Unterbringung von Asylsuchenden:Bad Tölz klagt gegen Landratsamt

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Auf dem freien Areal am Isarleitenweg soll eine Gemeinschaftsunterkunft für 96 Geflüchtete entstehen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Trotz Bebauungsplan und Veränderungssperre genehmigt die Kreisbehörde eine Gemeinschaftsunterkunft für 96 Geflüchtete am Isarleitenweg. Bürgermeister Mehner sieht die Selbstverwaltungsgarantie der Stadt verletzt.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Wegen der geplanten Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende am Isarleitenweg hat die Stadt Bad Tölz jetzt Klage gegen das Landratsamt eingereicht. Auf dem Grundstück, das einem privaten Eigentümer gehört, soll eine Leichtbauhalle für 96 Geflüchtete entstehen. Schon im September vergangenen Jahres hatte der Tölzer Stadtrat eine solche Einrichtung in dem Wohngebiet nahe der Stadtklinik einstimmig abgelehnt. Um dieses Vorhaben zu verhindern, wurden damals ein Bebauungsplan aufgestellt und eine Veränderungssperre erlassen. Dennoch hat das Landratsamt die Baugenehmigung für die Unterkunft erteilt. "Die Entscheidung verletzt die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie", sagte Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) am Dienstagabend im städtischen Bau- und Stadtentwicklungsausschuss.

Mit Nachdruck verwies Mehner darauf, dass Bad Tölz "fast doppelt so viele Asylbewerber und Flüchtlinge untergebracht hat, wie wir der Größe nach müssten". Nach den Zahlen vom 8. Februar leben in der Kreisstadt mittlerweile 841 Asylsuchende, die Unterbringungsquote nach dem Königsteiner Schlüssel ist um mehr als 80 Prozent überfüllt. Dies gilt ansonsten nur noch für Geretsried (672 Geflüchtete), Wolfratshausen (618) und Kochel am See (121). 17 von 21 Kommunen im Landkreis liegen unter der Quote.

"Notausnahmetatbestand" setzt Planungshoheit außer Kraft

Wenn eine Stadt eine Veränderungssperre erlassen hat, kann das Landratsamt grundsätzlich keine anderen Nutzungen genehmigen. "Grundsätzlich" heiße im Juristendeutsch allerdings, dass es Ausnahmen geben könne, sagte Mehner. Und dies ist bei Asylunterkünften eben der Fall. Als rechtliches Instrument nimmt das Landratsamt den Paragrafen 246, Absatz 14, Baugesetzbuch (BauGB) in die Hand. Demnach kann von sämtlichen Vorschriften im BauGB abgewichen werden, wenn "dies zur Errichtung dringend benötigter Unterkünfte für Flüchtlinge dient und Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der betroffenen Gemeinde anderweitig nicht zur Verfügung gestellt werden können." Und zwar auch dann, wenn dies Bebauungsplänen der Kommune entgegenläuft. Diese Regelung werde auch als "Notausnahmetatbestand" bezeichnet, so der Bürgermeister.

Eine Leichtbauhalle, ähnlich wie jene neben dem Landratsamt, soll nun auch am Isarleitenweg errichtet werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Bad Tölz ist nach Greiling die zweite Kommune, die wegen Asylunterkünften gegen das Tölzer Landratsamt klagt. Allerdings sind die beiden Fälle etwas anders gelagert: Die kleine Nachbargemeinde war mit einem Eilantrag wegen der angedrohten Zwangszuweisung von Asylsuchenden vor Gericht gezogen und hatte erst einmal recht bekommen. "Dort hat das Landratsamt keine Flächen und hat Greiling gesagt, ihr müsst Flüchtlinge nehmen und Flächen zur Verfügung stellen", sagte Mehner. In Bad Tölz bietet hingegen ein Privateigentümer sein Areal an. "Er hat uns nicht kontaktiert", so Mehner.

Tölzer Bürgermeister fordert gleichmäßige Verteilung der Lasten im Landkreis

Er könne die Probleme des Landrats bei der Unterbringung von Flüchtlingen durchaus nachvollziehen, sagte Mehner. Von den Nachbarkommunen verlange er auch "keine Solidarität mit der Politik der Bundesregierung". Allerdings müssten die Kommunen im Landkreis angesichts der hohen Zahlen an Asylsuchenden untereinander versuchen, "dass wir die Lasten und Belastungen einigermaßen gleichmäßig verteilen". Dies geschehe aktuell jedoch nicht. Die Stadträte im Bauausschuss zeigten sich mit der Vorgehensweise einverstanden. Die geplante Gemeinschaftsunterkunft "sprengt jeden Maßstab da oben", sagte Christoph Botzenhart (CSU). Eine Klage sei man der Bevölkerung schuldig. Dieser Schritt habe indes "keine aufschiebende Wirkung", so Mehner. Die Leichtbauhalle kann trotzdem errichtet werden.

Von der Klage erfuhr Landrat Josef Niedermaier (FW) bis Mittwochmittag nichts. "Tatsache ist aber, dass wir wie alle Landkreise Geflüchtete zugewiesen bekommen, die wir schlicht unterbringen müssen und dafür, Stand heute, die Plätze nur noch wenige Wochen reichen", erklärte er auf Nachfrage. Der Bund habe für Unterkünfte baurechtlich einige Ausnahmen möglich gemacht, "diesen Spielraum schöpfen wir aus". Am Isarleitenweg kenne er, Niedermaier, viele Anwohner persönlich, die ihn auch direkt - "teilweise sehr vehement" - angesprochen hätten. Die Sorgen und Bedenken könne er nachvollziehen, aber die Not, die Flüchtlinge unterzubringen, sei nun mal groß. "Dass es zu Klagen kommt - damit muss man rechnen."

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