Projekt in der Pflege:Gefiederte Therapeuten

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Buntspechte sind typische Waldbewohner. Wer Glück hat, kann sie auch in seinem Garten beobachten. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Vogelbeobachtung soll die Lebensqualität in einem Penzberger Pflegeheim verbessern. Zur Einweihung der Futterstation kommt Gesundheitsminister Klaus Holetschek.

Von Anja Brandstäter, Penzberg

Als das Seniorenpflegeheim Steigenberger Hof seine neue Vogelfutterstation im Garten einweiht, gibt es hohen Besuch. Nicht aus der Luft, wie zu erwarten wäre, sondern aus der bayerischen Staatsregierung: Gesundheitsminister Klaus Holetschek ist angereist, um der Inbetriebnahme der Station beizuwohnen, die heimische Vogelarten ganz nah heranlocken soll, damit sie die Bewohner des Seniorenheims besser beobachten können. Die Vogelfutterstation ist Teil des Projekts "Alle Vögel sind schon da" vom Landesbund für Vogelschutz (LBV), für das Holetschek, qua Amtes auch für die Pflege zuständig, gerade die Schirmherrschaft übernommen hat. Und so kann das gute Dutzend Bewohner, das in den Garten gekommen ist, auch den LBV-Vorsitzenden Norbert Spindler und die Projektleiterin Kathrin Lichtenauer begrüßen.

Seit mehr als vier Jahren bringt der LBV die Vogelbeobachtung in vollstationäre Pflegeeinrichtungen. Sie soll als Präventionsmaßnahme die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner verbessern, ihre kognitiven Ressourcen stärken und ihre körperliche Aktivität und Mobilität zu steigern. Vogelbeobachtung mache "nachweislich glücklich", erklären die Initiatoren dazu. "Das innovative Projekt des LBV unterstütze ich sehr gerne als Schirmherr", sagt Holetschek beim Projektstart in Penzberg. "Denn es tut den Bewohnerinnen und Bewohnern einfach gut."

Vor den Augen des Ministers installieren die Beteiligten die neue Vogelfutterstation im Garten. Sie befüllen zunächst die Futtersäule, ein Plexiglas-Rohr, das seitlich einige Sitzmöglichkeiten für die Vögel bietet, und ein Vogelhaus mit einer Vogelfuttermischung. Beides hängen sie dann an ein Metallgerüst, an dem auch zwei Wassertränken befestigt sind. LBV-Projektleiterin Lichtenauer erklärt, dass die Futterstation stets sauber gehalten werden muss, damit sich keine Krankheiten ausbreiten.

Vogelkunde mit Gesundheitsminister: Kathrin Lichtenauer und Norbert Schäffer vom LBV, Heimleiterin Sibylle Spindler, die Bewohner Franzeska Sanchez-Garcia und Claudio Garcia-Gomez und Klaus Holetschek (von links). (Foto: Harry Wolfsbauer)

Pflegeheimleiterin Sibylle Spindler ist froh, dass ihre Bewerbung für den Steigenberger Hof beim LBV angenommen wurde. "Wir freuen uns nicht nur über die Futterstation, sondern auch auf die vielen Materialien, die die Arbeit unserer sozialen Betreuung bereichern." Das Vogelthema soll immer wieder aufgegriffen werden und die Bewohnerinnen und Bewohner animieren, die Futterstation aufzusuchen. Claudio Garcia-Gomez und seine Frau Franzeska Sanchez-Garcia, die beide Bewohner im Pflegeheim wohnen, freuen sich schon darauf, Vögel an der Futterstelle zu beobachten. Dass dies gelingt, ist sicher: Im großen Garten des Steigenberger Hofs stehen hohe, alte Bäume. Eine Horde Spatzen ist bereits deutlich zu hören.

Der LBV-Vorsitzende Spindler hat schon lange Erfahrungen mit den Stationen und ihren Effekten: "Für meinen Vater habe ich so eine Futterstelle zu Hause eingerichtet", erzählt er. "Er kann das Haus nicht mehr verlassen, aber er kann mir erzählen, wie die Vögel aussehen, die er an der Futtersäule beobachtet. Ich sage ihm dann, wie die Vögel heißen, die er gesehen hat." Wie unterschiedlich die heimischen Vögel sind, erklärt Kathrin Lichtenauer den Bewohnern dann mit Bild- und Tonbeispielen im Gemeinschaftsraum: Während das Rotkehlchen ein Einzelgänger sei, tauche der Spatz nie alleine auf. "Spatzen sind immer in Gesellschaft", erklärt sie. Amseln hingegen zeichneten sich durch ihren schönen Gesang aus. "Das kohlrabenschwarze Männchen hat einen orangefarbenen Schnabel und Augenring, während das Weibchen eher unscheinbar ist", ruft die Expertin den Senioren in Erinnerung. Auch die Kohlmeise sei leicht zu erkennen, nämlich an ihrem Ruf: "Zizibe!" Alle genannten Arten, erklärt sie, überwintern auch in Bayern, an der Futterstation werde also ganzjährig in Betrieb sein. Zugvögel wie der Star seien dagegen nur mit etwas Glück zu sehen. Dieser aber sei leicht zu erkennen: "Sein Gefieder ist schwarz-bläulich glänzend mit wenigen weißen Punkten." Der lernfähige Vogel, der auch andere Stimmen nachahme, verwirre so manchen Ornithologen, sagt Lichtenauer.

Ihren Vortrag veranschaulicht die LBV-Expertin den Senioren mit Material: Sie hat seniorengerechte Bücher, Spiele, Poster und Plüschvögel nach Penzberg mitgebracht. Auch das gehört zum Präventionsprojekt, das von der AOK Bayern, der Knappschaft, der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau sowie der Stiftung Bayerisches Naturerbe unterstützt wird.

Die Bewohner erfahren, dass sie im Winter Dompfaffen-Paare beobachten können, die die kalte Jahreszeit gemeinsam verbringen, bevor sie ihr Nest bauen. Und dass Kleiber nur gelegentlich einen Abstecher zur Futterstation machen, dann aber leicht zu identifizieren sind: Der Höhlenbrüter sei nämlich der einzige Vogel, der kopfüber Bäume herunter laufen kann, sagt Lichtenauer. Auch den Buntspecht dürften die Heimbewohner an ihrer neuen Futterstation erwarten, sagt sie. Wenn sie sein typisches Trommeln hörten, auch regelmäßig. Denn der Specht baue damit nicht nur Höhlen oder picke Insekten aus der Rinde, erklärt Lichtenauer, "sondern er markiert auch sein Revier".

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