Jahresprogramm vorgestellt:Von Pionierinnen und Schlapphüten

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Der Historische Verein Wolfratshausen blickt auf Regional- und Weltgeschichte. Das Todesmarsch-Gedenken findet künftig im Erinnerungsort Badehaus statt.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Der Historische Verein Wolfratshausen blickt auf ein ereignisreiches Jahr zurück. Schließlich sind die Vorsitzende Sybille Krafft und zahlreiche Mitglieder auch Teil des Badehaus-Vereins, der im Herbst in Waldram den Erinnerungsort im ehemaligen Lager Föhrenwald eröffnet hat. Diese Arbeit ist nun geschafft, in diesem Jahr können sie sich wieder voll der Ortsgeschichte widmen - und die neuen Räumlichkeiten im Waldramer Dokumentationszentrum nutzen. In seinem Programm für 2019, das Krafft und Bernhard Reisner am Dienstag vorgestellt haben, setzt der Historische Verein etablierte Veranstaltungsreihen mit neuen Akzenten fort, wirft Schlaglichter auf wenig erforschte Aspekte der Regionsgeschichte und gewährt seltene Einblicke in ein besonderes historisches Gebäude.

Erster Termin ist der Internationale Frauentag am Freitag, 8. März. Die Veranstaltung, die der Historische Verein zusammen mit dem Kulturverein Isar-Loisach (KIL) gestaltet, ist längst fest im Kulturkalender der Region verankert. Dieses Jahr lautet der Titel "Hysterische Furien und schnatternde Gänse" - ein historisches Zitat, wie Krafft erklärt: So hätten einst männliche Politiker die ersten weiblichen Abgeordneten im bayerischen Landtag genannt, denen sich der Abend widmet. Seit 1918 konnten Frauen ins Parlament gewählt werden, bis 1933 gab waren es nur 19, eine kleine Minderheit gegenüber der männlichen Dominanz. Im Badehaus gibt es eine szenische Lesung der Münchner Autorin Karin Sommer über die Geschichte der politischen Pionierinnen in Bayern, dazu gibt es "kämpferische Lieder" der Sirenen um und mit KIL-Sprecherin Assunta Tammelleo. Danach zeigt Krafft einen Kurzfilm, den sie über die FDP-Politikerin und langjährige Landtagsabgeordnete Hildegard Hamm-Brücher gedreht hat, bevor sich der Abend der aktuellen Situation von Frauen in der Politik widmet: Stadträtinnen aus Wolfratshausen und Geretsried werden von ihren Erfahrungen berichten. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr, der Eintritt kostet zehn Euro.

An den Todesmarsch der KZ-Häftlinge erinnert das Mahnmal von Hubertus von Pilgrim. Die Gedenkveranstaltung findet fortan im Badehaus statt. (Foto: Manfred_Neubauer)

An den Todesmarsch, bei dem Tausende KZ-Häftlinge aus Dachau und den Außenlagern durchs Oberland getrieben wurden, erinnert eine Veranstaltung am Sonntag, 28. April. Erstmals übernimmt der Historische Verein zusammen mit den "Bürgern fürs Badehaus" in diesem Jahr die Gedenkveranstaltung, die bisher immer im Januar am Mahnmal stattgefunden hat. Im Badehaus wird nach einer historischen Einführung von Emanuel Rüff und Musik eine Collage aus Zeitzeugenberichten von Sybille Krafft und Rüdiger Lorenz gezeigt. Zudem sind Augenzeugen eingeladen, die den qualvollen Marsch der entkräfteten Häftlinge in ihrem Heimatort erlebt haben. Die Veranstaltung ist kostenfrei und beginnt um 19 Uhr.

Die große Gedenkveranstaltung zur Bücherverbrennung der Nazis ist im vergangenen Jahr wegen der organisatorischen Arbeit zur Badehauseröffnung ausgefallen. Dieses Jahr findet sie wieder statt, am Freitag, 10. Mai, wie gehabt in der Loisachhalle. Diesmal widmet sich der Abend vor allem der "entarteten Musik". Im Mittelpunkt stehen von den Nazis verfolgte Komponisten, Musiker, Librettisten und Autoren. Sie werden von Schülern aus der Region vorgestellt, prominente Gäste lesen und spielen ihre Werke. "Wir sind sehr gespannt, mit welchen Beiträgen die Schüler kommen werden", sagt Krafft. Schließlich sei die Palette groß - "von Mendelssohn bis Swing". Die Musikschule Wolfratshausen und der Kinderchor von Yoshihita Kinoshita werden Auszüge aus der Kinderoper "Brundibár" spielen, die Hans Krása im KZ Theresienstadt komponiert hat. Der Abend kostet 25 Euro (ermäßigt zehn Euro) und beginnt um 19 Uhr, Einlass ist von 18 Uhr an.

Bernhard Reisner widmet sich am Donnerstag, 27. Juni, der Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Isar- und Loisachtal. "Von Händlern, Handwerkern und Ingenieuren" ist sein Vortrag überschreiben, der die Entwicklung der Wirtschaft in Wolfratshausen und Umgebung schildert und darstellt, wie Entwicklungen, vor allem der Bau der Isartalbahn, Strukturen und das Sozialgefüge maßgeblich verändert haben. Der kostenfreie Vortrag im evangelischen Gemeindesaal beginnt um 19 Uhr.

Am Tag des Denkmals im September gibt es Führungen durch die Happ'sche Apotheke mit ihrer vollständig erhaltenen historischen Einrichtung. (Foto: WOR)

Am Tag des Denkmals, Sonntag, 8. September, gewährt der Historische Verein dann seltene Einblicke in ein geschichtlich bedeutendes Gebäude: Ludwig Gollwitzer und Annekatrin Schulz führen jeweils kleine Gruppen durch die Happ'sche Apotheke am Untermarkt 13, deren vollständig erhaltene Einrichtung zum Teil noch aus dem 18. Jahrhundert stammt. Die Gäste erfahren dabei viel Wissenswertes über das Apothekenwesen, die Familie Happ und Apothekergärten im Oberland. Es gibt drei Führungen zwischen 10 und 12 Uhr, jeweils zur vollen Stunde. Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, ist eine Anmeldung mit Uhrzeit bis zum 1. September erforderlich: per E-Mail an info@histvereinwor.de oder telefonisch unter 08171/34 59 05.

Tiefe Blicke in den "geheimsten Ort Deutschlands" gewährt am Donnerstag, 7. November, der Marburger Geschichtsprofessor Wolfgang Krieger. Als Mitglied einer Historikerkommission hat er sich eingehend mit der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND) befasst und hatte in seiner jahrelangen Forschungsarbeit auch Zugriff auf das sonst unzugängliche BND-Archiv. Unter dem Titel "Die Schlapphüte aus Pullach" zeichnet er in seinem Vortrag ein differenziertes Bild des Geheimdienstes, der in der Isartalkommune 1947 aus der Organisation von Reinhard Gehlen hervorgegangen ist und dort bis vor Kurzem seine Zentrale hatte. Der Vortrag findet im evangelischen Gemeindesaal statt und beginnt um 19 Uhr. Der Eintritt kostet zehn Euro. Der Historische Verein empfiehlt, sich für alle Veranstaltungen möglichst früh die Karten zu sichern.

Mehr unter www.histvereinwor.de

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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