Eurasburg:Ein Grüner taucht ab

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Hans Urban bei einer Ausstellungseröffnung in Kloster Beuerberg im Mai 2019. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Hans Urbans Karriere als Landtagsabgeordneter geht nach fünf Jahren zu Ende. Seit seiner Verurteilung im Google-Vorfall macht er sich rar, nicht nur unter den Kreis-Grünen. Auf Anfragen antwortet er nicht - eine Spurensuche.

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Wie lässt sich über jemanden Bilanz ziehen, der selbst nicht zu sprechen ist? Es bleibt nur, sich in dessen Umfeld umzuhören. Denn Hans Urban reagiert auf keinerlei Kontaktversuch. Der Grünen-Landtagsabgeordnete aus Oberherrnhausen bei Beuerberg (Gemeinde Eurasburg) beantwortet weder E-Mails an seine Landtags- noch die Privatadresse seiner Familie am Packlhof. Auch die Rückrufbitte auf dem Anrufbeantworter des Festnetzanschlusses bleibt erfolglos.

Dabei hat der inzwischen 45-jährige Landwirtschaftsmeister und gelernte Heizungsbauer immerhin fünf Jahre lang ein öffentliches Mandat ausgeübt. Mehr als 22 000 Stimmen erhielt er und zog damit 2018 überraschenderweise als Landtagsabgeordneter für die Grünen ins Maximilianeum ein. Fünf Jahre später ist er nicht mehr angetreten. Das bietet wohl genug Stoff, über die politische Tätigkeit im Landesparlament - Erreichtes und Unerreichtes - oder Zukunftspläne zu sprechen. Die Gelegenheit lässt Urban jedoch verstreichen. Noch nicht einmal eine Absage kommt.

Das Amtsgericht hat Urban wegen falscher Verdächtigung und Nötigung verurteilt

Wer zumindest ansatzweise verstehen will, warum Urban zu einer Art Phantom geworden ist, muss mehr als zwei Jahre zurückgehen. Im Vorfall mit einem Google-Kamera-Auto verurteilte das Amtsgericht Wolfratshausen den Grünen-Landtagsabgeordneten im Jahr 2021 wegen falscher Verdächtigung und Nötigung. Mit der Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu 150 Euro (10 500 Euro) ist Urban zwar nicht vorbestraft. Wie er damit umgegangen ist, dürfte allerdings dafür maßgeblich sein, dass seine Landtagskarriere nach nur einer Legislaturperiode endet. Sein absolutes Beharren darauf, im Recht zu sein, verursachte wohl, dass er sich zumindest von Teilen der Kreis-Grünen entfremdete.

Auf dem Hofgelände der Familie Urban in Oberherrnhausen hatte der Vorfall mit dem Google-Auto stattgefunden, das Aufnahmen für den Internet-Dienst "Street view" machen wollte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich Urban absichtlich vor dem Wagen fallen ließ und einen Unfall vorspielte, als der Fahrer auf dem Kiesweg wenden wollte. Das bestätigten auch zwei Gutachter. Anhand der Dashcam-Aufnahmen des Google-Autos hatten die Experten analysiert, dass der Wagen den Bio-Bauern nicht berührt haben könne, dieser habe sich vielmehr einfach ohne Kontakt nach hinten fallen lassen. Urban hatte die Polizei informiert und den Google-Fahrer wegen Körperverletzung angeklagt.

Hans Urban im Prozess vor dem Amtsgericht Wolfratshausen im Jahr 2021, hier mit Rechtsanwalt Hartmut Wächtler (re.). (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bis heute scheint der Eurasburger überzeugt zu sein, dass er unschuldig verurteilt wurde. Das legen zumindest Aussagen aus seiner Partei nahe. Offen darüber sprechen mag aber fast keiner. Allein Mechthild Felsch, Kassiererin der Kreis-Grünen und Kreisrätin aus Münsing, erklärt, dass alles zitierbar sei, wovon sie spreche. "Ich habe versucht, ihm beizustehen", beschreibt sie die unmittelbare Zeit nach Urbans Prozess. "Da war er am Ende seiner Nerven."

