Huabahof in Königsdorf:Der Bauernhof der Zukunft

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Im ressourcenschonend konzipierten Kuhstall reduziert der Spaltenboden Emissionen, ein Schieberoboter bringt das Futter in die richtige Position. (Foto: Manfred Neubauer)

E-Fahrzeuge, Melkmaschine und Mind-Map: Die Familie Demmel aus Königsdorf baut ihren Huabahof zu einer autarken Landwirtschaft um. Das kostet viel Kraft und Geld, könnte aber ein Modell für andere Betriebe sein.

Von Kathrin Müller-Lancé, Königsdorf

Auf den ersten Blick sieht der Huabahof in Schönrain so aus wie ein klassischer, oberbayerischer Bauernhof: viel Holz, Milchflaschen vor der Tür, ein Holzschild mit der Gravur "Griaß Gott". In der Scheune stehen Rad- und Hoflader, im Stall 80 Kühe. Auf den zweiten Blick aber zeigt sich, dass man es hier doch eher mit einem außergewöhnlichen Vertreter der bäuerlichen Zunft zu tun hat: Die Fahrzeuge in der Scheune sind mehrheitlich elektrisch betrieben, die Tiere mit Schrittmessgeräten bestückt. Die Familie Demmel, welcher der Huabahof gehört, arbeitet an nicht weniger als der Neuerfindung der Landwirtschaft.

Schon seit 2005 ist der Huabahof ein Naturland-zertifizierter Biobetrieb zur Fleisch- und Milchproduktion. Doch das war den Besitzern nicht genug. Der technisch hochmoderne Bauernhof ist längst zu einem Modellprojekt von globalem Interesse geworden. Landwirt Franz-Xaver Demmel arbeitet mit Hochschulen und Spezialisten zusammen und erprobt auf dem eigenen Hof, wie eine zukunftsfähige und ressourcenschonende Landwirtschaft aussehen kann. "In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob wir ein Mahnmal werden oder ein Leuchtturm", sagt Demmel. Was er damit meint: Wenn die Politik und andere Landwirtinnen und Landwirte nicht irgendwann mitziehen, wird sein Hof ein einsamer Einzelfall bleiben. Wenn sich jedoch tatsächlich bald etwas verändert in der Art, wie die Gesellschaft und die Landwirtschaft bisher funktionieren, könnte sein Hof anderen Orientierung bieten.

"In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob wir ein Mahnmal werden oder ein Leuchtturm", sagt Landwirt Franz-Xaver Demmel. (Foto: N/A)

"Wir sind hoch verschuldet und sehr fleißig", erklärt Franz-Xaver Demmel die aktuelle Funktionsweise des Huabahofs. Der Bauernhof hat keine Angestellten, alle Arbeit macht hier die Familie, die Eltern und die zwei Kinder. "Da gibt es kein Wochenende und keine Ferien", sagt Franz-Xaver Demmel. Wie er so über den Hof führt, von seiner Lieblingskuh "Fräulein Schmidt" erzählt und die Funktionsweise der automatischen Melkanlage erklärt, wird klar: Hier ist jemand mit voller Leidenschaft dabei.

Die Demmels haben in den vergangenen Jahren eine Menge Geld in die Hand genommen, um ihre Landwirtschaft umzurüsten. Allein der Kuhstall hat etwa 1,5 Millionen Euro gekostet. Weil die Forschungsgelder für die Hochschulprojekte, die auf dem Hof laufen, lange noch fehlten, haben die Demmels teilweise selbst Kredite aufgenommen. "Das, was wir machen, ist nicht der wirtschaftlichste Weg", sagt Franz-Xaver Demmel. Der Spaltenboden im Kuhstall, der Emissionen einspart, koste etwa drei Mal so viel wie die herkömmliche Variante, schätzt Demmel. Beim Holzdach des Stalls reiche "nicht mal der Faktor drei" im Verhältnis zu den Kosten einer gewöhnlichen Blechdachkonstruktion.

