Landtagswahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Drei Abgeordnete, viele Fragen

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Im Maximilianeum wird der Stimmkreis 111 künftig nur noch von drei statt vier Abgeordneten vertreten. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Neben dem Direktkandidaten der CSU, Thomas Holz, ziehen Florian Streibl (Freie Wähler) und Ingo Hahn (AfD) über die Liste ins Maximilianeum ein. Die Grünen verlieren ihren Stimmkreisvertreter.

Von Felicitas Amler, Celine Chorus, Benjamin Engel, Stephanie Schwaderer und Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Vier Abgeordnete aus dem Stimmkreis 111 Bad Tölz-Wolfratshausen/Garmisch-Partenkirchen gibt es im amtierenden Landtag - drei werden es voraussichtlich in der kommenden Legislaturperiode sein. Thomas Holz ist es wie erwartet gelungen, das Direktmandat für die CSU zu sichern. Der bisherige Bürgermeister der Gemeinde Kochel am See folgt im Maximilianeum auf Martin Bachhuber - mit 36,6 Prozent der Stimmen, während seine Partei 39,6 Prozent erhielt. Florian Streibl von den Freien Wählern wird über die Liste erneut ins Parlament einziehen. Dritter Vertreter des Stimmkreises ist Ingo Hahn von der AfD. Dagegen endet für den Grünen-Abgeordneten Hans Urban die Zeit im Maximilianeum, sein Nachfolger als Kandidat, Jakob Koch, hat mit Listenplatz 18 keine Chance auf ein Mandat.

Streibl ist der eigentliche Gewinner bei den Direktkandidaten. Er konnte bei den Erststimmen um 6,7 Prozentpunkte auf 21,2 Prozent zulegen und feierte schon am Sonntagabend "das grandiose Ergebnis". "Das zeigt, dass man in der Vergangenheit nicht alles falsch gemacht hat." Die Flugblattaffäre hat Streibls Worten nach bei der Wahl "so gut wie keine Rolle gespielt". Im Landkreis profitierten die FW vielmehr von der guten Zusammenarbeit zwischen Landrat, Bürgermeistern und Landtag: "Da hat man immer einen kurzen Draht, das ist ein Geben und Nehmen." Bei der Wolfsverordnung etwa habe seine Fraktion die Nöte der Almbauern erkannt und entsprechend reagiert.

"Die Freien Wähler sind mehr als Hubert Aiwanger", sagt Fraktionschef Florian Streibl (li.). Er sieht die Partei am liebsten links von der CSU. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die größten politischen Herausforderungen bringt seinen Worten nach der Klimawandel mit sich. Die Region müsse sich auf Ereignisse wie Starkregen oder Murenabgänge einstellen, den Schutzwald stärken, vor allem aber auch bei den erneuerbaren Energien "einen kräftigen Zahn zulegen". Es gehe um Photovoltaik, Windräder und die Nahwärmeversorgung. Zudem gelte es, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken, auch die Querverbindung nach Rosenheim und Miesbach müsse endlich ausgebaut werden. "Mein Herzensprojekt ist die S 7-Verlängerung nach Geretsried."

Das Abschneiden der AfD (13 Prozent) nennt Streibl "absolut erschreckend". Die Partei nähre sich allein von den Ängsten und Sorgen der Menschen. "Die Arbeit, die sie im bayerischen Landtag gemacht hat, ist im Grunde nicht existent. Die haben nur untereinander gestritten und nichts Sinnvolles gemacht."

CSU-Direktkandidat Thomas Holz, hier bei der Wahlparty am Sonntagabend, will die "große Unzufriedenheit" der Bevölkerung analysieren. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ähnlich sieht es sein künftiger Landtagskollege Thomas Holz. "Was ist mit den Wählern los?", fragt er sich. Er sei zwar froh über sein persönliches Ergebnis wie das seiner Partei, aber das Abschneiden der AfD bestürze ihn. "Wir müssen uns fragen, ob das noch eine Protestwahl ist oder eine Bewegung." Ihm hätten Bürger auf Wahlveranstaltungen gesagt, dass sie ihn wählen würden, aber ihre Zweitstimme an die AfD gehe. "Warum das so ist, müssen wir uns genau ansehen." Die "große Unzufriedenheit" in der Bevölkerung, vor allem bei der Migrationspolitik, müsse genauestens analysiert werden. Bei der Aufarbeitung dürfe es keine Tabus geben, so Holz, sonst werde es in fünf Jahren "zappenduster" aussehen.

Martin Bachhuber, der auf eigenen Wunsch aus dem Landtag ausscheidet, sieht dies genauso. Auch müsse hinterfragt werden, ob ein Wahlkampf, wie er bislang geführt wurde, noch die Bürger erreiche. Der AfD-Direktkandidat sei im Stimmkreis 111 nie persönlich in Erscheinung getreten, während die Christsozialen viele Veranstaltungen mit allen CSU-Ministern bestritten hätten. "Es funktioniert etwas nicht mehr."

