Jugendrat in Geretsried, Jugendparlament in Penzberg:Mitreden ist gut, dabeisein ist besser

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In Geretsried und Penzberg gibt es seit 2015 Jugendvertretungen. Die einen klagen über zu wenig Resonanz auf ihre Aktivitäten, die anderen stehen womöglich vor ihrer Auflösung.

Von Lisa Kuner, Geretsried/Penzberg

"Ich musste nach der Schule eineinhalb Stunden auf den Bus warten." Felix Leipold, Sprecher des Jugendrats in Geretsried, ist verärgert. Vor allem nachmittags sei die Busverbindung nach Bad Tölz so schlecht, dass viele Schüler sich entschieden, nicht am Nachmittagsunterricht teilzunehmen. Schon seit 2016 setzt sich der Jugendrat in Geretsried für eine bessere Nahverkehrsanbindung ein, Anträge wurden gestellt, die Sache liegt jetzt beim Landratsamt.

Geretsried, mit dem Jugendrat, und Penzberg, mit dem Jugendparlament (JuPa), beziehen junge Menschen aktiv in Politik mit ein. Zum Ablauf der ersten Amtsperiode ziehen die Mitglieder beider Gremien aber eine durchwachsene Bilanz.

Am Montagabend eröffnet der 16-jährige Kassier Hannes Lenk im Rathauskeller in Penzberg die Sitzung. Etwas mehr als die Hälfte der 13 Mitglieder des JuPa hat sich dort versammelt. An eine richtige Ratssitzung erinnert höchstens das Gebäude. Der Raum ist dunkel und eng, Getränke gibt es nicht. Die Stimmung ist gedrückt, nur wenige äußern sich zu den Punkten der Tagesordnung. Nach etwas mehr als zwei Jahren löst sich das JuPa in Penzberg vermutlich in der kommenden Woche auf: In zwei Anläufen waren nicht genügend Kandidaten für die nächste Wahl gefunden worden.

"Es ist eine gute Instanz, um etwas zu bewegen", sagt Pauline Link

Dienstagabend beim Jugendrat in Geretsried sieht es anders aus. Acht von zehn Jugendlichen haben sich im kleinen Sitzungssaal des Rathauses versammelt, sie sehen zwar ein bisschen verloren aus an den großen Tischen, aber die Örtlichkeit unterstreicht die Ernsthaftigkeit ihrer Arbeit. Die Tagesordnung wurde im Voraus per Post verschickt, Saft, Wasser und Snacks stehen bereit. Die Mitglieder haben Zugang zum Serviceportal der Stadt, können dort Dokumente einsehen, müssen Protokolle ihrer Sitzungen hochladen. Der 19-jährige Sprecher Felix Leipold eröffnet die 27. Sitzung. Madlen Schubert, 17, ebenfalls Sprecherin, referiert über das Jugendforum in Wolfratshausen, das sie im Herbst besuchte. Heidi Dodenhöft, Jugendreferentin des Stadtrats, moderiert die Sitzung. Die Stimmung ist gut.

