Icking:Berliner Besuch auf dem Bauernhof

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Kritik im Kuhstall: Karl Bär und Ruth-Maria Frech (mit Nachwuchs) debattieren über Möglichkeiten des Bürokratieabbaus in der Landwirtschaft. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Karl Bär erfährt im Irschenhausener Milchviehbetrieb der Familie Frech, wie sich die Bürokratie auf den Alltag der Landwirte auswirkt.

Von Benjamin Engel, Icking

Blickt Ruth-Maria Frech auf ihren Terminkalender, wünscht sich die junge Bäuerin nur, dass keine neuen bürokratischen Vorschriften mehr dazukommen. So prall gefüllt ist das Jahr mit Fristsetzungen und anstehenden Aufgaben. "Ich würde mir wünschen, dass die Politik nicht immer noch etwas obendrauf packt", sagt die 33-Jährige, die im Jahr 2017 den Hof in der Rothengasse im Ickinger Ortsteil Walchstadt von ihren Eltern übernommen hat. "Das, was da ist, sollte gut umgesetzt werden", sagt sie. Schließlich habe sie einen Abschluss im dualen Studium Landwirtschaft, wisse genau, was ihre Tiere und Pflanzen brauchen - und wolle, dass es diesen gutgehe. Noch mehr Bürokratie würde aus ihrer Sicht auch nicht helfen, um Regelbrecher abzuhalten, ist die junge Landwirtin überzeugt.

Als Frech das an einem späten Märzmontag in der Karwoche sagt, ist der Bundestagsabgeordnete der Grünen für den Stimmkreis, Karl Bär, schon wieder Richtung Holzkirchen aufgebrochen. Am Hof der Familie Frech hat der 39-jährige Bär in einigen Stunden erfahren, wie Gesetzgebungspolitik auf den praktischen Landwirtschaftsalltag trifft. Nun wartet in der Marktgemeinde im Landkreis Miesbach, der mit Bad Tölz-Wolfratshausen den Bundestagswahlkreis 223 bildet, schon sein Anschlusstermin.

Bär sucht nach den Auswirkungen der Bürokratie

Der Milchviehbetrieb mit um die 50 Mutterkühen der Irschenhausener Familie Frech war die erste Station des Grünen-Bundestagsabgeordneten auf der Spur nach den Auswirkungen der Bürokratie auf die Betriebspraxis in der deutschen Lebensmittelkette. In den kommenden Tagen der Karwoche will Bär noch einen Gemüsebauern, einen Mühlen- sowie einen Gastronomiebetrieb besuchen. Sein Fazit nach der ersten von vier Stationen seiner Besuchstour: "Wir werden uns mehr mit der konkreten Umsetzung in den Betrieben auseinandersetzen müssen."

Beispielhaft nennt Bär die neue Düngemittelverordnung. Das Grundproblem ist, wenn zu viel Gülle anfällt und auf Feldern ausgebracht wird. Was Boden und Pflanzen nicht mehr aufnehmen können, belastet das Grundwasser mit Nitrat. Bereits die Vorgängerkoalition hat im Jahr 2021 sogenannte "rote Gebiete" mit besonders hohen Werten definiert, in denen strengere Regeln gelten. Nur die Erfolgskontrolle fehlte. Geht es nach Grünen und SPD, sollen sich nun nicht mehr alle Landwirte wie bisher in den betroffenen Gebieten einschränken müssen. Stattdessen möchten die beiden Parteien die Bauern entlasten, die wenig oder keine Stickstoffüberschüsse haben. Diese sollen mithilfe sogenannter Stoffstrombilanzen aufzeigen, wie viel sie davon einsetzen. Das ist der FDP jedoch zu bürokratisch, weswegen das Gesetzgebungsverfahren stecken geblieben ist.

Bäuerin Frech beklagt die Flut von Regulierungen

Der Irschenhausener Hof liegt zwar außerhalb "roter Gebiete". Zu aufwendig bürokratisch ist aber auch einiges für Landwirtin Frech. So soll etwa ein satellitengestütztes Monitoringsystem den Landwirten erleichtern, die korrekte Bewirtschaftung ihrer Flächen nachzuweisen. Warum sie bei der sogenannten "FAL-BY"-App aber auf ihren Feldern zusätzlich noch per Foto dokumentieren müsse, welche Kulturen sie wie anbaue, obwohl das ja ein Satellit bereits erfasse, versteht die junge Bäuerin nicht. Zudem sei die Düngeplanung für Betriebe ein "großer Papiertiger", sagt die Mutter zweier Töchter, ihre jüngste, zehn Monate alt, in einer Babytrage am Körper. Deutlich macht Frech, dass das Problem nicht die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen seien, sondern vielmehr die Flut von Regulierungen und festgesetzten Fristen wie etwa beim Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere und dem Tierarzneimittelgesetz.

Ebenso überbordend sind laut dem Abgeordneten Bär die vielen unterschiedlichen Qualitätsbewertungssysteme in der Lebensmittelkette. Das privatrechtlich organisierte Qualitätsmanagement und -sicherungssystem Milch abzuschaffen, kommt für Frech indes nicht infrage. Das habe sich bewährt, sagt die Bäuerin, auch weil die Landwirte in persönlichem Austausch mit den Kontrolleuren stünden.

Karl Bär will das Bürokratiedickicht für die Bauern lichten. Wenn die Länder bundesgesetzliche Regelungen wenigstens möglichst einheitlich umsetzen würden, wäre für den Bundestagsabgeordneten schon viel gewonnen. Das sagt er noch, dann ist er unterwegs zum nächsten Termin. Für die Bäuerin Frech geht der Alltag an ihrem Hof weiter, mit ihren Kühen und dem Papierkram.

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