Andreas Wild (rechts), hier im Gespräch mit Klaus Koch, will die Grünen im Landkreis sichtbarer machen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Grünen, die im Stimmkreis mit 13,9 Prozent auf dem dritten Platz gelandet sind, haben die besten Ergebnisse vor allem dort erzielt, wo sie kommunalpolitisch in Erscheinung treten: In Wolfratshausen landete Jakob Koch mit 19,6 Prozent hinter Thomas Holz, ebenso in Bad Tölz mit 17,4 Prozent. Der Kreisvorsitzende Andreas Wild folgert daraus, dass die Grünen mehr Gesicht zeigen und den Menschen nahbar gegenübertreten müssten. Nach einer Veranstaltung in Lenggries habe jemand zu ihm gesagt, dass die Grünen an diesem Abend keine einzige Stimme, aber viel Sympathie gewonnen hätten.

Der SPD-Kreisvorsitzende Klaus Barthel geht davon aus, dass seine Partei die Talsohle erreicht hat. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das erneut schwache Abschneiden der SPD (5,5 Prozent) erklärt der langjährige Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel mit der politischen Großwetterlage. "Es ist schwer, gegen diese Stimmungsmache anzukommen", sagt er. Bei vielen Wahlkampfveranstaltungen seien zuletzt alle Probleme - von der Migration über die Wirtschaftskrise bis zum Ukrainekrieg - der Bundesregierung angelastet worden. "Man hat einen Schuldigen gebraucht, und das war die Ampel." Die SPD sei dagegen nicht durchgedrungen. Dazu fehle ihr in Bayern wie im Landkreis "die nötige Masse an Personal". Wenn man sich nämlich Zeit nehme, mit einzelnen Leuten zu reden, "dann sieht einiges nach einer Viertelstunde schon anders aus".

Dies bestätigt ein näherer Blick auf die Wahlergebnisse: Dort, wo die SPD präsent ist, hat sie gut abgeschnitten. In Kochel, wo sowohl Barthel als auch Holz zu Hause sind, hat die SPD 8,8 Prozent der Zweitstimmen geholt. Auch in Icking hat sie bei den Gesamtstimmen (7,2 Prozent) etwa ein Prozent zugelegt. Das sei kein Grund, in Euphorie auszubrechen, sagt Barthel. "Aber wo Menschen Flagge zeigen, können wir, wenn auch mühsam, etwas gewinnen." Nun bleibe abzuwarten, wie CSU, AfD und Freie Wähler ihre Versprechen der vergangenen Wochen in die Tat umsetzen wollten: "Von der S7-Verlängerung bis zur Elektrifizierung der Oberlandbahn, da sind wir mal sehr gespannt."

Direktkandidat Ingo Hahn (AfD) im Maximilianeum. (Foto: Johannes Simon)

Vom seit Jahrzehnten erwarteten Ausbau der S 7 bis nach Geretsried spricht Ingo Hahn (AfD) erst einmal gar nicht. Darüber könne man sich bei anderer Gelegenheit unterhalten, sagt er auf SZ-Nachfrage. Die S-Bahn sei grundsätzlich "sicherlich wichtig", müsse aber "effizient sein".

Hahn sitzt bereits seit 2018 im Maximilianeum - wenn auch bisher für den Stimmkreis Fürstenfeldbruck Ost. Er ist Vorsitzender seiner Partei im Kreisverband Starnberg und dort auch Mitglied im Kreistag. Er hat diesmal 13,1 Prozent Erststimmen erzielt, 2018 brachte er es auf 8,3 Prozent. Da die AfD im neuen Landtag 32 Sitze haben wird, ist Hahn mit Listenplatz 4 sicher wieder dabei. Dass er und seine Partei in Geretsried besonders gut abgeschnitten haben - es gibt einen bisher nicht geografisch benannten Stimmbezirk, in dem die AfD auf mehr als 39 Prozent kommt - wundere ihn nicht, so sagt Hahn. Er sei im gesamten Stimmkreis "weit herumgekommen" und wisse auch, dass es in Geretsried Bevölkerungsstrukturen gebe, die "keine Vorbehalte" gegen die AfD hätten.

Gegen Zuwanderung, für Atomkraft

Der AfD-Abgeordnete spielt auf den südlichen Stadtteil Geretsried-Stein an, wo schon bei der Bundestagswahl 2017 jeder Vierte sein Kreuz bei der rechtsextremen Partei gemacht hatte. Er sagt, dort lebten ehemalige Zuwanderer, die nun schon länger hier seien und versuchten, "sich bei uns gut zu integrieren". Diese Leute arbeiteten hart, so Hahn, "und müssen sehen, dass die Grenzen geöffnet werden und jeder reingelassen wird". Sie sähen darin eine Ungerechtigkeit. Die AfD sei "gegen ungezügelte Masseneinwanderung".

Als eines seiner zentralen Themen nennt Hahn die Umwelt. Er sei gegen den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik-Freiflächenanlagen, aber für Atomkraft. Der Klimawandel mache ihm keine Angst, sagt er. "Den Deutschen" werde mit diesem Begriff nur ein schlechtes Gewissen gemacht. "Wichtiger ist, dass die Menschen hier gut leben können."

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