Landtagswahl im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen:Reine Männersache

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Die Plakate der Parteien für die anstehende Landtagswahl, wie hier am Busbahnhof in Bad Tölz, zeigen fast ausschließlich Männer. (Foto: Manfred Neubauer)

Warum kandidieren im Stimmkreis 111 fast nur Männer für den Landtag? Eine Umfrage bei den Parteien, wie sie den Frauenanteil erhöhen wollen - und was sie von einer Quote halten.

Von Celine Chorus, Bad Tölz

Wenn man in diesen Tagen durch die Innenstadt von Bad Tölz schlendert und sich die Plakate der Landtagskandidaten anschaut, sieht man auf ihnen vor allem eines: Männer. Unter den elf Direktkandidaten für den Stimmkreis 111, der neben Bad Tölz-Wolfratshausen auch Teile des Landkreises Garmisch-Partenkirchen umfasst, befindet sich nur eine Frau. Damit zeigt sich auf den Wahlplakaten der Parteien, was in der Kommunalpolitik ohnehin ein Problem ist: Noch immer sind Frauen auf politischer Ebene in der Unterzahl.

Die Süddeutsche Zeitung wollte von den Kreisverbänden der CSU, den Grünen, der SPD, der FDP, der Linken und der ÖDP wissen, warum bei ihnen ausschließlich Männer nominiert wurden - und was sie tun, um den Frauenanteil in ihrer Partei künftig zu erhöhen. Wenn Frauen die Hälfte der Gesellschaft stellen, sollte ihnen dann nicht auch die Hälfte der politischen Macht zustehen? Die Freien Wähler haben auf eine Anfrage zu diesem Thema nicht reagiert, die AfD ist in ihrer E-Mail nicht auf die gestellten Fragen eingegangen.

Die Parteien betonen, dass alle Mitglieder die Möglichkeit hatten, sich zu bewerben. Der Prozess sei offen gestaltet gewesen, jeder habe sein Interesse an einer Kandidatur bekunden oder eine Person vorschlagen können - und auch in der Versammlung selbst habe es noch die Möglichkeit gegeben, Kandidaturen zu melden. In den Gremiensitzungen sei stets der aktuelle Sachstand berichtet worden, Vorschläge eines Gremiums für oder gegen Kandidaten habe es nicht gegeben. Letztlich wurden die Direktkandidaten in einer Aufstellungsversammlung von den Mitgliedern des Kreisverbandes gewählt. Die Wahlgänge erfolgten schriftlich und geheim, zudem wurden ausführliche Protokolle geführt. Das Problem sei also weniger die Transparenz, sondern eher das dürftige Interesse an einer Kandidatur, erklärt Kreisrat Rolf Walther von der Linken.

Die FDP bezeichnet Quoten als ein Misstrauen gegenüber den Wählern

Mit der Konsequenz, dass es bei der SPD mit Benedikt Hoechner, bei der FDP mit Tim Sachs und bei der ÖDP mit Manuel Tessun lediglich einen Kandidaten gegeben hat. Bei der Linken haben sich drei Personen um die Direktkandidatur für den Landtag beworben - allesamt Männer. Bei der CSU interessierten sich vier Mitglieder für eine Bewerbung, zusätzlich hatte der Kreisvorsitzende drei weitere Personen angesprochen - und darunter seien auch Frauen gewesen. Die potenziellen Bewerber hätten jedoch eine Kandidatur von Thomas Holz unterstützt und wären nur angetreten, wenn dieser sich nicht zur Wahl gestellt hätte. Ausgeglichener lief es bei den Grünen: Dort haben fünf Personen bei der Aufstellungsversammlung kandidiert, darunter waren mit Annette Heinloth und Petra Daisenberger auch zwei Frauen.

Dass Frauen auf politischer Ebene unterrepräsentiert sind, halten alle Parteien - mit Ausnahme der ÖDP, die mit knapp 50 Prozent ohnehin einen hohen Frauenanteil hat - für problematisch. Manche antworteten darauf mit der Einführung einer Frauenquote: Bei der SPD erfolgt die Listenaufstellung seit 1988 durchgehend quotiert, auch bei der Linken ist strukturell eine Überzahl von Frauen verankert. Dort gibt es eine Quotierung von 50 Prozent und die Regel, dass Frauen, die über die Quotierung keinen Platz bekommen haben, auch auf der "Männerliste" kandidieren dürfen. Dies dürfe aber nicht den Blick darauf verstellen, dass es letztlich um menschliche und fachliche Qualifikationen gehe.