Die 18-jährige Pauline Link gehörte zu den Initiatoren des JuPas, seit Anfang 2015 setzte sie sich dafür ein, dass Jugendliche in der Penzberger Lokalpolitik mitmischen können, brachte die Idee vor den Stadtrat. Im November 2015 konnte das Jugendparlament gewählt werden. Nachdem sie knapp drei Jahre daran gearbeitet hat, ist sie enttäuscht, dass das Projekt vorerst gescheitert ist. "Das ist sehr schade. Das Jugendparlament ist eine gute Instanz für Jugendliche, um was zu bewegen." Link glaubt nicht, dass Jugendliche generell politikverdrossen sind, im Gegenteil, es werde viel über Politik diskutiert. Aber in Aktion treten Jugendliche deshalb nicht unbedingt. "Viele sind zu faul, alle zwei Wochen zu einer Sitzung zu kommen. Es ist anstrengend, Sachen zu bewegen, man muss sich dahinterklemmen." Link fühlt sich aber auch von der Stadt im Stich gelassen. Die Zuständigkeiten für das JuPa hätten immer wieder gewechselt, anfangs habe sich niemand richtig verantwortlich gefühlt, es habe nicht immer einen festen Ansprechpartner gegeben. Erst seit Ende des vorigen Jahres kümmert sich Lisa Nagel vom Familienbüro im Rathaus direkt um sie. Auch bei den Wahlvorbereitungen sei einiges schief gegangen: Briefe wurden an Jugendliche verschickt, aber viele davon seien nicht angekommen. "Wir haben daraus gelernt. Das war eine Erfahrung", sagt Nagel. Ziel sei es, im Herbst eventuell einen neuen Anlauf zu unternehmen. Vielleicht mit einigen Satzungsänderungen bezüglich des Alters, das derzeit auf zwölf bis 19 Jahre beschränkt ist, und der Anzahl der Mitglieder - bisher 13.

Felix Leipold findet: "Der Jugendrat muss politischer werden"

Der Jugendrat in Geretsried soll im Mai neu gewählt werden, die Jugendlichen versuchen, für die Wahl einen Zeitplan aufzustellen. Briefe verschicken, Infoveranstaltung, Kandidaten vorstellen - es gibt viel zu tun. Die Jugendlichen können sich dabei aber auf die Unterstützung von Dodenhöft und bald auch von einer neuen Stadtjugendpflege verlassen. Alle hoffen, dass es anders läuft als in Penzberg und dass Nachwuchs kein Problem wird. Den Geretsrieder Jugendrat gibt es seit 2015. Er ist Nachfolger eines Jugendbeirats, mit dem die Stadt schon versuchte, junge Menschen mit einzubeziehen, dieser wurde allerdings nicht gewählt, sondern berufen.

Auch die Geretsrieder haben aber das Gefühl, junge Menschen nicht richtig zu erreichen. Zu einem Open-Air-Kino und der aufwendig organisierten "Young Music Night" im Herbst kamen nur wenige Besucher. Jugendliche hätten viel gemeckert, sich aber nicht für Verbesserung eingesetzt, sagt Schubert. Sie sei dennoch nicht enttäuscht, sie engagiere sich, "um irgendwas bewegen zu können", und sei zufrieden, was sie alles gemeistert hätten. Leipold findet allerdings: "Der Jugendrat muss politischer werden." Bisher sei er mehr Eventmanager als politische Institution.

Im Hinblick auf die Projekte, die das Gremium anstoßen konnte, ist die Bilanz auch in Penzberg durchwachsen. Ein Kulturfest machte Miese, der Nachtbus nach Bad Tölz, der für Jugendliche attraktive Orte wie Kinos oder Kneipen anfuhr, wurde in einer Testphase von weniger als drei Monaten nicht gut angenommen. Für die Innenstadt konnten drei moderne Spielgeräte bestellt werden, das Aufbauen von Grillplätzen an den Seen ist Thema bei der Stadtratssitzung in der nächsten Woche.

Egal, wie es mit dem JuPa weitergeht, für Link ist wichtig, dass Städte junge Menschen ernst nehmen. Besonders begrüßt sie eine Dachverbandsinitiative von deutschen Jugendparlamenten, die erreichen will, dass Städte verpflichtet werden, Jugendliche einzubeziehen und so deren Interessen ernstzunehmen. Link verlässt Penzberg im Herbst und kann sich darum nicht mehr im JuPa einbringen. Sie ist sich aber sicher, dass das nicht ihre letzte Begegnung mit Politik war. "Wenn etwas passiert, das mich aufregt, muss ich mich einmischen", erklärt sie. "Für Penzberg wünsche ich mir, dass sich auch die Erwachsenen mehr engagieren und dass sich die Jugendlichen mal in den Hintern treten", sagt sie.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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