Abschied vom Maximilianeum:"Ich kann mir ein Leben ohne Politik vorstellen"

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"Gesundheitliche Einschläge" haben Martin Bachhuber veranlasst, nicht mehr für den Landtag zu kandidieren. (Foto: Manfred Neubauer)

Martin Bachhuber hat sich bewusst dazu entschieden, nicht mehr CSU-Abgeordneter im bayerischen Landtag zu sein. Nun will er sich verstärkt um den Kreistag und seine sechs Enkel kümmern.

Von Alexandra Vecchiato, Bad Heilbrunn

Es heißt, Zufälle gebe es nicht. Vor Martin Bachhuber liegt ein DIN-A-4-Blatt, darauf aufgelistet sind Laufbahn, seine Ämter und Auszeichnungen. Er zeigt auf ein Datum: Am 8. Oktober 1973 begann er im Rathaus in Bad Heilbrunn zu arbeiten. 50 Jahre später, am 8. Oktober 2023, ist sein letzter Arbeitstag. Der langjährige CSU-Landtagsabgeordnete aus Bad Heilbrunn hatte sich entschieden, nicht erneut bei der Wahl anzutreten. "Für mich ist am 8. Oktober Schluss", sagt er, auch wenn er offiziell erst an diesem Wochenende sein Mandat beendet.

Es ist einer der letzten schönen Herbsttage in diesem Jahr. Bachhuber sitzt im schwarzen T-Shirt auf der Terrasse eines Cafes und rührt mit dem Löffel in seinem Cappuccino. 50 Jahre, ein halbes Jahrhundert - ein guter Zeitpunkt für ein Fazit. "Ich bereue nichts", sagt er. Vor etwa einem Jahr habe er sich entschieden, nicht mehr für den Landtag zu kandidieren. Die richtige Entscheidung, meint er. Man müsse Jüngeren Platz machen, das tue dem Stimmkreis gut. Er sei schließlich 68 Jahre alt, noch einmal eine Legislaturperiode und er würde 73 Lenze zählen. "Das braucht es wirklich nicht." Andere Leute seien in seinem Alter längst im Ruhestand. Es sei demnach ganz in seinem Sinne gewesen, dass Thomas Holz als Stimmkreis-Ageordneter der CSU ihm nachfolge.

Abschied ohne Reue: Nach 15 Jahren im Maximilianeum zieht sich Bachhuber aus der Landespolitik zurück. (Foto: Johannes Simon)

Seit Oktober 2008 kümmerte sich Bachhuber im Landtag um den Stimmkreis 111, der den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen und Teile des Landkreises Garmisch-Partenkirchen umfasst. Seine politische Laufbahn begann jedoch viel früher. Im Jahr 1974 wurde er Mitglied der CSU. Von 1984 bis 2008 war er Bürgermeister der Gemeinde Bad Heilbrunn. Seit 1990 bis heute sitzt er im Kreistag Bad Tölz-Wolfratshausen. Die Liste seiner diversen Ämter ist lang und füllt das gesamte Blatt. Knapp 40 000 Kilometer im Jahr sei er gefahren, seit er im Landtag sitzt: von Grainau nach Icking, von Mittenwald nach Lenggries. Der Stimmkreis sei "schon sehr groß", sagt Bachhuber. Es sei ihm stets ein Bedürfnis gewesen, möglichst überall präsent zu sein. Hinzu kamen noch die Plenarwochen im Maximilianeum mit Sitzungen von Dienstag bis Donnerstag. Klar, sagt er, dass das oft bis spät in die Nacht dauerte.

Sein politisches Engagement habe seiner Familie viel abverlangt. Seine Frau Sonja habe ihm aber zur Seite gestanden. "Ich hatte ein Massel, dass sie zu Hause war", sagt er. Seine drei Kinder - zwei Söhne und eine Tochter - hätten zu seinem 60. Geburtstag das Leben der Familie Bachhuber Revue passieren lassen. Oft sei ihr Vater nicht zu Hause gewesen, aber immer, wenn sie ihn gebraucht hätten, lautete ihr Fazit. Die Nähe seines Stimmkreisbüros in Bad Heilbrunn zu seinem Wohnhaus sei "auch ein Nachteil" gewesen, weil es ihn halt am Wochenende ebenfalls dorthin verschlagen habe. "Aber jetzt habe ich mein Büro zu Hause", sagt er. "Ich richte mir ein Archiv im Keller ein." Ein Landtagsabgeordneter dürfe seine Unterlagen nämlich nicht an seinen Nachfolger weitergeben, habe allerdings eine Aufbewahrungspflicht. "Mal sehen, wann ich das alles entgültig entsorge. Es war jedenfalls eine interessante Zeit." Dem Kreistag Bad Tölz-Wolfratshausen bleibt Bachhuber noch erhalten - zumindest bis zu den nächsten Kommunalwahlen.