Die Qualifikation für ein Amt sei maßgeblich, sagt CSU-Listenkandidatin Susanne Arndt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ähnlich argumentieren auch die anderen Parteien: Die FDP erklärt, dass für sie nicht zähle, woher eine Person kommt, mit welchem Geschlecht sie sich identifiziert oder welche Religion und sexuelle Orientierung sie hat. Die Liberalen bezeichnen Quoten als ein Misstrauen gegenüber den Wählern. Nötig seien vielmehr Ansätze innerhalb der Parteistrukturen, wie mehr Frauen in Mandate kommen. Auch Listenkandidatin Susanne Arndt von der CSU betont, dass die Qualifikation für ein Amt maßgeblich sei und die Entscheidung in einem demokratischen Prozess getroffen werde. Von der Idee der Grünen, Direktmandate bei Landtagswahlen in Zukunft paritätisch zu vergeben, halten die FDP und die CSU deshalb nichts. Auch die SPD und die Linke betonen, dass das Wahlergebnis Vorrang haben sollte: Der Wähler müsse entscheiden, wen er für befähigt halte, und das könnten Frauen sein - aber eben auch Männer.

Mit einem hohen Frauenanteil will man "auch politisch besser agieren"

Für den ÖDP-Kreisvorsitzenden Manuel Tessun ist seine Partei der beste Beweis, dass sich der Frauenanteil auch ohne Quote steigern lässt, wenn es dafür ein Verständnis in der Partei gebe. Insbesondere in führenden Ämtern habe es bei der ÖDP zuletzt eine positive Entwicklung gegeben. Auch bei den Grünen (42 Prozent) und der FDP (24 Prozent) ist der Frauenanteil in den vergangenen Jahren leicht angestiegen. Im Grünen-Kreisverband sei man sich einig darüber, dass es sich dabei nicht nur um Gleichberechtigung handelt, betont Sprecherin Melanie Grünewald, "sondern dass wir auch politisch besser agieren können, weil wir die Gesellschaft besser abbilden, Themen anders setzen und behandeln". Dagegen hat sich der Frauenanteil bei der SPD (35 Prozent) und der Linken (30 Prozent) nicht verändert.

FDP-Kreisvorsitzender Simon Roloff weist die Vorwürfe des aus der Partei ausgetretenen Kreis- und Stadtrats Edmund Häner zurück. (Foto: Privat/oh)

Den Kreisverbänden ist es dennoch ein Anliegen, mehr Frauen für die politische Arbeit zu gewinnen. Die Motive, warum Frauen in der Politik in der Unterzahl sind, seien aber so vielfältig wie die Gesellschaft selbst, erklärt der FDP-Kreisvorsitzende Simon Roloff: "Entsprechend unterschiedlich müssen die Ansätze sein." Die FDP hat mit der Organisation "Liberale Frauen" sowie dem "Female Future Forum" und dem "Female Talents Program" verschiedene Initiativen gestartet. Zudem haben viele Kreisverbände eine "Frauenbeauftragte", die nicht nur vernetzt, sondern auch bei der inhaltlichen Themensetzung mitwirken soll. Auch bei der SPD kämpft die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen dafür, dass frauenspezifische Belange berücksichtigt und erkämpft werden.

Die Grünen haben seit Anbeginn ein Frauenstatut auf Satzungsebene, das die gleichberechtigte Teilhabe absichert: von quotierten Rednerlisten über gendergerechte Sprache bis zu klaren Regeln für die Listenaufstellung. Der CSU-Kreisverband erklärt, dass man bemüht sei, bei den stellvertretenden Vorsitzenden und beim geschäftsführenden Kreisvorstand eine hälftige Besetzung mit Frauen zu erreichen. Als Frau sei es aber nicht so leicht, "Familie, Arbeit und ernsthafte politische Arbeit unter einen Hut zu bringen", erklärt Susanne Arndt. Sie versucht daher, den Frauenanteil in ihrer Partei zu erhöhen, indem sie sich engagiert, als Kandidatin zur Verfügung steht und zeigt, dass auch Frauen erfolgreich politisch arbeiten können.

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