Industriebrache in Bad Tölz:Feilen an neuem Werksviertel

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Aus dem ehemaligen Gelände der Firma Moralt in Bad Tölz soll ein Werksviertel werden, ähnlich wie in München. Geplant sind unter anderem Wohnungen für 1000 Menschen. (Foto: denkmalneu/oh)

Beim Info-Abend der Grünen zur Entwicklung des Moralt-Areals treffen unterschiedliche Auffassungen aufeinander, wie dort preisgünstige Wohnungen geschaffen werden sollen.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

In Bad Tölz ist der Wohnungsmarkt nicht minder aus den Fugen geraten als in anderen Kommunen südlich von München. Kaum verwunderlich also, dass sich die etwa 100 Teilnehmenden am Stadtteilspaziergang über das brach liegende Moralt-Gelände schon vor mehr als einem Jahr vornehmlich eines wünschten: preisgünstige Domizile. Solche Wohnungen sollen dort nun auch entstehen, nebst Gewerbe, Gastronomie, Plätzen, Wegen, Spielplätzen und Kita. "Letztlich geht es aber um die Frage des Wie", sagte Andreas Wild, Kreissprecher der Grünen, beim Info-Abend des Tölzer Ortsverbands zum Thema "Bezahlbares Wohnen im Moralt-Areal" am Mittwoch im Gasthaus Kolberbräu.

Das Wie hat der Stadtrat bereits umrissen, als er Ende 2023 die Eckpunkte eines städtebaulichen Vertrags mit den Grundstückseigentümern um Hans Wehrmann beschloss. Zu den Vorgaben zählen: Wohnraum für etwa 1000 Einwohner; mindestens 20 Prozent preisgebundenes Wohnen (Miete oder Kauf); der Rest kommt zwar auf den freien Markt, angestrebt ist jedoch, dass dort bestimmte Zielgruppen unterkommen sollen - vor allem Leute, die in dem neuen Stadtquartier ihren Arbeitsplatz haben. Die Grünen pochen indes auf die Richtlinien der ZoBoN, die 2016 vom Stadtrat abgesegnet wurde. Die "Zukunftsorientierte Bodennutzung" regelt vor allem, dass ein Grundeigentümer bei einem Bauvorhaben ein Drittel des Areals zum Grünlandpreis an die Stadt verkaufen muss, damit sie dort sozialen Wohnungsbau betreiben kann.

Gemeinsames Projekt: Beim Info-Abend der Tölzer Grünen referierten Thomas Scherer (li.), Geschäftsführer der denkmalneu GmbH, und Bürgermeister Ingo Mehner. (Foto: Manfred Neubauer)

Das wäre Projektentwickler Thomas Scherer von der "denkmalneu GmbH" eigentlich am liebsten. Die Stadt säße dann finanziell mit im Boot, wenn es um den Bau einer neuen Kindertagesstätte geht, um die Kosten für Erschließungsanlagen, Spielplätze, Gutachten, Ausgleichsflächen, den geplanten Ortsteiltreff. Oder auch um mögliche Altlasten im Boden der Industriebrache. Nach dem städtebaulichen Vertrag, der Mitte des Jahres unterzeichnet werden soll, bleibt all dies jedoch die Aufgabe der Eigentümer. Wichtig sei, "dass auf den Flächen etwas Sinnvolles entsteht und dass wir keine Folgekosten haben", sagte Bürgermeister Ingo Mehner (CSU). "Wir bauen selber nichts." Scherer rechnete vor, dass zwischen 20 Prozent preisgebundenem Wohnen und einem Drittel der Fläche für die Stadt eben 13 Prozent liegen. Nach dem Bodenrichtwert erhielte Bad Tölz dafür um die 3,5 Millionen Euro, die mit dem Bau einer neuen Kita vermutlich schon aufgebraucht wären.

