Kunst aus Icking:Am seidenen Faden

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Schätze aus Samt und Seide sind bei Monika Kager gut aufgehoben. Die Ickinger Textilrestauratorin versteht sich darauf, brüchige oder verschmutzte Gewänder wieder erstrahlen zu lassen. Zu ihren Kunden zählen Museen und die Erzdiözese. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Zeit hinterlässt Spuren in historischen Stoffen. Mit viel Liebe und großem Fachwissen restauriert und konserviert Monika Kager alte Gewänder, Fahnen und Tapisserien, um sie für künftige Generationen zu erhalten.

Von Susanne Hauck, Icking

Es ist ein prächtiges, über und über mit Gold- und Silberfäden besticktes Gewand, das fein säuberlich ausgebreitet vor Monika Kager liegt. Doch es ist kaputt, unübersehbar klaffen tiefe Risse in dem uralten Gewebe. Die Stelle des Schadens verrät viel über seine Entstehung. "Der Stoff ist genau da durchgewetzt, wo sich der Priester beim Gottesdienst mit dem Bauch an den Altar gelehnt hat", so lautet die Diagnose. Doch ihr sorgenvoller Blick gilt einem anderen Schönheitsfehler. Unkundige Hände haben die 200 Jahre alte Seide nicht nur mit unbeholfenen Hexenstichen geflickt, sondern, oh weh, auch mit der Nähmaschine schief zusammengenäht und einige lose Stellen mit Leim angeklebt. Der gut gemeinte Reparaturversuch ist gründlich daneben gegangen.

Die Textilrestauratorin arbeitet gerade an einem großen Auftrag. 20 liturgische Gewänder - Kaseln, Dalmatiken und Rauchmäntel - restauriert sie für die Wiedereröffnung der kleinen und feinen Schatzkammer der Pfarrei St. Martin in Landshut. "Sie sind sehr kostbar und stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert", erklärt Monika Kager. Im September sollen die Kirchenroben wieder in neuer Pracht in den Vitrinen der Allerseelen-Kapelle ausgestellt werden, die gerade neu gestaltet wird.

Die Textilrestauratorin Monika Kager. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Expertin geht die Arbeit nicht aus. Sie holt exquisite grüne Seidenschuhe und handbestickte Handschuhe mit Stulpen aus einem mit Papier ausgeschlagenen Karton. Sie wären eines Märchenprinzen würdig. Tatsächlich schmückten sie einst Bischöfe und Kardinäle. Die Kleinode aus Stoff sind 100 Jahre alt und brauchen eine gründliche Reinigung. Freilich darf man sich das nicht so vorstellen, dass Kager sie dafür in die Waschmaschine steckt. "Wenn das Objekt aus unterschiedlichen Materialien besteht wie Seide, Leinen, Goldborten und Goldstickereien, ist eine Nassreinigung nicht möglich", erklärt die Restauratorin. Sie behandelt die empfindliches Gewebe ganz behutsam mit einem Spezialstaubsauger.

Als Textilrestauratorin übt Monika Kager, Anfang 50, einen sehr seltenen Beruf aus. Das Schneiderhandwerk gefiel ihr schon immer. "Mit Puppen hab ich als Kind nur gespielt, wenn es darum ging, sie zu bekleiden", sagt die zierliche Frau lächelnd, die für so renommierte Institute wie das Historische Museum und das Heeresgeschichtliche Museum der Stadt Wien sowie das Bayerische Nationalmuseum in München tätig war und ist.

Seit gut 20 Jahren wohnt und arbeitet die gebürtige Österreicherin in Icking, zusammen mit ihrem Mann, dem Autor und Musiker Wolfgang Ramadan. Kennengelernt haben sich die beiden Mitte der Neunzigerjahre. "Damals war ich eine Zeitlang Köchin in einem Seminarhaus in der Toskana", erinnert sie sich. "Und Wolfgang hat dort eine Platte aufgenommen."

Atelierbesuch bei Monika Kager. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die betagten Gewänder haben einiges hinter sich. Oft sind sie falsch, das heißt nicht glatt, aufbewahrt worden, auf zu kleinen Kleiderbügeln beispielsweise. Mit fatalen Folgen: "Überall, wo es Knicke gibt, bricht das Gewebe im Lauf der Zeit", erklärt Kager. Auch stark beanspruchte Stellen wie beispielsweise die Schulter- partie weisen häufig Risse und Verschmutzungen auf. Oder, noch schlimmer, die Motten haben Löcher hineingefressen. Das passiert häufig, wenn die Sachen "ewig wo liegen".

Oft kommt es vor, dass Monika Kager frühere, von Laien vorgenommene Restaurationen wieder rückgängig machen muss, indem sie die fragilen Nähte vorsichtig auftrennt, die Fehlstellen mit passend eingefärbtem Futter unterlegt und mit feinen Handstichen alles befestigt. Immer wieder gibt es im Lauf der aufwendigen Arbeit böse Überraschungen. "Ich merke dann, dass das Gewebe viel fragiler ist als ursprünglich gedacht und ich noch wesentlich vorsichtiger arbeiten muss, damit es nicht zusätzliche Schäden gibt oder etwa der Faden reißt."

Textilrestauratoren arbeiten mittlerweile anders als noch vor 30 Jahren, als es gängige Praxis war, die fehlenden Stickereien und Borten in den alten Stoffen mit passenden Materialien zu ergänzen. "Aber heute geht es um das Erhalten anstatt um das Erneuern." Möglichst unsichtbar soll ihre Arbeit bleiben. Die Textilien werden behutsam so fixiert, dass sie nicht weiter Schaden nehmen können. Einen Riss unterlegt sie beispielsweise lediglich mit Stoff. "Das stört nicht, weil das Auge die Fehlstelle selbständig ergänzt." Dahinter steckt der Gedanke, das Restaurierte reversibel zu machen, sobald den Fachleuten neuere Methoden zur Verfügung stehen.

Monika Kager ist mit Aufträgen von Museen, der Kirche und von Privatleuten gut ausgelastet, muss manches sogar absagen. Sie restauriert auch viele Fahnen und manchmal Tapisserien und Antiquitäten. Von ihrem Facharbeiterlohn könne sie gut leben, antwortet sie. Die kleinteilige Arbeit ist anstrengend und geht auf die Augen, bei sehr diffizilen Vorgängen braucht sie eine Lupe. "Aber sechs Stunden muss ich mindestens dranbleiben, damit was vorwärts geht", hat sie sich zum Prinzip gemacht. Gerade bei großen Aufträgen sei sie stets von der Angst getrieben, nicht fertig zu werden. "Wenn es sein muss, kann ich wie programmiert auch zehn Stunden am Tag dranbleiben." Einen kleinen Kniff hat sie aber doch, um länger durchzuhalten: "Am liebsten höre ich bei der Arbeit Hörbücher."

Die kleinteilige Arbeit ist anstrengend und geht auf die Augen. (Foto: Hartmut Pöstges)
© SZ vom 16.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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