Corona und die Folgen:Die unsichtbare Krankheit

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"Ich hab einen unheimlichen Willen", sagt Colette Metreweli. Und eine beeindruckende Lebenslust, möchte man hinzufügen. (Foto: Hartmut Poestges)

Colette Metreweli leidet seit zweieinhalb Jahren an Long Covid. Sie arbeitet längst wieder Vollzeit. Doch viele Symptome belasten ihren Alltag schwer. Dritter Teil einer Langzeit-Reportage.

Von Felicitas Amler, Bad Tölz

Colette Metrewelis Hoffnungen ruhen jetzt ganz auf der Berufsgenossenschaft (BG). Die könnte helfen, dass die 57-jährige medizinische Fachangestellte aus Bad Tölz endlich "etwas runterschrauben" könnte. Colette Metreweli hatte sich im November 2020 in ihrer Arbeitsstelle in Bad Tölz mit Corona infiziert und ist seitdem nie mehr ganz gesund geworden. Sie hat Long Covid.

Zweieinhalb Jahre sind das nun. Zweieinhalb Jahre mit Schmerzen und Einschränkungen, mit Ängsten und Sorgen. Aber Colette Metreweli ist eine lebensbejahende, zupackende und fröhliche Frau. Sie will so gern wieder ganz auf die Beine kommen. Seit fast einem Jahr arbeitet sie - nach einer schrittweisen Wiedereingliederung - sogar wieder Vollzeit, als Teamleiterin in der Rehabilitation psychisch Erkrankter, im ReAL-Verbund des Tölzer Psychiaters und Psychotherapeuten Arnold Torhorst. Sie wollte das schaffen, und sie musste es auch schaffen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Doch es kostet sie enorm viel Energie - eine Energie, die sie theoretisch noch zehn Jahre lang aufbringen muss. Bis zur gesetzlichen Rente. Es sei denn, die BG würde sie bei einer Arbeitszeitverkürzung oder einer vorzeitigen Rente finanziell unterstützen.

"Manchmal bekomme ich keine Luft"

Im Augenblick sieht Metreweli gut aus: erholt, leicht gebräunt, strahlende Augen, ein freundliches Lächeln, sommerlich flott gekleidet. Sie kommt gerade von ihrem zweiten Aufenthalt im Senegal zurück, hat dort erneut einen Freund besucht. Sie schwärmt davon, wie gut ihr Afrika tut. "Ich müsste nur am Meer leben", sagt sie. Denn dort kann sie im Wortsinn durchschnaufen. Metreweli leidet unter Atemnot. "Manchmal bekomme ich einfach keine Luft." Es ist eine der häufigsten Beschwerden nach einer Covid-19-Infektion. Man sieht ihr das freilich nicht an. Genauso wenig wie all die anderen Beschwerden.

Sie weiß das ganz gut. Denn sie erlebt es immer wieder, dass Menschen - selbst Freunde - ihr signalisieren: 'Das dauert ja jetzt schon ewig, es könnte doch langsam mal besser werden.' Oder dass jemand sagt: 'Na ja, die Krankheit ist ja vorbei.'

Was für ein Irrtum. "Sicher siehst du besser aus, wenn du braun gebrannt bist, Zeit für Erholung hattest und vielleicht etwas schlanker bist. Aber die Symptome sind nicht weg." Und davon gibt es nach wie vor eine Menge.

Kochen ohne eigenen Geschmackssinn

Metreweli nimmt jeden Tag Tabletten gegen ihre Muskelschmerzen. "Beine, Arme, der Rücken - alles tut weh", sagt sie. Die Ärzte erklärten, auch das sei typisch für Long Covid. Aber weil sie sich ja bewegen will, um nicht in einen Teufelskreis zu geraten, nimmt sie Medikamente. Die gibt es gegen die anderen Symptome aber nicht. Metreweli hat durch die Infektion ihren Geruchs- und Geschmackssinn verloren. Einfach weg. Außer gelegentlich etwas süß schmeckt sie nichts. Und es ist beeindruckend, wie sie mit dieser doch gravierenden Einschränkung umgeht. "Ich koche so gern", sagt sie. Und das mache sie auch nach wie vor. Gerade erst hat sie ein Gericht erfunden: Linsen mit Mango und Avocado, verfeinert mit Minze und Koriander. "Den Geschmack stelle ich mir im Kopf vor", sagt sie. Offenbar erfolgreich, denn die Gäste seien von dem Essen begeistert gewesen.

Doch auch für andere bleibende Symptome gibt es noch keine Tablette: Wenn sie länger spreche, habe sie gelegentlich Wortfindungsstörungen, erzählt die 57-Jährige. Und wenn sie einen normalen Acht-Stunden-Arbeitstag hinter sich habe, sei sie erst mal "platt". Dann ruhe sie sich aus, gehe allenfalls noch ein bisschen spazieren oder höre Musik. An Ausgehen sei nach einem vollen Arbeitstag auf keinen Fall mehr zu denken. "Die Lebensqualität ist schon eingeschränkt."

Noch zehn Jahre bis zur Rente

Dabei hat man, wenn man ihr zuhört, das sichere Gefühl, dass sie sich permanent gut zuredet. "Ich brauche mehr Pausen", gibt sie zu. Aber: "Wenn ich langsam tu, dann geht's wieder." - "Ich bringe schon Leistung, wenn auch nicht andauernd." - "Ich will eine Herausforderung, aber ich muss schauen, dass ich sie bewältigen kann." Sie weiß: "Ich hab einen unheimlichen Willen." Das hat ihr die Psychologin bestätigt, die eine Beurteilung für die Berufsgenossenschaft erstellt. Es sei offensichtlich, hat diese Gutachterin festgehalten: "Frau Metreweli will. Aber sie kann nicht."

Sie kann vermutlich nicht wie jede gesunde Frau ihres Alters noch zehn Jahre unvermindert bis zur Rente arbeiten. Deshalb hofft sie so sehr auf eine Unterstützung durch die BG. Sie weiß, es kann noch Monate dauern, bis eine Entscheidung fällt. Derweil macht sie weiter in ihrem Acht-Stunden-Tag, dankbar für einen, wie sie sagt, sehr kulanten Arbeitgeber, der es versteht, dass sie manchmal einen Tag frei braucht oder einen längeren Urlaub nimmt, und der ihr nicht noch zusätzlichen Druck macht.

Denn das, sagt sie, komme noch zu dieser elenden Krankheit hinzu: "Der Mordsdruck, den man sich selbst macht oder den andere machen. Der schadet."

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