Landtagswahl 2018:Aus Überzeugung und Erfahrung

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Die Bayerische Landtagswahl am 14. Oktober rückt näher, die Parteien sind im Wahlkampfmodus. Die SZ stellt die Stimmkreiskandidaten für Bad Tölz-Wolfratshausen-Garmisch im Porträt vor. Heute: Elmar Gehnen von den Linken.

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Der Direktkandidat der Linken, Elmar Gehnen, ist 62 Jahre alt und wohnt seit zehn Jahren in Bad Tölz. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Erst seit zehn Jahren ist Elmar Gehnen in Bad Tölz daheim, und auch seine Partei, die Linke, ist in Bayern ein exotisches Gewächs. Noch, denn aktuellen Umfragen zufolge liegt die Partei derzeit bei fünf Prozent und könnte erstmals in den bayerischen Landtag einziehen. Ein historisches Ereignis - und dass es tatsächlich eintritt, dafür will Direktkandidat Elmar Gehnen kämpfen. Bayern sei ein Land, das nicht regiert, sondern "beherrscht" werde, sagt der 62-Jährige. 60 Jahre "CSU-Absolutismus" - da sei es höchste Zeit, "dass wieder demokratische Strukturen einkehren". Gehnen ist ein ruhiger Mann, kein Politprofi. Aber wenn es um Themen wie Gesundheitswesen, behindertengerechte Infrastruktur, öffentlicher Nahverkehr und sozialer Wohnungsbau geht, dann merkt man, wie ihn das umtreibt. Das Bürgerbegehren zum Bichler Hof zum Beispiel, das die Linken mit einer Plakataktion unterstützt haben: Dass die Stadt die Mehrheitsmeinung bei der Bürgerversammlung ignoriert und auf den Ankauf von einem Drittel der Fläche für sozialen Wohnungsbau verzichtet habe, sei für ihn völlig unverständlich. Denn Flächen seien knapp und er kenne viele Leute, die sechs, sieben Jahre auf eine bezahlbare Wohnung warten mussten.

Dass die Geburtshilfeabteilung an der Tölzer Asklepios-Klink geschlossen wurde, hält Gehnen für einen "unhaltbaren Zustand" - zumal in einem Bundesland, von dem die CSU immer behaupte: "Wir sind die Besten und die Reichsten." Was ihn ärgert, sei die Heimatliebe, die die Christsozialen vor sich hertrügen. Denn wenn es wirklich um Heimat gehe, etwa beim Riedberger Horn, dann werde für den Ausbau des Skigebiets eben einfach der Alpenplan geändert. Zwar hat Ministerpräsident Markus Söder im April den Verzicht auf das Projekt für zehn Jahre verkündet, aber die Änderung im Alpenplan sei geblieben.

Jahrelang war Gehnens politische Heimat die SPD. Dann kam Gerhard Schröder und die Agenda 2010 - "seitdem geht die SPD für mich gar nicht mehr." Gehnen ist in Lippstadt in Nordrhein-Westfalen geboren. Zehn Jahre hat der alleinstehende Fotograf mit Meisterabschluss in Athen gelebt und am Deutschen Archäologischen Institut die Fotoabteilung geleitet. Im Jahr 2000 ging er nach München und eröffnete in Freimann ein Fotostudio. Ein Schlaganfall und die anschließende Reha führten ihn nach Bad Tölz. Ein Jahr lag er im Krankenhaus und habe dort ein Pflegepersonal kennen gelernt, das sich trotz schlechter Bezahlung und geringer gesellschaftlicher Anerkennung mit viel Geduld um ihn gekümmert habe.

Diese Erfahrungen und das Leben mit einer Behinderung hätten seine Wahrnehmung verändert, sagt er. Krankenkassen, die die individuelle Situation des Patienten nicht berücksichtigten, sondern Verordnungen nach "Schema F" ausstellten. Wohnungsbaugenossenschaften, die die Kosten für den Einbau einer behindertengerechten Dusche auf den Mieter abwälzten und einen Rückbau beim Auszug forderten. Ein öffentlicher Nahverkehr, der zu teuer und schlecht ausgebaut sei. Die Anbindung von Tölz nach Geretsried und Wolfratshausen zum Beispiel sei "katastrophal", sagt Gehnen. Seiner Ansicht nach sind mehr Schnellbusse nötig, die stündlich zwischen Lenggries und München fahren, damit auch junge Leute aus dem Südlandkreis Ausbildungsstellen in Geretsried annehmen könnten.

Der ÖPNV müsse billiger werden: Gehnen schlägt eine Karte für Rentner und Geringverdiener vor, die halbjährlich für 30 Euro gekauft werden kann und im gesamten ÖPNV in Bayern gilt. Er ist überzeugt, dass die Privatisierung die Krankenversorgung in Deutschland "langfristig kaputt macht". Einrichtungen wie die Geburtshilfe würden geschlossen, weil sie "nicht genügend Geld abwerfen". Seiner Ansicht nach müsste es einen Fonds für Hebammen geben, der die hohen Versicherungssummen abfedert. Dass sich viele Menschen abgehängt fühlten und der AfD zuwenden, sieht er als Folge einer falschen Politik. "Die CSU baut Ängste auf, die der Realität nicht entsprechen." Es entstehe für niemanden ein persönlicher Nachteil, "weil hier Geflüchtete Schutz suchen."

Als Rentner habe er Zeit, sich ganz für die Ziele der Linkspartei einzusetzen, sagt Gehnen. Er ist Sprecher der Tölzer "Basisgruppe", Delegierter für den Landesparteitag und Ansprechpartner an Infoständen. So wie am vergangenen Wochenende, als er in Bad Tölz 80 Unterschriften für das bayernweite, überparteiliche Volksbegehren "Stoppt den Pflegenotstand in Bayerns Krankenhäusern" gesammelt habe. Seiner Beobachtung nach werde die Linkspartei, der im Kreisverband knapp 90 Mitglieder angehören, stärker wahrgenommen. Dazu habe der Einzug des Geretsrieders Andreas Wagner in den Bundestag beigetragen, ebenso die Plakataktion zum Bichler Hof. Auch an den Infoständen habe sich das Verhalten der Bürger verändert: Ein "Spießrutenlauf" wie noch 2013 sei das für einen Linken nicht mehr.

Ein Video mit Fragen an Elmar Gehnen gibt es auf der Online-Seite der SZ Bad Tölz-Wolfratshausen und auf der Facebook-Seite der Lokalausgabe

© SZ vom 18.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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