Natur- und Klimaschutz in Bad Tölz-Wolfratshausen:"Totale Harmonie verblödet"

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Landschaftspflegeverbände sollen die naturschutzfachlich wertvolle Kulturlandschaft erhalten oder wieder herstellen. Dies sind in Bad Tölz-Wolfratshausen vor allem Streuwiesen und Magerrasen wie diese hier. (Foto: LPV/Privat/oh)

Lange wurde im Landkreis über die Gründung eines Landschaftspflegeverbands gerungen. Nun blickten die Mitglieder erstmals auf Gewünschtes und Geleistetes zurück.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Aller positiven Aufbruchstimmung zum Trotz sei es auch "ein gewisses Armutszeugnis, dass es inzwischen Verbände braucht, um die Artenvielfalt zu erhalten": Das erklärte der Vorsitzende des Landschaftspflegeverbands (LPV) Michael Häsch (CSU) bei der ersten Mitgliederversammlung am Freitag. Im August 2021 hatte der Kreistag der Einrichtung eines solchen Landschaftspflegeverbands zugestimmt.

Bei der Gründungsveranstaltung, die coronabedingt erst im Mai 2022 stattfinden konnte, waren neben dem Landkreis selbst insgesamt 14 der 21 Kommunen in Bad Tölz-Wolfratshausen dem neu gegründeten Verband beigetreten. Überdies schlossen sich auch einige Verbände aus den Bereichen Naturschutz und Landwirtschaft dem LPV an. Nun also war erstmals Gelegenheit, Resümee zu ziehen.

Mittlerweile gibt es bayernweit an die 70 solcher Landschaftspflegeverbände, bei denen sich grundsätzlich die Vorstandschaft des Vereins drittelparitätisch aus gleichberechtigten Vertretern der Kommunen, der Landwirtschaft und des Naturschutzes zusammensetzt, so auch in Bad Tölz-Wolfratshausen. Entsprechend viele waren am Freitag ins Eglinger Gasthaus Oberhauser zur Mitgliederversammlung gekommen.

Zahlreiche Mitglieder besuchten die erste Jahresversammlung des LPV Bad Tölz-Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

LPVs sollen die naturschutzfachlich wertvolle Kulturlandschaft erhalten, respektive wiederherstellen. Dies sind in diesem Landkreis vor allem Streuwiesen und Magerrasen, die nach oft langer Brache in einen mähfähigen Zustand gebracht werden, oder die Anlage von Hecken und Streuobstwiesen. Aber auch die Wiedervernässung von Mooren bietet neben anderen Möglichkeiten ein wichtiges Betätigungsfeld.

Vorsitzender Michael Häsch (stehend). (Foto: Hartmut Pöstges)

LPV-Vorsitzender Häsch nutzte die Gelegenheit aber auch, um die Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten ins Gedächtnis zu rufen. Die sogenannten Römischen Verträge von 1957 gelten als Geburtsstunde der Europäischen Union und legten unter anderem den freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr, sowie eine gemeinsame Handelspolitik fest. Damit einhergegangen sei aber auch ein Fokus auf besonders viel Lebensmittelproduktion ohne Rücksicht auf die Natur, "denn die Natur ist eh da", beschrieb Häsch die damalige Mentalität. Heute hingegen müssten aus der Natur drei Bereiche abgedeckt werden: Nahrungsmittelproduktion, Energiegewinnung und Naturschutz. "Mir fehlen Ideen, wie das unter einen Hut zu bringen sein soll", gab Häsch zu. Denn immer mehr Betriebe brächen weg, was die Frage aufwerfe: "Wer pflegt die Natur, die Landschaft?"

Landrat Josef Niedermaier (FW) gab zwar zu, dass es im Vergleich zu anderen Landkreisen lange gedauert habe, bis auch hier ein LPV zustande gekommen sei. "Vielleicht aber auch, weil es hier lange ohne funktioniert hat." Doch wenn sich Dinge änderten, müsse man sich damit auseinandersetzen, und es herrschten aktuell "schwierige Zeiten". Landschaft sei die Lebensgrundlage, weshalb er überzeugt sei, dass der Zusammenschluss der richtige Weg sei, Lösungen zu finden. Er forderte die LPV-Mitglieder auf, sich nicht vor Konflikten zu scheuen: "Totale Harmonie verblödet nämlich."

LPV-Geschäftsführer Markus Henning erinnerte an wichtige Grundsätze des Verbands, etwa an die Freiwilligkeit. Es würden nur Maßnahmen ausgeführt, bei denen die Zustimmung der Grundeigentümer vorliege. Das dritte Arbeitsprinzip liege in der regionalen Vernetzung. Im laufenden Jahr hat der LPV Henning zufolge Förderanträge mit einer gesamten Antragssumme von rund 80 000 Euro gestellt. Mittlerweile sind alle Anträge mit einem Flächenumfang von knapp 20 Hektar bewilligt. Ein Teil der Arbeiten ist bereits erledigt; so konnten im Kochelsee-Moor 80 000 Quadratmeter einer Streuwiese gemäht werden. Diese Maßnahme diene vor allem Bodenbrütern und konkurrenzschwachen, kleinwüchsigen Pflanzen.

Auch der Antrag zur Pflege der Buschnelkenvorkommen im Landkreis wurde bereits abgearbeitet. Diese auf sehr magere Standorte angewiesen Wiesenblume sei nur mehr an wenigen, meist sehr kleinen Flächen zu finden, so der Geschäftsführer. Auch die Pflanzung von einigen Streuobstbäumen sei bereits genehmigt und soll demnächst stattfinden.

Eglings Bürgermeister Hubert Oberhauser (FWG) fragte nach der konkreten Vorgehensweise, wenn eine geeignete Fläche auffällt. "Dem LPV-Geschäftsführer melden, der kontaktiert den Eigentümer und stellt dann gegebenenfalls die Anträge", schloss Henning. Häsch zeigte sich abschließend überzeugt: "Gemeinsam können wir etwas voranbringen."

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