Von der Politik würde sich die Familie mehr finanzielle Unterstützung wünschen. "Wer A sagt, muss auch B sagen", findet Demmel. Es reiche nicht, wenn Politikerinnen und Politiker immer nur von Klimaschutz und Ressourcenschonung sprechen, sie müssten dafür schon auch Geld in die Hand nehmen. Der Standard, den die Demmels auf ihrem Hof etabliert haben, kann bisher nur bedingt als Modell für andere Höfe dienen: "Das, was Sie hier vorfinden, ist eigentlich nicht bezahlbar", sagt Demmel. "Da braucht es schon viel Idealismus."

Dass sich das Denken zumindest langsam verändert, zeigt eine Aktion, bei welcher der Huabahof Kooperationspartner ist: das Förderprogramm "Zukunftsbauer", das die Genossenschaftsmolkerei Berchtesgadener Land und der Discounter Penny ausgerufen haben. Die Aktion unterstützt Landwirte der Molkerei, ihre Bauernhöfe energetisch zu optimieren - mit einer Fördersumme bis zu 10 000 Euro. Um die Gelder einzutreiben, verzichtet der Discounter beim Verkauf aller Berchtesgadener-Land-Produkte auf einen Teil der Handelsspanne. Die Molkerei verdoppelt dann diesen Betrag. Franz-Xaver Demmel berät die Teilnehmenden bei fachlichen Fragen und zeigt bei Exkursionen auf seinen Hof, wie die Landwirtschaft der Zukunft aussehen kann.

Was die Energieversorgung angeht, ist der Huabahof laut der Besitzerfamilie fast vollständig autark. Das heißt: Er stellt fast genauso viel Energie selbst her, wie er auch verbraucht. Erst kürzlich haben die Demmels die Photovoltaikanlage auf dem Dach aufgestockt, die Panels sind jetzt auch nach Nordosten ausgerichtet. "Wir greifen jeden Sonnenstrahl ab", sagt Franz-Xaver Demmel. Nur die sonnenarmen Wintermonate, vor allem der November, seien noch etwas schwierig. Deshalb will er bald mit Wasserstoff als Stromspeicher experimentieren. "Das könnte der Durchbruch sein für völlige Autarkie."

Das "Gehirn" des Huabahofs, wie Demmel es nennt, befindet direkt über dem Kuhstall. Über ein Energie-Management-System (EMS) organisiert Demmel die Energieversorgung auf dem ganzen Hof. Durch die zentrale Steuerung lässt sich zum Beispiel verhindern, dass zu viele Großverbraucher wie E-Fahrzeuge gleichzeitig am Strom hängen. Bald soll das EMS sogar die Wetterverhältnisse mit berücksichtigen können.

Franz-Xaver Demmel begreift sich selbst als Vertreter einer "interdisziplinären Landwirtschaft". Wenn es nach ihm ginge, sollten Bauernhöfe auch über die Lebensmittelproduktion hinaus gesellschaftliche Aufgaben wahrnehmen. Er zeigt auf ein Wandplakat, das eine Mind-Map zeigt. Darauf stehen Wörter wie Emissionsreduktion, Netzstabilität und Energieproduktion. "Landwirtschaft kann auch das", sagt Demmel. Mit entsprechender Förderung könnten Bauernhöfe zu Energiebetrieben umfunktioniert werden. Der Strom, den 10 000 Höfe nach Schönrainer Vorbild bedarfsgerecht produzieren könnten, entspräche in etwa der Leistung der Kernkraftwerke Isar I und Isar II, rechnet Demmel vor. Der Landwirt könnte sich auch vorstellen, dass Bauernhöfe in Zukunft die Elektromobilität unterstützen: "Wir haben fast flächendeckend Landwirtschaft, da könnte doch jeder Hof ein paar Zapfsäulen aufstellen und die mit selbst produziertem Strom speisen."

Apropos E-Mobilität: Eines von Demmels jüngsten Projekten ist die Anschaffung eines strombetriebenen Traktors, der den E-Fuhrpark in der Scheune noch ergänzen könnte. Einen Prototypen hat er bereits erprobt. Der könne mittlerweile sogar Heu wenden. "Wir haben ihn direkt bestellt, für den Fall, dass er in Serie geht", sagt Demmel. Vermutlich sei es 2023 soweit.

© SZ vom 25.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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