Szenen eines Politikerlebens: Martin Bachhuber mit den Ministerpräsidenten Günther Beckstein beim Landtagswahlkampf 2008... (Foto: Manfred Neubauer)
...Horst Seehofer beim Starkbieranstich im Kloster Reutberg 2013... (Foto: Manfred Neubauer)
...und Markus Söder beim CSU-Neujahrsempfang 2023 in Tölz. Bachhubers nun gewählter Nachfolger Thomas Holz ist rechts zu sehen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

"Persönliche Einschläge" nennt er als Grund, warum er sich aus der Landespolitik zurückzog. 2012 war es, als ihm Ärzte in Großhadern eröffneten, er habe Lymphdrüsenkrebs. Das stellte sich zwar als Fehldiagnose heraus, aber Bachhuber hat Sarkoidose, eine entzüdnliche Erkrankung, die oftmals die Lunge befällt. Der größte Einschnitt war 2015 ein Herzinfarkt, den Bachhuber nur mit viel Glück überlebte. Neun Stents (medizinische Implantate) hat er inzwischen. "Ich fühle mich pudelwohl, es geht mir sehr gut", erklärt er, sagt aber auch: "Ich kann mir ein Leben außerhalb der Politik vorstellen." Und dieses Leben möchte Bachhuber genießen.

Das fängt zu Hause an. Der Bad Heilbrunner, geboren 1955 in Benediktbeuern, ist sechsfacher Großvater. "Ich kann bei meinen Enkeln wiedergutmachen, was ich bei meinen Kindern versäumt habe." Wandern in den Bergen, das hat er sich zudem fest vorgenommen. Und jene Freundschaften erneut zu reaktivieren, die er mit seinen Verpflichtungen nicht habe pflegen können. Dann wäre da noch König Fußball. Bachhuber ist eingefleischter 1860er-Fan. Aber so als "Löwe" hat man es ja nicht leicht. "Bisserl was zum Leiden brauch ich schon auch noch", scherzt er.

Martin Bachhuber mit Ilse Aigner bei der Nominierung des CSU-Bundetagskandidaten Alexander Radwan 2012 in Egling. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zwei Mal habe er Glück gehabt. "Ich konnte immer aktiv entscheiden, Ämter niederzulegen", sagt Bachhuber. Das erste Mal, als er sich dazu entschloss, als Landrat im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zu kandidieren. Als 52-Jähriger gab er sein Bürgermeisteramt auf. "Das war auch gut für die Gemeinde", betont er. "Ich wollte mich der Herausforderung stellen." Dass es seine "härteste Zeit" werden würde, hatte Bachhuber damals wohl nicht gedacht. Drei Buchstaben waren in aller Munde: DTK. Es ging um die Konversion der ehemaligen US-amerikanischen Kaserne in Bad Tölz. Unter Altlandrat Manfred Nagler (CSU) war die Liegenschaft erworben und in ein Behördenzentrum umgewandelt worden - mit enormen Kosten, weil das Projekt aus dem Ruder gelaufen war. Bachhuber musste die Affäre ausbaden und bekam von den Wählern einen Denkzettel. Er verlor gegen Josef Niedermaier (Freie Wähler). "Wenn heute jemand über das neue Landratsamt auf der Flinthöhe spricht, dann ist es eine Erfolgsgeschichte", sagt Bachhuber nicht ohne Bitternis "Klappe zu, Affe tot."

Der Kauf der ehemaligen US-amerikanischen Kaserne kostete Martin Bachhuber die Wahl zum Landrat. (Foto: Manfred Neubauer)

Auch die Müncher Zeiten waren turbulent. Bachhuber führt das "Debakel mit der Landesbank" an. In der Partei sei es drunter und drüber gegangen. Er erinnert sich an "tumultartige Sitzungen". In all den Jahren, all den Debatten, den Krisen habe es stets eine "aboslute Priorität" gegeben: "Mein Stimmkreis. Ich denke, mir ist einiges gelungen." Das wäre die Mädchenrealschule in Schlehdorf, die geschlossen werden sollte. Das Überleben der Bildungseinrichtung sei ein "harter Kampf" gewesen. Die Nordumfahrung für Bad Tölz oder der Kramertunnel im Landkreis Garmisch-Partenkirchen - zwei Großprojekte, für die sich Bachhuber unermüdlich einsetzte. Die Verlängerung der S 7 von Wolfratshausen nach Geretsried? Bachhuber schüttelt den Kopf. "Eine unendliche Geschichte!" Erzwungen werden musste die Trasse bis nach Stein, damit die Kosten-Nutzen-Analyse passte. Und auch die Tieferlegung der Gleise in Wolfratshausen sei ein hartes Stück Arbeit gewesen. 2013, sagt Bachhuber, habe er den früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer "gebrieft", dass an dieser kostenintensiven Maßnahme kein Weg vorbeiführe.

Der Politiker zählt etliche Projekte auf, für deren Realisierung Hürden zu nehmen waren. "Als Bürgermeister gibt man den Takt vor und kann schnelle Entscheidungen treffen. Das ist als Abgeordneter komplett anders. In München mahlen die Mühlen langsam." Damit muss sich nun sein Nachfolger herumärgern.

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