Mitarbeiterwohnungen sind für Bürgermeister Mehner "ein wesentlicher Schlüssel"

Für Mehner kommt es darauf an, dass auf dem Moralt-Gelände der richtige Wohnraum entsteht. "Ein wesentlicher Schlüssel" seien dabei Mitarbeiterwohnungen, sagte er. Gerade wegen des Fachkräftemangels. Dies bedeute auch für diese Mieter billigeres Wohnen, spare wegen der Nähe zum Arbeitsplatz zudem Kosten und CO₂-Emissionen. "Ganz allgemein kann man sagen, dass der Stadtrat nicht 30, 50 oder 60 Prozent gebundenes Wohnen fordert, sondern 100 Prozent."

Die Leitlinien der "Zukunftsorientierten Bodennutzung" (ZoBoN) erläuterte der ehemalige Grünen-Stadtrat Franz Mayer-Schwendner. (Foto: Manfred Neubauer)

So einfach ist das für Franz Mayer-Schwendner nicht. "Zielgruppen festzulegen, ist schwer zu greifen", sagte der ehemalige Grünen-Stadtrat. An den Beispielen der "Sozialorientierten Bodennutzung" (SoBoN) in München, Holzkirchen und Penzberg erläuterte er, dass dort der Anteil an preisgebundenem Wohnen weit höher sei, der Investor aber gleichwohl alle Kosten für soziale, technische und grüne Infrastruktur übernehme. Die Tölzer ZoBoN stelle "keine höheren Anforderungen an ihn als vergleichbare Richtlinien in anderen Städten", sagte Mayer-Schwendner. Als Alternative zur Ein-Drittel-Regelung wäre ein finanzieller Ausgleich in Höhe des anteiligen Planungsgewinns möglich. Damit könnte ein Projekt wie "Haus im Leben" finanziert werden. Der Investor übergebe dabei bezugsfertige Wohnungen an die Stadt, die dann die Mieter auswähle, Junge und Alte, Singles und Familien, Arme und Bessergestellte.

Das Hauptziel auf dem Moralt-Areal besteht für Scherer darin, aus Altem und Neuem ein Werksviertel zu schaffen. Dies sei eine gemeinsame Aufgabe von Stadt, Bürgern und Eigentümern. Von den insgesamt neun Hektar Fläche gehören 6,5 der Stadt Bad Tölz, der Rest der Nachbargemeinde Gaißach. 41 000 Quadratmeter Gewerbefläche, 3000 Quadratmeter Veranstaltungsfläche, vier Plätze, 5000 Quadratmeter Rad- und Wegenetz, eine Kita, preisgebundene Wohnungen, zukunftsorientiertes Bauen in Holzmodulweise gelte es unter anderem wirtschaftlich umzusetzen, sagte Scherer. Als Beispiel zeigte er die Visualisierung eines Stadtplatzes, der in Form einer geschwungenen Rampe im Norden des Moral-Areals fast über die Isar ragt.

Circa 80 Zuhörerinnen und Zuhörer waren zum Informationsabend der Tölzer Grünen in den Gasthof Kolberbräu gekommen. (Foto: Manfred Neubauer)

Unter den etwa 80 Zuhörenden meldete sich auch Architekt Uwe Mertens zu Wort. In der aktuellen Krise der Baubranche sei das Risiko bei diesem Projekt "verdammt groß", sagte er. Vor dieser Kulisse "nicht irgendwelche Schuhschachteln" zu bauen, Gewerbe und bezahlbaren Wohnraum anzusiedeln, nötige ihm "alle Achtung" ab. Die Frage von Jürgen Reif, ob die neue Wärmeenergiezentrale am Feuerwehrhaus reiche, um das Werksviertel zu versorgen, bejahte Scherer. Tobias Fuhrmann lobte die konstruktive Atmosphäre des Info-Abends. Auf dem Moralt-Areal gebe es "auf jeden Fall eine dramatische Verbesserung, als wenn die Fläche weiter so bleibt", sagte er.

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Von Alexandra Vecchiato

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