"Wir erleben ihn gar nicht mehr", sagt die Kassiererin der Kreis-Grünen

Zur folgenden Fraktionssitzung sei Urban noch gekommen. Anschließend aber sei er fast völlig abgetaucht. "Wir erleben ihn gar nicht mehr." Mails an seine Adresse würden zurückgewiesen. Zur jüngsten Kreistagssitzung - Urban ist dort ebenso für die Grünen Mitglied wie auch im Eurasburger Gemeinderat - sei er kurz erschienen, allerdings sei er nach Beginn gekommen und vor Sitzungsende gegangen, so Felsch. Einerseits könne sie verstehen, dass Urban sich nach dem Google-Vorfall zurückhalte. Andererseits sollte er seine Mandate wahrnehmen, findet sie.

Wenigstens seine Redebeiträge im Parlament sind auf der Homepage des bayerischen Landtags als Video abzurufen. 20 Wortmeldungen sind aufgelistet, die jüngste jedoch vom 12. Oktober 2022. Das ist beinahe ein Jahr her, obwohl Urban forst- und jagdpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion ist. Warum ist das so?

Die Antwort: "Wer in der Vollversammlung wann am Rednerpult steht, hängt grundsätzlich von den durch die Tagesordnung festgelegten Beratungspunkten ab sowie von der fachlichen Zuständigkeit innerhalb der Fraktionen." So teilt es Vanessa Lünenschloß, Pressereferentin der Grünen-Fraktion im Landtag mit. Im übrigen sei mit der 152. Plenarsitzung im Juli 2023 die aktive Phase der 18. Wahlperiode des Bayerischen Landtags zu Ende gegangen. Die sitzungsfreie Zeit habe begonnen. "Die Grüne Fraktion Bayern hat Hans Urban als hochgeschätzten Sprecher für Jagd- und Forstwirtschaftspolitik gemeinsam mit den anderen Abgeordneten, die sich am 8. Oktober nicht mehr zur Wahl stellen, verabschiedet", so Lünenschloß.

Die Grünen loben die hervorragende Arbeit Urbans in der Forst- und Jagdpolitik

Von der hervorragenden Arbeit Urbans in seinem Fachgebiet spricht ebenso Gisela Sengl, stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag. Wie Urban ist die 63-jährige Bio-Bäuerin Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Gerade die dortige Arbeit sei bis zum Schluss sehr gut gelaufen, so Sengl. "Mein persönliches Verhältnis zu ihm war immer sehr gut."

Zu hören ist Urban selbst nur in den Videos seiner Redebeiträge im Landtag, im Abschiedsvideo der Grünen-Fraktion oder in den alten Postings auf seinen Social-Media-Kanälen. Darin tritt er engagiert für einen Forstumbau zum klimatoleranten, sich selbst verjüngenden Mischwald ein. Urban warb für das Bauen mit Holz genauso wie für die Bauern, die von der Nutzung ihres Waldes wirtschaftlich existieren könnten. Zu sehen ist, wie Urban in seinem eigenen Privatwald Fichten-, Buchen- und Tannensetzlinge pflanzte. Auf dem Packlhof hält er mit seiner Frau Katharina eine Pinzgauer Mutterkuhherde sowie Hühner nach dem Bruderhahnmodell.

Dass damit Urban eigentlich der ideale Grünen-Kandidat sei, der die Inhalte der Partei mit einem Schuss konservativer Erdung verbinden könne, sehen einige so. Insgeheim aber dürften wohl viele froh sein, dass der Eurasburger zur Aufstellungsversammlung der Grünen für den Direktkandidaten erst gar nicht mehr erschienen ist. Der neue Direktkandidat war nun sein früherer Büro-Mitarbeiter Jakob Koch, der den Einzug ins Maximilaneum wohl nicht schaffte.

Während Grünen-Kreissprecher Andreas Wild von "Null-Kontakt" mit Urban spricht, äußert sich Klaus Koch äußerst vorsichtig. Der Dritte Landrat und Grünen-Fraktionssprecher im Kreistag weist auf die frühere Tätigkeit seines Sohnes Jakob für Urban hin. "Wir haben schon Kontakt", sagt Klaus Koch, der im Eurasburger Gemeinderat direkt neben ihm sitzt.

Und Urban? Ein Gipfelfoto auf der Rumer Spitze im Karwendel und ein Video beim Biken in Südtirol sind die aktuellsten Postings von ihm in den sozialen Medien. Unter einem Song der Gruppe U2: "I still haven't found what I'm looking for."

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Wolfratshausen/Eurasburg
:Hans Urban im Google-Streit verurteilt

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Von Benjamin Engel

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