stelen der Aufklärung

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Die Verbindungen zum umstrittenen Reichspräsidenten Hindenburg haben in der Gemeinde zu großen Verwerfungen geführt. Nach Jahren des Streits wird nun ein Geschichtspfad konkret, der das dunkle Kapitel aufarbeitet.

Von Petra Schneider, Dietramszell

Der Geschichtspfad auf der Angerwiese in Dietramszell nimmt konkrete Formen an. Die Idee wurde bereits vor zwei Jahren im Gemeinderat vorgestellt. Am damaligen Konzept hat sich nichts geändert, aber nun sind die Infotexte fertig, die der "Arbeitskreis Geschichte" erarbeitet hat. Der Person Hindenburg wird auf dem Geschichtspfad ein Schwerpunkt eingeräumt: Drei der insgesamt zehn Infotafeln beschäftigen sich mit dem umstrittenen Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten, der zehn Jahre seine Jagdurlaube in der Gemeinde verbracht hatte. Seit fast acht Jahren laviert die Gemeinde nun schon an einem angemessenen Umgang mit dem historischen Erbe herum; mit dem nun vorgestellten Konzept und seiner Umsetzung, die laut Bürgermeister Josef Hauser (FW) voraussichtlich 2023 erfolgt, könnte die Geschichte endlich einen Abschluss finden. Die Texte, die den Gemeinderäten im Vorfeld zugegangen waren, wurden am Dienstag einstimmig gebilligt. Auch auf eine Gestaltung der zehn Stelen hat man sich geeinigt.

Die ehrenamtliche Arbeitsgruppe "Geschichte" unter dem Dach des Kulturvereins hat, unter Federführung des Dietramszeller Historikers Michael Holzmann, die Texte erarbeitet, die in Zeitabschnitte und Themen gegliedert wurden: Vor- und Frühgeschichte, Klostergründung, das Kloster als Grundherr, Dreißigjähriger Krieg, Pest und Sendlinger Mordweihnacht, Säkularisation, vom Klosterdorf zur politischen Bürgergemeinde, das 20. Jahrhundert, Hindenburg und die Politik, Hindenburg und Dietramszell, Hindenburg nach 1945. Der historische Rundgang schließt mit der Gemeindegebietsreform 1972. Außerdem gibt es ein allgemeines Kapitel "Dietramszell - ein besonderer Ort".

Dass die Erarbeitung so lange gedauert hat, begründete Holzmann damit, dass sich die Arbeitsgruppe in ihrer aktuellen Besetzung erst im Juni 2020 konstituiert habe. Verzögerungen habe es bei den Hindenburg-Texten gegeben. Denn unmittelbar nach der Aktion von Wolfram Kastner, der die Hindenburg-Bronze 2014 von der Klostermauer abgeschraubt hatte, wurde ein Arbeitskreis gegründet. Bereits damals seien Texte verfasst worden, die in der neuen Arbeitsgruppe aber zunächst abgestimmt werden mussten.

Es sei nicht einfach gewesen, die vielen Informationen rund um die Dietramszeller Geschichte auf jeweils eine Seite zu komprimieren, sagte der promovierte Historiker. Man habe sich auf den Infotafeln aber kurz fassen wollen. Ausführlichere Texte zu den einzelnen Themenbereichen sollen auf der Homepage der Gemeinde verlinkt werden.

Dass das Thema Hindenburg als einziges auf drei Seiten behandelt werde, zeige, "dass wir einen besonderen Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert und die Person Hindenburg gelegt haben", erklärte Holzmann. Ob das gerechtfertigt sei, wo sich dieser doch gar nicht so oft in Dietramszell aufgehalten habe, fragte Thomas Bachmeier (CSU). Genau dieses Thema habe in der Gemeinde aber zu "großen Verwerfungen" geführt, erklärte Holzmann. Dem habe man Rechnung tragen wollen. Bachmeier regte an, dass auch Ausnahmesportler aus der Gemeinde, wie die Biathlon-Olympiasiegerin Uschi Disl, erwähnt werden. Ludwig Gröbmaier (CSU) wollte das Thema "Gemeindegebietsreform" etwas ausführlicher behandelt wissen. Holzmann versprach, beide Anregungen aufzunehmen. Bezüglich der Gestaltung entschieden sich die Gemeinderäte einmütig für eine Variante, die in Benediktbeuern beim "Benediktusweg" umgesetzt wurde. Dabei sind die Infotexte auf dicken Holzbrettern angebracht, die auf Metallgestelle geschraubt sind. Die Variante mit Holz stelle einen Bezug zu Dietramszell als "waldreicher Gegend" her, sagte Holzmann. Zudem biete sie die Möglichkeit, Texte auf den Holzträgern zu ergänzen oder zu verändern, ohne gleich die ganze Stele entfernen zu müssen. Und nicht zuletzt seien die Kosten gering: Wie eine Nachfrage in Benediktbeuern ergeben habe, lägen sie inklusive der Gestaltung durch einen Grafiker "deutlich unter 10 000 Euro", wie Hauser erklärte.

Wie groß die Tafeln ausfallen werden, sei noch nicht geklärt. Ebenso offen sei auch deren genaue Anordnung auf der Angerwiese.

© SZ vom 09.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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